Essen. Christina Clark, Marie-Helen Joël und Rainer Maria Röhr begeistern seit Jahren Essens Opern-Publikum. Nun wurden sie zu Kammersängern befördert.
Es gibt Ehrentitel, die werden an deutschen Opernhäusern nicht gerade inflationär vergeben. Und dazu gehört ganz sicher der Titel Kammersänger. Im Aalto-Theater ist die Zahl der so Geehrten bislang an einer Hand abzuzählen. Zuletzt wurde der US-amerikanische Tenor Jeffrey Dowd 2019 ausgezeichnet. Umso bemerkenswerter, dass nun gleich drei langjährige Ensemblemitglieder auf einen Schlag zu Kammersänger und zur Kammersängerinnen des Aalto-Theaters befördert wurden. Marie-Helen Joel, Christina Clark und Rainer Maria Röhr können die ehrenvolle, aber undotierte Bezeichnung auf Vorschlag des scheidenden Intendanten Hein Mulders und mit einhelliger Zustimmung des Aufsichtsrates der Essener Theater und Philharmonie (TuP) künftig tragen.
„Bin ich denn schon so alt?“, soll Aalto-Sopranistin Christina Clark ein wenig heiter-betroffen geseufzt haben, als die Vergabe bekannt wurde. Nun klingt Kammersänger in manchen Ohren vielleicht ein wenig nach steifem Kragen und später Verneigung vor einem langjährig gereiften Lebenswerk. Die drei Titelträger sind dagegen alles andere als in Essen fest verankertes Operninventar. Mit Marie-Helen Joël, Christina Clark und Rainer Marie würden vielmehr drei durch Kontinuität und Kreativität bestechende Aalto-Künstler geehrt, „für die Musiktheater nicht mit dem Fallen des Vorhangs endet“, so TuP-Aufsichtsratsvorsitzende Barbara Rörig in ihrer Laudatio. Im Gegenteil: „Mit Engagement und Leidenschaft tragen sie ihre Kunst in die Stadt – ausnahmslos für alle Menschen und immer mit höchstem Kunstanspruch verbunden.“
„Sie tragen die Kunst in die Stadt – ausnahmslos für alle Menschen und mit höchstem Kunstanspruch“
Bestes Beispiel: Produktionen wie das „Aalto-Mobil“, mit dem die Mezzosopranistin Marie-Helen Joel Musikinszenierungen seit einiger Zeit auch in Seniorenheime, Hospize, Krankenhäuser, Justizvollzugseinrichtungen und Schulen bringt. Die gebürtige Aachenerin ist schon seit 1993 in Essen in großen Opernproduktionen zu erleben, etwa als Herodias in „Salome“ und als Zita in „Il Trittico“. Vor allem aber die Musikvermittlung liegt der unermüdlichen Projektplanerin und Ideen-Entwicklerin Joël am Herzen, seit 2011 leitet sie auch die Musiktheaterpädagogik des Hauses. Jüngere Zuschauer kennen sie seither als „Hexe Kleinlaut“ im Kinder- und Jugendprogramm, Ältere freuen sich über den Teestündchen mit „Fräulein Vorlaut“ als Operneinführung.
Für das „Abenteuer Aalto“ hat Joël schon vor vielen Jahren auch Christina Clark gewonnen, die als Crizzy und Miss Betterknower gerne mal in andere Rollen schlüpft und in Produktionen wie der Sechziger-Revue „Yesterdate“ ihre ganze musikalische Bandbreite unter Beweis stellt. Clark, die 2001 von New York ins Ruhrgebiet kam und bis heute in Essen geblieben ist, kann nämlich Musical und Mozart – was sie zuletzt als Serpetta in „La finta giardiniera“ und als Zerlina in „Don Giovanni“ bewiesen hat. Ihre Leidenschaft für den Jazz, den die ausgebildete Sopranistin schon zu Schulzeiten entdeckte, hat sie längst auch ins Aalto-Foyer getragen. Ihre Song-Programme sind aber auch jenseits der Opernmauern gefragt, so ist sie in diesem Jahr erstmals auch in der Reihe „Kunstbaden“ im Grugabad zu Gast.
Als Domsingknabe hat der gebürtige Essener Rainer Maria Röhr begonnen. Der Tenor ist seit 1994 Aalto-Ensemblemitglied und hat sich ein breites Repertoire erarbeitet. Dieses reicht von Wiener Klassik über Wagner und Strauss bis zu Moderne und Operette. Fans von Rot-Weiss Essen kennen ihn außerdem als Gesangssolist in der Orchesterfassung der Stadionhymne „Opa Luschekowski“.
Apropos Hymne: Die frisch gebackene Kammersängerin Marie-Helen Joël kann sogar eine aufs eigene Haus singen, in der das Alltagsgrau nun wahrlich keine Chance hat gegen das strahlende Aalto-Blau.