Gelsenkirchen. 1875 erhielt Gelsenkirchen Stadtrechte. Vor 149 Jahren eröffnete hier auch der Unternehmer Friedrich Küppersbusch seinen Eisenwarenladen.
Die Telefonvorwahl ist immer noch die Gelsenkirchener. „Die durften wir mitnehmen nach Essen“, verrät die Dame an der Zentrale, die heute ihren Sitz am Welterbe Zollverein in Essen hat. Ansonsten erinnern in Gelsenkirchen nur noch die nach dem Unternehmensgründer benannte Küppersbuschstraße und der verlassene Pförtnerpavillon samt Rufsäule vor dem ehemaligen Verwaltungsgelände an die „größte Herdfabrik des Kontinents“.
Im kommenden Jahr, wenn die Stadt Gelsenkirchen ihr 150-jähriges Bestehen als Stadt feiert, sind auch 150 Jahre vergangen, seit der Gelsenkirchener Eisenwarenhändler Friedrich Küppersbusch sein Eisen- und Haushaltswarengeschäft in Gelsenkirchen eröffnet hat. Angeschlossen war eine Schlosserei. Das Geschäft stand an der Kaiserstraße 55, der heutigen Kurt-Schumacher-Straße. Es war die Keimzelle für ein wahres Haushaltsgeräte-Imperium, dessen Gelsenkirchener Ära 2022 endgültig endete. Um auf Zollverein in Essen und in Spanien fortgeführt zu werden. Doch dazu später.
Made in Gelsenkirchen war bei Herden ein Qualitätsmerkmal
Küppersbusch-Herde gingen aus Gelsenkirchen einst in die ganze Welt. Doch zunächst waren es die Gelsenkirchenerinnen, deren Küchen in der parallel zur Zechenlandschaft regelrecht explodierenden Stadt ausgestattet wurden. Die Qualität der Herzstücke jeder Küche wurde gerühmt, made in Gelsenkirchen war in Verbindung mit Haushaltsgeräten ein Qualitätssiegel.
In den ersten Jahren stand in der Schalker „Herdfabrik F. Küppersbusch & Söhne“ - Friedrich mit den Söhnen Karl und Robert - die handwerkliche Fertigung von Kohleöfen und -herden im Vordergrund. Erst ab 1883 begann das junge Unternehmen, Kohleöfen in Serie zu produzieren. Zwölf Mitarbeiter beschäftigte die Familie zu der Zeit.
1899 arbeiteten 1400 Gelsenkirchener für Küppersbusch
Bald schon begann das Familienunternehmen, an der Gewerkenstraße Werkshallen für die Serienproduktion zu errichten. 1889 war der Umzug vollzogen, die Produktion expandierte. Geschäftsführer war da bereits der Schwiegersohn, Georg von Oerdingen.
Und der erhöhte das Expansionstempo noch weiter. Bereits sieben Jahre später, 1896, konnte die „Herdfabrik Küppersbusch & Söhne“ weitere Produktionsstätten an der damaligen Rotthauser Straße - heute Küppersbuschstraße - beziehen. Der 64-jährige Senior hatte sich da bereits aus dem Unternehmen zurückgezogen, sein jüngster Sohn Otto war dafür eingestiegen.
1899 verdienten hier 1400 Mitarbeiter ihren Lebensunterhalt, die Produktionszahl war auf 70.000 Herde pro Jahr hochgeschnellt. Aus dem Familienunternehmen war eine Aktiengesellschaft geworden, mit unglaublicher Produktionspalette, von Großküchengeräten über Zimmer- bis Gasöfen.
Im Ersten Weltkrieg wurde auf Feldküchen umgestellt
Firmengründer Friedrich Küppersbusch starb 1907. Zu der Zeit zählte sein Unternehmen bereits 2000 Mitarbeiter und galt als „größte Spezialfabrik für Kochapparate aller Art“, in Deutschland und auf dem Kontinent. Während des Ersten Weltkrieges musste man vorübergehend auf Feldküchen umstellen, doch nach Kriegende erholte der Betrieb sich schnell.
Zuliefererbetriebe für Einzelteile brauchte es in jenen Jahren nicht. Ein Chronist aus den 1922er Jahren - ein gewisser Geheimrat Knoch - schwärmt nach einem Werksbesuch: „Hier werden Einzelteile vorgearbeitet, dort die Bleche in glühendem Zustande noch einmal gestanzt. Hier wird lackiert und anderwärts emailliert. Die einen spritzen die Emaille auf, die anderen schwingen die größeren, mit Emaille versehenen Bleche mit den Händen, damit die Emaille gut verteilt wird. Handliche Geschicklichkeit ist hier die Hauptsache.“
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Das Schalker Werksgelände an der Gewerkenstraße erstreckte sich von der heutigen Herdstraße bis zur Herzogstraße. Alle Produktionsschritte waren in Küppersbuschhand, in verschiedenen Abteilungen von der Gießerei mit bis zur Verzierung der Emaille an den Herdfronten. In der Feldmark entstand später auch eine (Küchen-)Möbelfabrik.
