Essen-Rüttenscheid. Gegen den geplanten Bau des Büro-Hochhauses an der Essener Grugahalle hat sich eine Bürgerinitiative formiert. Warum sie protestieren.
Anwohnerinnen und Anwohner aus dem Rüttenscheider Schönleinviertel haben sich zu einer Bürgerinitiative zusammengefunden. Sie wollen den Bau des von der Firma Zech geplanten Büro-Hochhauses an der Grugahalle verhindern und argumentieren, dass dieser nicht mit der Klimaanalyse der Stadt in Einklang stehe. In einem ersten Schritt suchen sie nach Mitstreitern und Unterstützern.
Zum Hintergrund: An der Alfredstraße in Höhe Messe und Grugahalle soll ein Büro-Hochhaus entstehen, dass der Zech Group Rhein-Ruhr als Zentrale dient und 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beherbergt. Es soll rund 50 Meter hoch sein und 13 Etagen umfassen. Zech betonte von Anfang an, das Bürogebäude solle ein ökologisches Mustergebäude nach neuestem Standard, inklusive energetischer Optimierung, begrünten Fassaden, einem eigenen Biogas-Blockheizkraftwerk, Fahrrad-Infrastruktur und Photovoltaik auf dem Dach werden.
Kritiker des Bauprojektes: Rüttenscheid schon jetzt überhitzt und zugebaut
Charlotte Oberg (61), Thomas Nelle (61) und Jennifer Berg (45) sind die Initiatoren der Bürgerinitiative, die ihren Angaben nach im Kern aus elf Anwohnern besteht. Entstanden ist sie, nachdem die drei erst eine Informationsveranstaltung zur von der Stadt Essen in Auftrag gegebenen Klimaanalyse und anschließend eine Diskussion zu den Plänen der Zech-Gruppe besucht hatten. „Wir haben den Eindruck, dass das Ergebnis der Analyse und das Bauvorhaben völlig im Widerspruch zueinander stehen“, erklärt Oberg.
Denn die Klimaanlyse identifiziere Rüttenscheid schon jetzt als überhitzten und zugebauten Stadtteil, von weiterer Bebauung werde dringend abgeraten und Entsiegelung empfohlen. Auch die Verkehrsbelastung sei extrem. „Man sollte meinen, dass die Stadt versuchen würde, Flächen zu entsiegeln und den Verkehr zu reduzieren“, sagt Oberg. Stattdessen werde gerade im dicht bebauten Rüttenscheid so ein großes Bauprojekt angestrebt. Die Fläche, um die es geht, ist allerdings zu einem großen Teil schon versiegelt. Jennifer Berg merkt dazu an, das Grundstück eigne sich eigentlich ideal zum Entsiegeln. Außerdem unterbreche das Hochhaus die Schneise, durch die kühle Luft durch den Stadtteil dringe.
Rüttenscheider Initiative will Bürger über Bauprojekt informieren
Ihre Argumente und Forderungen haben die Mitglieder der Initiative in Flyern zusammengefasst, die sie demnächst an Haushalte in der Nachbarschaft verteilen wollen. Außerdem wollen sie am Samstag auf dem Rüttenscheider Markt präsent sein. Unter anderem kritisieren sie in ihren Flyern, der Neubau sei „nicht nur unästhetisch“, sondern führe in Rüttenscheid zu Belastungen wie Lärm, Luftverschmutzung, steigendem Verkehrsaufkommen in Wohngebieten sowie auf bereits jetzt überlasteten Einfallsstraßen, der Verschlechterung klimatischer Bedingungen und weiterer Verknappung der Parkplätze für Anwohner.
Befürworter des Bauprojektes verweisen auf die Chancen, die die Verlagerung von 450 Arbeitsplätzen nach Essen mit sich bringen. Die sehen die Mitglieder der Bürgerinitiative durchaus auch, fordern aber, dass sich Unternehmen in bestehenden Büroleerständen ansiedeln sollten, statt neu zu bauen.
Zum aktuellen Stand des Planungsprozesses erklärt Stadtsprecher Patrick Betthaus, vom 23. Januar bis 3. Februar sei die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt worden. „Im Zuge dessen wurden nicht nur die Planungsunterlagen ausgestellt, sondern auch zwei Erläuterungstermine durchgeführt. Zudem gab es eine Abendveranstaltung zur Anhörung und Diskussion mit rund 180 Teilnehmer*innen“, so Betthaus.
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Rat der Stadt Essen muss noch über vorhabenbezogenen Bebauungsplan abstimmen
Derzeit werden laut dem Stadtsprecher diverse Fachgutachten – wie zum Beispiel ein Mobilitätskonzept, Verkehrsuntersuchungen sowie eine schalltechnische Untersuchung und Artenschutzprüfung – erarbeitet und die Planungen weiter ausgearbeitet. Am Ende des Bebauungsplanverfahrens muss der Rat der Stadt den vorhabenbezogenen Bebauungsplan final beschließen.
Eine endgültige Entscheidung gibt es also noch nicht, theoretisch wäre es noch möglich, das Vorhaben zu stoppen. Im Oktober 2022 stimmte der für Stadtplanung und Bauordnung zuständige Fachausschuss des Stadtrates der Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mehrheitlich zu. Damit hatte das Bauprojekt planungsrechtlich die erste Hürde genommen.
Stadt Essen: Zech will mehr Parkplätze schaffen als ursprünglich geplant
Bei einem großen Kritikpunkt hat Zech nach Angaben der Stadt bereits sein Entgegenkommen signalisiert. Ursprünglich war vorgesehen, für 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur 56 Autostellplätze zu schaffen. Kritikerinnen und Kritiker befürchteten, dass sich so die ohnehin schon angespannte Parkplatzsituation im Schönleinviertel weiter zuspitzen könnte. Hierzu erklärt Patrick Betthaus, es sei geplant, „die Anzahl der Stellplätze deutlich zu erhöhen“. Aktuell erfolgten entsprechende Prüfungen.
Für Oberg, Nelle und Berg ist die mögliche Verschärfung der Parkplatzsituation ein, aber bei weitem nicht das drängendeste Problem. Sie hoffen nun erst einmal auf weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter, vor allem solche, die unmittelbar in der Nähe der Messe und Alfredstraße wohnen. Sie möchten zunächst über das Bauprojekt informieren – denn es habe sich gezeigt, dass sogar direkte Anwohner zum Teil gar nicht wüssten, wo das Hochhaus genau stehen soll.
Darüber hinaus fordern sie dazu auf, das Logo der Initiative zum Beispiel an Fensterscheiben, Briefkästen, Türen und Autoscheiben zu befestigen. Außerdem bitten sie um Spenden für Fachberatung und Öffentlichkeitsarbeit. Wie die nächsten Schritte aussehen, ob sich beispielsweise eine Petition lohnen würde, wollen die Mitglieder der Initiative demnächst beraten. Klar sei aber, so Nelle: „Wir haben das Ziel, das Bauprojekt zu stoppen.“
Wer mehr über die Initiative erfahren möchte, kann sich unter www.stoppt-hochhaus-gruga.de informieren oder sie direkt per E-Mail an info@stoppt-hochhaus-gruga.de kontaktieren.
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