Essen-Überruhr/Werden. Ein Glockenexperte aus Essen-Überruhr hat sich mit dem Geläut von St. Ludgerus in Werden beschäftigt – und interessante Erkenntnisse gewonnen.

  • Glockenexperte beschäftigt sich seit Jahren mit der Kulturgeschichte des Läutens.
  • Gerhard Reinhold forscht zu den Glocken der Firma Otto.
  • Viele Glocken in Essener Kirchen stammen aus der Traditionsgießerei.

Das Thema Glocken lässt Gerhard Reinhold aus Essen-Überruhr nicht los. Nachdem 2020 sein umfangreiches Buch über die kulturgeschichtliche Bedeutung von Glocken und speziell die Glocken der Bremer Firma Otto erschienen ist, hat er jetzt eine ergänzende Broschüre dazu veröffentlicht, die sich auch mit den Glocken der Werdener Basilika St. Ludgerus beschäftigt.

Für Gerhard Reinhold ist Glockengeläut„die Klangsilhouette des christlichen Abendlandes“. Sein besonderes Interesse gilt den Glocken der norddeutschen Gießerei Otto. Sie prägen auch die Essener Kirchengeschichte: 47 davon gibt es bis heute im Stadtgebiet – und Gerhard Reinhold kann zu jeder etwas erzählen.

Otto-Glocken sind in vielen Essener Gotteshäusern zu finden: in St. Elisabeth in Frohnhausen, vor der ehemaligen Kirche St. Engelbert im Südviertel, in Mariä Geburt, Dilldorf, St. Barbara, Kray, Mariä Geburt, Frohnhausen, St. Ludgerus, Werden, St. Ludgerus, Rüttenscheid, Kloster Schuir und St. Peter im Nordviertel.

Glockenexperte aus Essen-Überruhr forscht seit langem zum Thema

Im Vorruhestand hat sich Reinhold dem Thema wissenschaftlich gewidmet, hat acht Jahre lang geforscht, ein umfangreiches Buch geschrieben und zum Thema promoviert. Die Leidenschaft für Glocken war bei dem Religionswissenschaftler durch seinen Beruf stetig gewachsen. 20 Jahre lang war er als Geschäftsführer des katholischen Gemeindeverbandes in Bottrop tätig, bestieg insgesamt 120 Kirchtürme und kam so mit ganz unterschiedlichen Glocken in Berührung.

Mit dem Erscheinen seines fast 600 Seiten umfassenden und fast fünf Kilogramm schweren Buch über die Familien- und Firmengeschichte der Glockengießer Otto war für Reinhold das Thema noch längst nicht abgeschlossen. Er ist inzwischen auf weiteres historisches Material gestoßen und hat sich auch mit Glocken beschäftigt, die nach dem Vorbild der Otto-Glocken entstanden.

Auch mit den Glocken der Basilika St. Ludgerus in Essen-Werden hat sich Gerhard Reinhold in seiner neuen Broschüre beschäftigt.
Auch mit den Glocken der Basilika St. Ludgerus in Essen-Werden hat sich Gerhard Reinhold in seiner neuen Broschüre beschäftigt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ein Kapitel des 36-seitigen Nachtrags dreht sich auch um die Glocken der Werdener Basilika St. Ludgerus. Deren Glocken von 1909 sollten in beiden Weltkriegen beschlagnahmt werden. Im Ersten Weltkrieg wurden sie aber laut Reinhold wegen ihres schönen Klangs verschont, im Zweiten Weltkrieg wurden dann fünf der sechs Glocken abtransportiert. „Vier davon kamen später zurück, eine, die zweitgrößte, blieb verschollen. Wahrscheinlich wurde sie eingeschmolzen“, erläutert Reinhold. Die Firma Otto habe diese dann 1954 durch ein neues Exemplar ersetzt.

Weitere Veröffentlichungen des Glockenexperten

Wer sich für Glocken und ihre Geschichte interessiert, kann weitere Aufsätze von Gerhard Reinhold lesen: Otto-Glocken für Kirchen und Kapellen in der Stadt Essen, in: Essener Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, Historischer Verein für Stadt und Stift Essen, Band 133, S. 143-196; „Die Glocken der Basilika St. Ludgerus: „... vital und mit sattem Volumen“. Zur neueren Glockengeschichte der ehemaligen Abteikirche, in: Geschichten aus der Werdener Geschichte, Historischer Verein Werden, Band 19, S. 38-59.

In Planung ist die Veröffentlichung „Die lothringischen Glockengießer Bour & Guenser und ihre Glocke im Kreuzgang des Kardinal-Hengsbach-Hauses in Essen-Werden“ in: Münster am Hellweg, Herausgeber Münsterbauverein, Jahrgang 71, Seite 72-83.

Die Glocken von St. Ludgerus seien ursprünglich auf ungewohnte Art aufgehängt gewesen, das heißt, sie hingen nicht einfach von einem Balken herab. „Ihr Dreh- und Angelpunkt war tiefer gelegt, so dass sie nicht komplett frei schwingen konnten, was natürlich den Klang beeinträchtigte“, so der Experte. Diese Art der Anbringung, die später geändert worden sei, habe zwei Vorteile gehabt: Man konnte die Glocken leichter per Hand läuten und die in Schwingrichtung liegenden schwächeren Wände des Turms seien nicht so stark belastet worden. Später habe man die Schwingrichtung verändert, so dass die Glocken sich auf die starken Wände zubewegten.

Starke Schwingungen können Glockentürme zum Einsturz bringen

„Es hat Kirchtürme gegeben, die sind eingestürzt, weil die Glocken zu stark geschwungen haben“, erklärt Reinhold. In Essen sei beispielsweise der Glockenturm von St. Ignatius in Holsterhausen gefährdet gewesen. Inzwischen sei er abgerissen worden. „Man hätte die Schäden für viel Geld beheben können, aber bei einer Kirche, die aufgegeben wird, hätte das wenig Sinn ergeben“, sagt der Glockenexperte.

In seiner neuen Broschüre geht es auch um Glocken, die nicht aus der Otto-Gießerei selbst stammen, aber nach dem Vorbild der Otto-Glocken rekonstruiert und dann gegossen wurden. Grundlage dafür war ein 100 Jahre altes Arbeitspapier, auf dem handschriftlich die erforderlichen Daten und Rechenwege notiert sind. In einem Kapitel beschäftigt sich Reinhold mit Glocken mit NS-Symbolen und -Inschriften sowie solchen, die den Opfern der NS-Gewaltherrschaft gewidmet sind.

Alle Käufer des Otto-Glockenbuches erhalten die Broschüre kostenlos dazu. Informationen unter .