Duisburg. Ein ganzes Viertel in Neumühl leidet unter schlimmen Zuständen an einem Wohnkomplex. Nebenan ist das Bürgerhaus. So schützt es Kinder und Besucher.
Eine ganze Wohnsiedlung leidet in Neumühl unter den schlimmen Zuständen im und rund um den Wohnkomplex an der Otto-Hahn-Straße und der Max-Planck-Straße. Seit mehr als anderthalb Jahren ziehen vor allem Zuwanderer aus Südosteuropa ein; nur die wenigsten mit echten Mietverträgen. Anwohner ärgern sich über wilde Müllkippen, beobachten aber auch immer wieder zwielichtige Aktivitäten. Schauen sie zu genau hin, werden sie bedroht. Viele trauen sich nicht mehr im Dunkeln auf die Straße.
Direkt neben diesen Problemhäusern liegt eins der beiden Duisburger Bürgerhäuser. Neumühlerinnen und Neumühler sollen dort ihre Freizeit verbringen, vor allem Kinder. Für Sanierungsarbeiten war es lange geschlossen. Seitdem das Bürgerhaus im November wiedereröffnet wurde, kommen Mädchen und Jungen wieder zum Spielen und für Bildungsangebote. Doch die Stadt Duisburg hat neuerdings auf die unhaltbare Situation in der Nachbarschaft reagiert.
Angst im Wohnviertel: Stadt Duisburg setzt neuerdings einen Sicherheitsdienst im Bürgerhaus Neumühl ein
„Aktuell ist Sicherheit bei einigen Menschen aus Neumühl ein Thema“, räumt Stadtsprecher Sebastian Hiedels gegenüber der Redaktion ein. Dennoch biete das Bürgerhaus weiterhin „ein uneingeschränktes Angebot für Kinder und Jugendliche aus dem Umfeld“. Sie sollen sich treffen, können Billard, Tischtennis, Kicker und Gesellschaftsspiele spielen oder sich im Außenbereich auspowern. Es gibt eine Hausaufgaben- und Lernbetreuung, zudem einen offenen Bereich, der ebenfalls pädagogisch betreut wird. Geplant ist außerdem ein Sommerferienprogramm.
„Uns ist es wichtig, den Besucherinnen und Besuchern des Bürgerhauses ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln und ein friedliches Miteinander zu gewährleisten“, so Hiedels weiter. „Deshalb haben wir derzeit im Bürgerhaus Neumühl einen Sicherheitsdienst im Einsatz.“ Natürlich profitieren auch die Mitarbeiter von der neuen Security.
„Meine Kinder gehen wieder mit ihren Freunden aus der Nachbarschaft in das Bürgerhaus. Sie haben sich riesig gefreut, dass es endlich wieder aufhat und dort wieder Spaß haben können“, sagt Martina Mähling, die mit ihrem Mann und drei Kindern, fünf, neun und zehn Jahre alt, im Viertel wohnt. Als geschlossene Kindergruppe ziehen die Mädchen und Jungen los zu den Angeboten, solange es hell ist, und sie werden im Dunkeln von Erwachsenen abgeholt. Die Väter und Mütter aus der Siedlung sprechen sich dafür spontan ab.
„Die Angst verstehe ich vollkommen, ich gehe auch nicht gern die Otto-Hahn-Straße entlang“, sagt Martina Mähling. „Aber ich sehe das Bürgerhaus als eine tolle Sache.“ Diese möchte sie ihren Kindern nicht vorenthalten, denn sie könnten sich darin „super ablenken“.
So wie Martina Mähling denken offenbar viele Eltern, denn die schlimmen Zustände rund um die Otto-Hahn-Straße schrecken keine Stammgäste oder Kinder davon ab, das Bürgerhaus zu besuchen. „Wir verzeichnen nicht weniger Besucher, und unsere Angebote werden weiterhin gut angenommen“, sagt Stadtsprecher Sebastian Hiedels. Jedoch seien die Besucherzahlen „immer wechselhaft“ und „sie schwanken zwischen zehn und 30 Besuchern am Tag“.
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Ein Verein, der das Bürgerhaus seit Jahrzehnten nutzt, ist die Karnevalsgesellschaft Blau-Weiß Neumühl „Die Pils-Sucher“. In jeder Session ist die städtische Einrichtung für die Jecken ein fester Bestandteil. Natürlich ärgert sich die Karnevalsgesellschaft über die Situation nebenan, hält aber am Bürgerhaus fest. „Wir lassen uns den Spaß nicht verderben“, betonte unlängst die Geschäftsführerin Petra Hofstetter, als die Pils-Sucher ihre jecken Veranstaltungen planten.
Neujahrsempfang der Pils-Sucher: freundliche Garderobiere statt uniformierte Sicherheitskraft
Beim Neujahrsempfang stellte die Stadt Duisburg für diese private Sonntagsveranstaltung keine Security. „Wir brauchen keinen Sicherheitsdienst“, sagte Ehrenpräsident Reiner Terhorst, „unsere Gäste wissen, dass sie bei uns sicher sind.“
Statt einem Nahkampfexperten in Octeo-Uniform mit Schutzweste, Pfefferspray oder sogar Schlagstock werden die Besucherinnen und Besucher am Haupteingang von einer freundlichen Garderobiere begrüßt und haben auf dem Neujahrsempfang sofort gute Laune. Viele Karnevalsvereine aus dem Duisburger Norden und aus der Umgebung sind gekommen, darunter auch die Kinderprinzessin aus Wehofen und die grün-weißen Regenten aus Walsum samt Hofstaaten. Ebenfalls dabei sind Politiker, außerdem Vertreter der Stadt Duisburg.
