Essen. Die Stadt Essen hat erstmals ein Wohnungsmarktbarometer herausgegeben. Darin zeigen Experten auf, wo es am Essener Wohnungsmarkt hakt.
Der Wohnungsmarkt in Essen ist angespannt. Es fehlen besonders günstige Wohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen. Und die Lage dürfte sich für sie auch in den kommenden zwei bis fünf Jahren nicht verbessern. Zu diesem Ergebnis kommt das aktuelle Wohnungsmarktbarometer der Stadt, das jüngst zum ersten Mal erschienen ist. Dafür gaben Experten ihre Einschätzung zum Essener Wohnungsmarkt ab. Das Wohnungsmarktbarometer soll künftig einmal jährlich erscheinen.
Zwei Drittel der Befragten sagt, dass es für Geringverdienerhaushalte schon heute schwer ist, eine bezahlbare Wohnung in Essen zu finden. Ihre Aussagen beziehen sich auf das Angebot an Sozialwohnungen in der Stadt. 90 Prozent von ihnen prognostiziert zudem, dass sich die Situation in naher Zukunft zuspitzen dürfte. Besonders prekär sei dabei die Lage für Familien mit mehreren Kindern und wenig Einkommen, die größere Wohnungen in Essen suchen.
Daneben dürften sich in Zukunft auch Studierende sowie Senioren und Seniorinnen schwerer tun, eine passende Bleibe zu finden, urteilen die Experten. Für Ältere fehlt es vor allem an barrierefreien Angeboten. Dagegen können sich einkommensstarke Haushalte aus Expertensicht aktuell gut mit Wohnraum versorgen.
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„Die Ergebnisse bestätigen genau das, was wir seit vielen Jahren in Essen debattieren“, sagte Dieter Hillebrand, DGB-Chef in Essen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund gehört mit anderen Organisationen zu einem Bündnis, das sich seit langem für bezahlbaren Wohnraum einsetzt. „Es wird zwar viel in Essen gebaut, aber zu wenige Wohnungen für Menschen, die wenig Geld haben“, betonte Hillebrand. Das Bündnis fordert beispielsweise, bei Neubauvorhaben eine feste Quote für den sozialen Wohnungsbau festzuschreiben.
Hillebrand warnt davor, dass sich mit der derzeitigen Flüchtlingswelle aus der Ukraine die ohnehin schon angespannte Lage bei günstigen Wohnungen noch zuspitzen könnte. „Dann sind wir wieder im selben Dilemma wie schon während der Flüchtlingskrise 2015.“
40.000 bezahlbare Wohnungen fehlen in Essen
Wie viele bezahlbare Wohnungen in Essen fehlen, ist derweil schwer zu beziffern. Die Hans-Böckler-Stiftung kam in einer Studie aus dem vergangenen Jahr auf die Zahl von knapp 43.000 Wohnungen. Viele Haushalte in Essen lebten demnach heute schon in zu teuren oder in zu kleinen Wohnungen, weil sie sich höhere Mieten nicht leisten könnten.
Ein Indiz ist auch die Entwicklung bei den Sozialwohnungen. Der Blick auf die Zahlen bestätigt die Einschätzung im Wohnungsmarktbarometer. So gab es Anfang des Jahres 18.289 geförderte Wohnungen in Essen. Damit ist ihre Zahl im Vergleich zum vergangenen Jahr weiter rückläufig. Denn: In 2021 sind 1089 Wohnungen aus der sogenannten Bindungsfrist herausgefallen. Für sie gilt damit keine Preisbindung mehr. Im Gegenzug kamen im vergangenen Jahr nach Auskunft der Stadt nur 174 neue Sozialwohnungen hinzu.
Bauland in Essen ist knapp und teuer
Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft, fordert daher, den Fokus verstärkt auf den Bestand zu lenken, wenn es um bezahlbare Wohnungen geht. „Allein über den Neubau werden wir die Größenordnung nicht erreichen, die wir brauchen“, glaubt sie. Aus ihrer Sicht müsste die Stadt unter anderem stärker als bislang Schrottimmobilien zurückkaufen.
Mehr zum Wohnungsmarktbarometer
Das Essener Wohnungsmarktbarometer basiert auf dem Ergebnis einer Online-Umfrage und liefert Einschätzungen von Expertinnen und Experten zu Entwicklungen auf dem Essener Wohnungsmarkt. Es ist somit ein subjektives Stimmungsbild. Das Wohnungsmarktbarometer soll der Planungsverwaltung und der Kommunalpolitik zusätzliche Erkenntnisse liefern über amtliche Statistiken hinaus. Geantwortet haben rund 70 Marktteilnehmer, überwiegend Makler und die Wohnungswirtschaft. Aber auch die Einschätzung von Architekten, Wohnungsverwaltungen, der Bauwirtschaft und von Mietervereinen flossen mit ein.
Die Experten des Wohnungsmarktbarometers sehen gleich mehrere Gründe dafür, warum der Neubau in Essen generell nicht schneller vorankommt – sowohl bei Mietwohnungen aber auch bei Eigentum. Zum einen gibt es nicht genügend Bauland und zum anderen ist es häufig zu teuer, so das Urteil. Aber auch fehlendes Baumaterial sowie lange Wartezeiten bei Handwerksbetrieben werden von ihnen als die stärksten Hemmnisse für Investitionen genannt. Schlechte Noten gibt es schließlich für die kommunale Planungs- und Genehmigungspraxis.