Gelsenkirchen. Der Heimatbund Gelsenkirchen widmet sich der Bergschädenversicherung und Direktor Josef Seithe. Seine Tochter Wilma schrieb Erinnerungen nieder.
Josef Seithe war erster Direktor der Bergschädenversicherung Gelsenkirchen. Er hatte ein durchaus wichtiges Amt in einer Stadt, die von den Folgen des Bergbaus sichtlich gezeichnet wurde. Von 1911 bis zu seinem Tod 1954 sah er es als seine Aufgabe, bergbaubeschädigten Haus- und Grundbesitzern Hilfestellung zu leisten „gegen die mächtigen und oft nur schwer zu ermittelnden Schadenverursacher“, schreibt Hans-Joachim Koenen vom Heimatbund Gelsenkirchen. Herkunft, Jugend und Berufsweg des 1881 geborenen Seithe, der früh als Büroleiter und Prokurist in verschiedenen Kanzleien und Firmen Karriere gemacht hatte, zeichnet Koenen nach.
Verhandlungen mit 142 Zechenverwaltungen
Mit 142 Zechenverwaltungen hatte sich der Verein im rheinischen Industriegebiet auseinanderzusetzen, verantwortliche Sachbearbeiter betreuten versicherte Hausbesitzer. Allein 1926 mussten dafür rund 1700 Ortstermine wahrgenommen werden. Dabei wurden etwa 1200 Schlauchwaage-Höhenmessungen durchgeführt und an die 35.000 Schreiben vom Verein verfasst. Trotz des segensreichen Wirkens: In Gelsenkirchen wurde Seithe zu seiner Zeit zwar hoch geschätzt, doch – geschichtlich betrachtet – hat er keine nachhaltigen Spuren hinterlassen. Dennoch widmete der Heimatbund Josef Seithe Heft 20 seiner Reihe „Gelsenkirchen in alter und neuer Zeit“. Sicher auch, weil Seithes Leben recht gut dokumentiert ist, auch weil das Heft eine besonders persönliche Note bekommen konnte und Einblicke in eine Gelsenkirchener Familiengeschichte über rund zwei Jahrzehnte gewährt.
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Familienerinnerungen von Wilma Seithe
Aufgeschrieben hat sie Wilma, sechstes Kind und jüngste Tochter von Margarete und Josef Seithe. Hochbetagt mit 91 Jahren hat sie für das Heft ihre Erinnerungen zusammen mit Koenen noch einmal überarbeitet, den Großteil hat sie bereits vor Jahrzehnten verfasst.
Eindruck vom Leben im Schalker Wohnviertel
Und so bekommt der Leser einen Eindruck vom Leben im Eckhaus an der Schalker Straße/Marktstraße, vom Arbeitsplatz des Vaters und dem Wohnumfeld der Familie in den 1930er bis 50er Jahren – von der Drogerie Gückler, dem Milchgeschäft Henn, dem Juwelier Baukhage, Forster’s Weinstuben, von Kirchgängen der streng katholischen Großfamilie, von Feiern und kleinen Freuden. So wurde die Versetzung von Wilma Seithe 1939 in die Quinta im Café Kneisel an der Hauptstraße gefeiert. Elf Jahre alt waren Wilma und ihre Klassenkameradinnen – und pafften zur Feier heimlich ihre ersten Zigaretten...
Hunger und Angst begleiten bald den Alltag
Vertreibung und Verfolgung von Nachbarn, die Folgen des NS-Terrors in ihrer Heimatstadt, registriert die junge Wilma eher am Rande. Das Grauen erschließt sich ihr erst wesentlich später. Direkter treffen sie Folgen des Krieges. Hunger und Angst begleiten bald den Alltag. Die Familie wurde 1944 ausgebombt, verliert Hab und Gut, wird schließlich heimatlos. Das Kriegsende erleben die Seithes in Bad Lauterberg. Immerhin: Alle drei Brüder überlebten als Soldaten den Zweiten Weltkrieg und kehrten nach Kriegsgefangenschaft zunächst ins Ruhrgebiet zurück. Ihren Lebens- und Berufsweg zeichnet Wilma Seithe ebenso kurz nach wie die Biografien ihrer beiden älteren Schwestern Gretel und Gerda.
Lange Jahre Angestellte beim Schalker Verein
Sie selbst fand nach Abitur und Höherer Handelsschule 1948 eine Anstellung beim Schalker Verein, wo sie im Bereich des Sozialdirektors tätig war. Bis 1984 blieb sie im Hütten- und Gießereibetrieb – und beschäftigte sich dort auch, ganz in der Tradition des Vaters, mit der Bearbeitung von Sachschäden und der Verwaltung von Gebäuden und Grundstücken.