Essen. Jeffrey Dowd gehört seit 25 Jahren zum Ensemble des Essener Opernhauses. Er hat in dieser Zeit alle großen Wagner- und Strauss-Partien gesungen.

Wenn es stimmt, dass die Uhren bei Tenören angeblich schneller laufen als bei anderen Menschen, dann hat das Leben bei Jeffrey Dowd ein paar Mal sehr erfolgreich an der Uhr gedreht. Denn wenn sich der in New York geborene Sänger am Sonntag nach 25 Jahren aus dem Aalto-Theater verabschiedet, dann lässt sich dieses lyrisch jugendlich-dramatische Strahlen immer noch erkennen, das viele seiner Auftritte geprägt hat. Er war der Parsifal, gleich zu Beginn seiner Essener Karriere, er hat den Don Carlo gesungen in Dietrich Hilsdorfs unvergessener Inszenierung, und er war vor kurzem erst der Max in von Webers „Freischütz“. Und nun darf sich Jeffrey Dowd offiziell „Kammersänger“ nennen. Ein Titel, der ihm durchaus gefällt. „Er hat den Abschied ein wenig leichter gemacht.“

Erfolg mit Beethoven: 1997 erlebte man Jeffrey Dowd als Florestan in der Fidelio-Inszenierung von Dietrich Hilsdorf.  
Erfolg mit Beethoven: 1997 erlebte man Jeffrey Dowd als Florestan in der Fidelio-Inszenierung von Dietrich Hilsdorf.   © Matthias Jung

25 Jahre an einem Haus zu singen, das ist für einen Künstler mit internationalem Ruf nicht der Regelfall. „Wir können stolz sein, dass Essen zu den wenigen Häusern gehört, die sich eines solchen Talents als festes Ensemblemitglied rühmen können“, sagt auch Aalto-Intendant Hein Mulders, der Dowd in den letzten Jahren auch mit dem tschechischen Repertoire betraut hat, der Janacek-Oper „Jenufa“ und „The Greek Passion“ von Bohuslav Martinů.

Karriere startet mit Verstärker und E-Gitarre

Verabschieden wird sich Jeffrey Dowd am Sonntag mit Dvořáks Nixen-Oper „Rusalka“, die Partie des Prinzen hat er schon Anfang der 2000er Jahre in Essen gesungen, eine von vielen. Wer so lange an einem Haus arbeitet, dem fehlen am Ende nicht viele Titel im Who-is-Who der großen Tenor-Partien. Allein der Tamino in der Zauberflöte, Alfredo in La Traviata und der Kalaf (Turandot) sind ihm nie begegnet. Dafür ist ihm der Wechsel vom lyrischen Tenor bis zum versierten Sänger des dramatischen und später sogar hochdramatischen Fachs mit Erfolg gelungen. Die Fachwechsel habe er bewusst gesucht, „um eine lange Karriere zu haben“, sagt der Tenor mit dem immer noch sympathisch-rollenden amerikanischen Akzent.

Diese Karriere beginnt dabei gar nicht so „klassisch“, sondern mit Verstärker und E-Gitarre. Dowd spielt in jungen Jahren in einer Rockband, singt Background. Und weiß im Hintergrund doch längst, „dass da eine gute, ausbaufähige Stimme ist“. Schon mit 18 Jahren hat er große Rollen im Musical und Schauspiel bekleidet. Und will doch nur an die Oper. Als er mit Anfang 30 nach Deutschland kommt, kann er schon so viel Ausdauer und schwierige Partien vorweisen, dass er beim Vorsingen sofort überzeugt. Zunächst in Würzburg und Darmstadt, Mitte der 90er Jahre dann in Essen, wo ihn Intendant Wolf Dieter Hauschild sofort für den Parsifal besetzt. Ein Ritterschlag.

Der Tristan wurde sein Triumph: Jeffrey Dowd an der Seite von  Evelyn Herlitzius als Isolde.  
Der Tristan wurde sein Triumph: Jeffrey Dowd an der Seite von Evelyn Herlitzius als Isolde.   © Matthias jung

Die Partie hat Dowd 2013 noch ein zweites Mal in einer Neuinszenierung übernommen. Da hat er den Wagner-Kosmos unter der Intendanz von Stefan Soltesz längst in seiner Gänze durchmessen, hat den Lohengrin, den Siegmund (Die Walküre) und Erik (Der fliegende Holländer) gesungen. Der Tristan, die Tenor-Herausforderung schlechthin, gerät ihm in Essen zum Triumph. Dabei, findet Dowd heute, sei es nicht die Frage, „ob man so eine Partie singt, sondern wie oft“.

Gesang mit Schönheit, Leidenschaft und Reife

So ist aus diesem „übereifrigen Amerikaner“, der anfangs alles singen will, kein selbstzerstörerischer Rollenfresser geworden, kein „Ritter vom hohen C“, der seine Kräfte verpulvert, sondern ein Tenor, der nicht nur mit Schönheit und Weichheit der Stimme, Seele und Leidenschaft, sondern auch mit mentaler Reife und kultiviertem Gestalten überzeugen kann.

Der Popmusik hat der Amerikaner viele Jahre entsagt, zwangsläufig: „Man übt einfach eine falsche Muskulatur aus.“ In Zukunft will Dowd diesen „Entzug“ wieder etwas kompensieren, will ins Studio gehen und selber Musik schreiben.

Aber auch den Opernbühnen will Dowd nicht adieu sagen „solange die Stimme mitmacht“. In den vergangenen Jahren hat er mit großen Tenorpartien von der Staatsoper Hamburg bis nach Barcelona und Finnland, von Sao Paolo bis nach Houston gastiert. Auch als festes Ensemblemitglied war er deshalb lange ein Reisender, der zwar eine Adresse in Essen hatte, aber erst 2012 so richtig sesshaft geworden ist. Und das auch bleiben will. Ihm Aalto wird man ihm deshalb auf Sicht vielleicht nicht nur als Zuhörer begegnen. Noch, sagt Dowd, gibt es allerdings keine Zukunftspläne. Vom Haus, den Kollegen, seinem eingeschworenen Publikum muss er sich nun erst einmal verabschieden und von einem besonderen Sänger-Moment: „Die Bühnenorchesterproben, morgens, zehn Uhr, wenn es hallt in diesem leeren Saal, die werde ich vermissen.“