Auch die Küchen der Berliner Charité kamen aus Gelsenkirchen
Im Küppersbusch-Musterlager standen bereits Anfang der 1920er Jahre Kochherde für Kohle und/oder Gas, Herde für Hotels, Restaurants und Anstalten, Kochkessel für Massenverpflegungen auf Schiffen und in Kliniken. Zur Palette gehörten auch Heizöfen, Waschkauen („Brausebadeanstalten für 500 Mann“), eiserne Kleiderschränke für Werkstätten, Wärmebehälter, Kaffeewasserkocher und Sparkochherde - unter anderem. 100.000 Quadratmeter soll das mehrgeschossige Musterlager an der Gewerkenstraße umfasst haben.
Zu den Kunden des Hauses gehörten nicht nur Privathaushalte aus dem Ruhrgebiet und ganz Deutschland, sondern auch die Charité in Berlin, große Hotels und mit den Waschkauen und Hochleistungsbrennern auch Zechen und die Industrie.
Schneller Wiederaufbau in den 50er Jahren
Beim größten Bombenangriff auf Gelsenkirchen am 6. November 1944 sowie am 5. März 1945 wurde das Werk in der Fürstinnenstraße total zerstört, das Werk II an der heutigen Küppersbuschstraße stark beschädigt.
Doch der Wiederaufbau gelang schnell. Ab 1953 nahm das Unternehmen auch Kühlschränke in die Palette auf, später auch Küchenmöbel, Spülen, Wasch- und Geschirrspülmaschinen. 1956 galt Küppersbusch bereits als größte Herdfabrik der Welt.
Die „Blitzkochplatte“ als Verkaufsschlager
Geworben wurde unter anderem mit der sensationellen „Blitzkochplatte“. Produziert wurde weiterhin an allen Standorten, die Feldmark war fest in Küppersbusch-Hand. Auch für die neuen Einbauküchen in den 60er Jahren leistete man in Gelsenkirchen Pionierarbeit: mit den daran angepassten Einbaugeräten.
In den 70er Jahren baute die AEG ihre Beteiligung bis auf über 95 Prozent der Aktien aus. Im August 1982 meldete die Küppersbusch AG als Tochtergesellschaft der AEG einen Vergleich an, um einen Konkurs zu vermeiden. Später stieg die Familie Vaillant ein.
1999 schließlich fusionierte die spanische „Teka“-Gruppe mit der Küppersbusch Hausgeräte GmbH und der Großküchentechnik. Das Ende der Produktion in Gelsenkirchen war damit eingeläutet. Zunächst wurde noch als Mieter im eigenen Werk weiterproduziert, der Weggang verlief schleichend.
Die Großküchenproduktion vor Ort wurde im Jahr 2020 komplett eingestellt, die zuletzt nur noch 146 Mitarbeitenden verloren ihren Arbeitsplatz. Im November 2022 dann wurde auch der letzte in Gelsenkirchen angesiedelte Unternehmensteil, der Verwaltungssitz, verlegt, und zwar ins benachbarte Essen, ans prominente Welterbe Zollverein. Die letzten 50 Mitarbeiter zogen mit um. Das Werksgelände wurde vom Islamischen Dachverband VIKZ gekauft, deren geplanten Bau einer Moschee samt Kulturzentrum vereitelte die Stadt 2021 mithilfe des Flächennutzungsplans. Heute stehen die Hallen leer, die Scheiben sind eingeworfen.
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Die heute noch käuflichen Küppersbusch-Geräte werden von der Teka-Gruppe produziert, vorwiegend im Ausland. Immerhin gibt es für viele ältere Geräte weiterhin Ersatzteile, wie bei Markenherstellern üblich.
Allein: Mit Gelsenkirchen hat all das heute nichts mehr zu tun. Was hier bleibt von dem Erfolgsunternehmen, ist neben der Erinnerung an die erfolgreichen Jahre die Gelsenkirchener Vorwahl und das Familiengrab der Küppersbusch-Dynastie auf dem Friedhof in Heßler.
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Wer tiefer in die ersten 50 Jahre des Unternehmens eintauchen mag, für den ist das Heimatbund-Heft Nummer 34 von Hans-Joachim Koenen „Küppersbusch - Eine Chronik der ersten 50 Jahre“ eine wahre Fundgrube. Es ist erhältlich in der Buchhandlung Kottmann am Neumarkt, in Buer sowie im Hans-Sachs-Haus zu je 5 Euro.