Essen. Corona und der Lockdown dürften schwerwiegende Folgen für die Innenstadt haben. Es gibt aber auch hoffnungsvolle Entwicklungen und Ideen.
Kein Weihnachtsmarkt, keine verkaufsoffenen Sonntage, kein „Essen on Ice“. Die Gastronomie ist geschlossen. Kein Kino, keine Kultur. Der Einzelhandel in der Innenstadt bekommt die Folgen der Corona-Pandemie mit Wucht zu spüren. Am vergangenen Wochenende kam gerade einmal die Hälfte der Besucher in die City als an normalen Adventswochenenden in der Vergangenheit.
„Für die Händler ist das eine äußerst schwierige Zeit, wenn alles herum wegbricht“, sagt Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer beim Einzelhandelsverband. Er befürchtet, dass Corona auch die „letzten Kunden, die dem stationären Einzelhandel die Treue gehalten haben, auf den Geschmack gekommen sind“ und nun online einkaufen.
Langsam stellt sich die bange Frage, wie die Innenstadt wohl aus der Krise hervorgehen wird . Noch sind es wenige Geschäfte und Restaurants, die die Segel gestrichen haben. Hallhuber auf der Limbecker ist ein Beispiel, genauso wie Vapiano in der Theaterpassage oder der Kaufhof am Willy-Brandt-Platz. Wie es in den kommenden Monaten weitergeht, weiß niemand. „Einige werden das sicher nicht überleben“, prognostiziert Makler Eckhard Brockhoff.
Stadt will leere Läden auf der Limbecker selbst anmieten
Es scheinen angesichts der ohnehin vorhandenen Probleme also noch größere Herausforderungen auf die Innenstadt zu zukommen. Entstehen einmal Leerstände, setzt sich die Abwärtsspirale im Umfeld schnell in Gang. Diesem Szenario möchte die Essen-Marketing-Gesellschaft (EMG) zusammen mit der Stadt möglichst vorbeugen. Die Stadt kündigte deshalb an, dass sie leerstehende Läden anmieten werde und sie an junge, kreative Konzepte weitervermieten möchte – zu einem niedrigeren Mietpreis.
Das Geld dafür kommt vom Land, das ein 70 Millionen Euro teures Programm aufgelegt hat , um Corona geplagten Innenstädten auf die Beine zu helfen. Essen erhält aus dem Topf 974.000 Euro. Der Schwerpunkt wird dabei auf der Limbecker Straße liegen, die sich nach einem qualitativen Aufschwung wieder zum Schlechteren entwickelt. Das aber auch schon vor Corona. Wegzüge von höherwertigen Marken wie Seidensticker, Benetton, Hallhuber oder Desigual und bleibende Leerstände zeugen davon.
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Die EMG hofft, neuartige Konzepte für die leeren Läden zu finden. Das können Pop-up-Stores sein, also Läden auf Zeit, oder auch junge Unternehmen, die Mode oder Schmuck bislang nur übers Internet vertreiben. Für sie sind die Mieten in der Innenstadt momentan viel zu hoch. Mit den subventionierten Mieten der Stadt wird das Risiko für sie kleiner. Die EMG wird bundesweit nach solchen Interessenten suchen. Und auch seitens der Eigentümer gibt es bereits erste positive Signale, sagt Innenstadtmanagerin Svenja Krämer. Immerhin müssen sie bereit sein, 30 Prozent des Mietpreises nachzulassen. Sie bekommen aber die Stadt als verlässlichen Mietpartner für zwei Jahre.
Makler: Corona ist für die Essener Innenstadt eine Chance
Mit solchen Ideen könnte es gelingen, wieder Angebote in die Innenstadt zu ziehen, die es so nicht oder nicht mehr gibt. „Die Filialen haben einst die Einzelkämpfer verdrängt. Nun könnten die Einzelkämpfer die Innenstadt wieder nach oben bringen“, sagt Makler Brockhoff. Das setzt aber voraus, dass das Mietenniveau in der Innenstadt deutlich sinkt. Brockhoff: „Das erleben wir bereits.“
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Er hält die Corona-Krise deshalb für eine Chance , damit sich die Innenstadt neu erfinden kann. „Die Gastronomie wird an Bedeutung gewinnen. Aber es braucht auch Konzepte, die unterschiedliches Publikum in die Stadt ziehen“, meint er und nennt als Beispiel Bochum, wo es gelungen sei, Teile der Uni in die Innenstadt zu bringen. Aber auch der Freizeitbereich werde den Einzelhandel stärker verdrängen. Als Beispiel nennt Brockhoff Treffs in ehemaligen Läden, wo sich Leute zusammenfinden, um ihren Hobbys nachzugehen.
Händler wollen Blumen entlang der Kettwiger und Limbecker aufhängen
Angesichts der großen Umwälzungen scheint es auf den ersten Blick eher ein kleiner Schritt zu sein, was die Interessengemeinschaft (IG) Kettwiger und Limbecker Straße vorhat. Im kommenden Sommer will der Zusammenschluss von Immobilienbesitzern und Geschäftsinhabern Blumen-Ampeln entlang der beiden Einkaufsmeilen aufhängen lassen. Dafür hat die IG eine Firma engagiert, die diese drei Jahre lang gestaltet und pflegt. Kosten: 15.000 Euro.
Das Signal dahinter aber ist größer. Auch bei der Händlerschaft und den Eigentümern scheint nämlich die Erkenntnis zu wachsen, dass die Innenstadt mehr Zuwendung braucht, wenn sie als Mittelpunkt der Stadt überleben soll.
Stadt stößt Gestaltungskonzept für den Willy-Brandt-Platz an
Den großen Wurf dahin will die Stadt nun angehen. Mit einem Teil der erwähnten Landesmittel sollen „städtebauliche Projekte zur Aufwertung der Innenstadt angestoßen werden“, wie es in der Ankündigung der Stadt heißt. Konkret geht es um die lange diskutierte Umgestaltung des Willy-Brandt-Platzes und des Umfeldes der Marktkirche. Für beide Bereiche sollen Planungsbüros jetzt erste Entwürfe entwickeln, die später in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden sollen. Die Stadt kündigt einen „umfangreichen Beteiligungsprozess“ mit den Immobilienanrainern und Bürgern an. Daraus lässt sich erahnen, dass dieser Weg noch ein längerer sein wird.