„Hier ist noch nie etwas passiert“, sagt Monique Scheidgen, die frischgekürte Neumühlerin des Jahres 2025. Sie betreut und trainiert bei den Pils-Suchern die Gardetänzerinnen, die beim Neujahrsempfang mehrere Auftritte haben. Das Bürgerhaus werde weiterhin ein fester Bestandteil des jecken Treibens und der Freude bleiben.
Oberbürgermeister Sören Link: „Wir kümmern uns um die Probleme, wir schauen nicht weg“
Tatsächlich habe niemand der geladenen Gäste, Majestäten oder Karnevalsvereinen die Teilnahme abgesagt, weil bei Anwohnern und Ladenbesitzern an der Otto-Hahn-Straße die Angst umgeht, bekräftigt Reiner Terhorst. Dennoch adressiert er als Moderator die Lage in der Nachbarschaft: „Was Heuschrecken mit unserem Viertel anstellen, mit den Menschen, ist schrecklich. Aber Neumühl ist, war und bleibt ein sozialer, bunter, pulsierender und erfolgreicher Stadtteil.“
Eine konkrete Lösung für die Situation rund um die Problemhäuser kann zwar auch Oberbürgermeister Sören Link den Menschen im gutgefüllten Saal nicht präsentieren. Es sei eine „ganz komplizierte Ausgangslage“, auf die es keine einfache Antwort gebe. Aber er verspricht: „Wir kümmern uns um die Probleme, wir schauen nicht weg.“ Das bestätigt der Bundesstaatssekretär und SPD-Vorsitzende Mahmut Özdemir. Er schwört die Neumühler ebenfalls darauf ein, keine einfachen Antworten bei Populisten zu suchen und weiterhin „Machern statt Dummschwätzern“ zu vertrauen.
Jugendbande bricht ins Jugendzentrum Einstein ein: Kriminalpolizei sucht Zeugen
Doch die Situation am und im benachbarten Wohnkomplex beeinflusst nicht nur die Sicherheitslage im Bürgerhaus. Der Verein „Offene Jugendarbeit Neumühl“ (Ofju) bemerkt ebenfalls wachsende Probleme im Wohnquartier. Die jüngste Eskalationsstufe ist ein Einbruch in das vereinseigene Jugendzentrum Einstein an der Albert-Einstein-Straße, nur wenige hundert Meter von den Problemhäusern entfernt.
„Die Einbrecher kannten sich bei uns aus“, sagt der Ofju-Vorsitzende Matthias Beine. Sie haben demnach die Eingangstür der Wohncontainer aufgebrochen und gezielt eine Playstation, Videospiele und den Inhalt der Handgeldkasse gestohlen. Daraus schließt Beine, dass die Verbrecher entweder zu den Jugendlichen gehören, die das Einstein selbst besuchen oder zu deren Bekanntenkreis zählen.
„Zu uns kommen Jugendliche aus dem Stadtteil, die nicht aus dem besten Elternhaus kommen und Langeweile haben“, so der Vorsitzende weiter. Die meisten haben demnach keinen Migrationshintergrund. Kinder und Jugendliche aus Südosteuropa, die in den Problemhäusern leben, nehmen größtenteils die Angebote im Einstein nicht in Anspruch. Nach den Erfahrungen von Matthias Beine gibt es längst mehrere Jugendbanden, die die Nachbarschaft terrorisieren – unabhängig vom Migrationshintergrund.
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Tatsächlich vermutet die Polizei Duisburg, dass eine Jugendbande in das Jugendzentrum eingebrochen ist. So äußerte sich Polizeisprecherin Julia Schindler auf Nachfrage. Der Grund: Abends vor dem Einbruch, donnerstags am 2. Januar, riefen Anwohner den Notruf, weil zahlreiche Jugendliche gegen 18.40 Uhr an der Sportanlage des Jugendzentrums unerlaubt Pyrotechnik gezündet hatten. Sie zerrten außerdem an der Tür. Als die Jugendlichen die Streife bemerkten, zerstreute die Bande sich. Jetzt ermittelt die Kriminalpolizei, und das Kriminalkommissariat 14 sucht Zeugen unter der Rufnummer 0203 280-0.
Nicht nur mit Polizistinnen und Polizisten oder dem Ordnungsamt müsse man den Problemen in der Siedlung und den Jugendband begegnen, findet Matthias Beine. Er wünscht sich Streetworkerinnen und Streetworker, die habe es seit gut 15 Jahren nicht mehr im Stadtteil gegeben. Anders als im Bürgerhaus wird es keine Sicherheitsleute im Jugendzentrum Einstein geben. Dafür fehlt dem kleinen Trägerverein das Geld.