Essen. Das System zur Luftreinhaltung auf der B 224 in Essen-Rüttenscheid schlug schon 50 Mal an. Aber sind die „Umweltamplen“ auch notwendig?
Die sogenannte umweltsensitive Ampelschaltung zur Verbesserung der Luftqualität an der Alfredstraße (B 224) wurde in diesem Jahr – Stand Mitte Dezember – wegen drohender Grenzwertüberschreitungen bereits 50 Mal aktiviert. Das ist ein Rekord seit Einführung des Systems im Sommer 2020.
Mit Hilfe der umweltsensitiven Ampelschaltung will die Stadt Essen erreichen, dass die Grenzwerte für Schadstoffe an der vielbefahrenen Bundesstraße nicht überschritten werden. Das gilt insbesondere für die Belastung durch Schadstoffdioxid. Das System basiert auf einer Prognose, maßgebliche Parameter sind die zu erwartende Verkehrsbelastung und der Wetterbericht für den jeweils kommenden Tag. Insbesondere „stabile Wetterlagen“ mit einem geringen Luftaustausch führen zu einer hohen Belastung durch gesundheitsgefährdende Stoffe in der Luft.
Durch die Ampelschaltung soll der Verkehr um zehn Prozent reduziert werden
Ist eine Überschreitung der Grenzwerte zu erwarten, werden Verkehrsteilnehmer mit Hilfe von fest installierten Hinweistafeln aufgefordert, alternative Routen abseits der Alfredstraße zu wählen. Ausgewählte Ampeln werden so geschaltet, dass weniger Fahrzeuge zeitgleich auf der Bundesstraße unterwegs sind. Die sonst übliche Verkehrsmenge soll so um zehn Prozent verringert werden. Seit Mai dieses Jahres funktioniert das System vollautomatisch, bis dahin wurde der Verkehrsrechner manuell bedient.
Hat sich „intelligente“ Ampelschaltung bewährt? In den ersten beiden Jahren seit Einführung des Systems wurde es jeweils nur an wenigen Tagen aktiviert. Zurückzuführen sein dürfte dies auch auf den Corona-Effekt. Während der Lockdowns war das Verkehrsaufkommen deutlich gesunken – um bis zu 40 Prozent im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie. Mittlerweile hat der Verkehr das alte Niveau wieder erreicht. Wochentags befahren durchschnittlich 47.000 Fahrzeuge die Alfredstraße. Mit der Verkehrsbelastung ist auch die Luftbelastung gestiegen.
2019 lag die Luftbelastung auf der Alfredstraße knapp unter dem zulässigen Grenzwert
Die Schadstoffgrenzwerte wurden in den vergangenen Jahren stets eingehalten. Maßgeblich ist der jeweilige Jahresmittelwert. Für Stickstoffdioxid betrug dieser im Vorjahr 32 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. 2019 lag Belastung mit durchschnittlich 39 Mikrogramm noch knapp unter dem zulässigen Höchstwert von 40 Mikrogramm. Überschritten wurde der Grenzwert zuletzt 2018 mit einem Jahresmittelwert von 48 Mikrogramm.
Diese Werte wurden 2022 gemessen
Folgende durchschnittliche Belastung der Luft durch Stickstoffdioxid wurde durch das Landesumweltamt an der Alfredstraße in den ersten neun Monaten des Jahres gemessen. Januar: 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft; Februar: 23 Mikrogramm; März: 44 Mikrogramm; April: 36; Mai: 35; Juni: 27; Juli: 29; August: 35; September: 39 Mikrogramm. Entscheidend ist der Jahresmittelwert. Der zulässige Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.
Die Installation der umweltsensitiven Ampelschaltung ist Bestandteil des gerichtlichen Vergleichs, den die Deutsche Umwelthilfe und die Bezirksregierung Düsseldorf zur Luftreinhaltung Ende 2019 vor dem Oberverwaltungsgericht Münster getroffen haben.
In diesem Jahr deutet nach den bislang veröffentlichten Daten alles daraufhin, dass der Jahresmittelwert eingehalten wird. In den ersten neun Monaten des Jahres lag die Belastung teils deutlich unterhalb des Grenzwertes, lediglich im März wurde dieser mit durchschnittlich 44 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gerissen. Gemessen wird die Luftbelastung durch das Landesumweltamt mit Hilfe eines sogenannten Passivsammlers in Höhe des Museum Folkwang.
Stellt sich die Gretchenfrage: Würde der Grenzwert auch ohne die umweltsensitive Ampelschaltung eingehalten? Ist das Millionen teure System also gar überflüssig?
Fest steht: Die Stadt Essen hält nicht nach, ob Verkehrsteilnehmer den Ausweichempfehlungen folgen und tatsächlich Routen abseits der Alfredstraße wählen, wenn dort laut Prognose eine Grenzwertüberschreitung droht. Das System erfülle aber bereits seinen Zweck, in dem es den Verkehr zurückhält, bevor dieser auf die Alfredstraße einbiegt, zum Beispiel auf der Norbertstraße wo sich im Berufsverkehr dann lange Staus bilden. Gemessen wird die Luftbelastung dort übrigens nicht.
Auf der Alfredstraße lag die Belastung durch Stickstoffdioxid im September bei durchschnittlich 39 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, also knapp unterhalb des Grenzwertes von 40 Mikrogramm. Die umweltsensitive Ampelschaltung war im September an neun Tagen aktiviert. Andernfalls wäre der Grenzwert womöglich überschritten worden, doch letztendlich bleibt dies Spekulation.
Während der Essen Motor Show wurde das System deaktiviert – unabhängig davon, ob eine Grenzwertwertüberschreitung zu erwarten gewesen wäre oder nicht. Bei publikumsstarken Messen ist dies üblich. Die Schaltung werde ausgesetzt, um die objektiven Messergebnisse für das reguläre Verkehrsaufkommen nicht zu verfälschen, heißt es vonseiten der Stadt Essen. Dass die umweltsensitive Ampelschaltung den Verkehr rund um das Messegelände nicht noch mehr ausbremst, dürfte nebenbei im Sinne der Besucher und Veranstalter sein.