Essen-Werden. Der aktuelle Band „Geschichten aus der Werdener Geschichte“ ist erschienen. Was ihn lesenswert macht und welche Facetten des Stadtteils er beleuchtet.

Werden wird gern als „Abteistadt“ bezeichnet und vieles in diesem südlichen Essener Stadtteil erinnert tatsächlich an die einstige Benediktinerabtei, sowohl architektonisch als auch durch die Schatzkammer, die u.a. die Reliquien des heiligen Ludger verwahrt. Doch Werdener Geschichte hat natürlich sehr viel mehr Facetten aufzuweisen. Dies beweist alljährlich der Band „Geschichten aus der Werdener Geschichte“. Zum Jahresende ist der inzwischen 22. Band erschienen, herausgegeben vom Geschichts- und Kulturverein Werden.

Dampfziegelei ist ein vergessenes Stück Industriegeschichte

16 Beiträge von elf Autorinnen und Autoren sind es dieses Mal. Das Spektrum reicht von der Geschichte des Hofes Barkhofen, über die Ausgrabungen des Steintores der Alteburg auf dem Pastoratsberg bis zur Werdener Dampfziegelei, die ein vergessenes Stück Industriegeschichte in Werden repräsentiert. Selbstredend werden auch die Schätze und Begebenheiten rund um die Abtei, die unter der preußischen Herrschaft zum Gefängnis umfunktioniert wurde, in mehreren Artikeln historisch ausgelotet.

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Immer wieder stehen Menschen im Mittelpunkt der Beiträge. Beispielsweise Konrad Gruter, den Autor André Maßmann porträtiert. Gruter schrieb im 15. Jahrhundert das weltweit erste Handbuch zur Wassermechanik. Edith Tekolf, die den Geschichtsband erneut betreut hat, widmet sich beispielsweise verschiedenen Werdener Wundärzten, die u.a. in besagter Strafanstalt tätig waren. Wie kommt sie auf ihre Themen? „Die Geschichten suche ich nicht. Die kommen zu mir. Wenn ich so ein Thema habe, werde ich zum Frettchen. Ich grabe und grabe und grabe“, erzählt sie lächelnd bei der diesmal öffentlichen Präsentation des Geschichtsbandes im Gymnasium Essen-Werden.

„„Die Geschichten suche ich nicht. Die kommen zu mir. Wenn ich so ein Thema habe, werde ich zum Frettchen. Ich grabe und grabe und grabe.“

Edith Tekolf,
Autorin
Mit den Glocken in den Werdener Kapellen beschäftigt sich ein reich bebilderter Beitrag im 22. Band.
Mit den Glocken in den Werdener Kapellen beschäftigt sich ein reich bebilderter Beitrag im 22. Band. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Erzählt wird von renitenten Lehrern und besonderen Familienerlebnissen

Den Lehrer Albert Haesters stellt Klaus Höffgen vor. Haesters trat 1842 seinen Dienst in Werden an. „Er galt als sehr renitent. Die Kirche versuchte, ihn loszuwerden und spionierte ihm hinterher.“ Das habe ihm, Höffgen, sehr gefallen, „denn ich war auch ein renitenter Schüler.“ Haesters sei zwar umstritten gewesen, habe aber durchaus nachhaltig im Schulwesen gewirkt: Er verfasste ein Lehr- und Lesebuch, das über drei Millionen mal verkauft wurde und Grundsätzliches zum Elementarunterricht enthielt.

Und einen weiteren Artikel über Lehrer gibt es: „Ein Leben für die Pädagogik“, hat Mechthild Marquardt ihren Aufsatz betitelt. Sie erzählt aus dem Leben und Wirken ihres Vaters Dr. Josef Püttmann, der die Gründung der Pädagogischen Akademie Essen im Auftrag der Bezirksregierung Düsseldorf nach dem Zweiten Weltkrieg vorantrieb. Sie selbst, berichtet die Autorin, habe alles als zehnjähriges Kind miterlebt: „Bei uns im Wohnzimmer fand, mangels Gebäude, die Immatrikulierung der Studenten statt.“ Angereichert ist der Beitrag durch Familienfotos.

Wie überhaupt jeder Artikel aufwendig bebildert ist, teils ergänzen Karten und Grafiken den erläuterten Sachverhalt. Die Autorinnen und Autoren haben dazu in Familienaufzeichnungen, Büchern und im Internet, teils auch in weit entfernten Archiven ihre Recherchen betrieben.

Im Buchhandel erhältlich

Das Buch „Geschichten aus der Werdener Geschichte“, Band 22, hat 208 Seiten und ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-932443-80-0). Mitglieder des Geschichts- und Kulturvereins Werden bekommen das Buch als Jahresgabe.

Die seit dem vierten Band bestehende Zusammenarbeit mit dem Werdener Bürger- und Heimatverein wurde mit der aktuellen Ausgabe im Übrigen beendet.

Dachbodenfund wird zum Symbol für das Ende der jüdischen Gemeinde

So entstand aus manchen Funden sogar eine ganze Historiografie. Wie etwa beim Jubiläumsteller des Kaufhauses M. Rosenbaum. „Zufällig stieß ich auf ihn. Eine Bekannte räumte die Wohnung des verstorbenen Großvaters leer und suchte für einen besonderen Teller eine neue Bleibe“, beschreibt Daniel Henschke den Beginn seiner Recherchen. Daraus wurde eine aufwendige Arbeit über das „schreckliche Ende der jüdischen Gemeinde unter den Nationalsozialisten“.

Als Experte für Glocken hat sich wiederum Gerhard Reinhold mit den Kapellenglocken in Werden und Werden-Land beschäftigt. Er stellt fest: „Gut, dass ich über die Glocken von Christi Himmelfahrt im letzten Jahr geschrieben hatte. Jetzt, wo die Kirche abgerissen werden soll.“ Was gibt es heute noch zu sehen, was ist vergangen oder allenfalls noch in Archiven zu sehen? Nicht nur auf die Kirchenglocken bezogen, lässt sich festhalten, dass der 22. Band wieder einige erhellende Blicke auf die bis in die Frühe Neuzeit zurückreichende Geschichte Werdens wirft. Und auch einiges zum Schmunzeln bereithält, wenn über die Abteistadt vor 250 Jahren erzählt wird: „Damals gab es noch 41 Gastwirtschaften. Hier wurde beim Licht der Öllampe Skat gedroschen und Klarer getrunken.“

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