Duisburg. Pro Bahn kritisiert das ÖPNV-Angebot in Duisburg als „Großstadt-unwürdig“. Wie viele Fahrgäste hat die DVG verloren? Was die Zahlen verraten.
Ein veralteter Fuhrpark, Fahrzeug- und Fahrer-Mangel, zu viele Betriebsstörungen: Die lange unterfinanzierte Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) fährt auf ihren drei schienengebundenen Linien seit Jahren im Krisenmodus. Wer als Fahrgast unter Rekord-Ausfällen und -Verspätungen leidet, dürfte Verständnis dafür haben, dass viele Betroffene der DVG den Rücken gekehrt haben. Die offiziellen Fahrgastzahlen erschüttern dennoch: Nach eigenen Angaben hat die DVG 17 Millionen Passagiere verloren.
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So gab das Unternehmen für seine Verkehrs- und Betriebsleistung 2017 noch 62,5 Millionen Fahrgäste an, 2023 nur noch 45,5 Millionen. Der Tiefpunkt lag laut dieser Statistik im zweiten Corona-Jahr 2021 bei 42,5 Millionen. Den Zahlen nach sind sehr viele Passagiere nach der Pandemie – mit (Teil-)Lockdowns, Schutzmaßnahmen im ÖPNV und Homeoffice – nicht zu Bus und Bahn zurückgekehrt (siehe Grafik).
Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG): Weniger Fahrgäste als vor der Corona-Pandemie
Auf die Frage nach diesem massiven Rückgang erklärt DVG-Sprecherin Kathrin Naß: Die Zahl für das Jahr 2023 liege „noch immer auf niedrigerem Niveau, weil wir die vom VRR vorgegeben Fahrgastberechnung verwenden. Mit dieser angepassten Zählweise wird im Vergleich zur Vor-Coronazeit mit wesentlich weniger Fahrgästen gerechnet.“
Dafür muss man wissen, dass es sich bei den Fahrgastzahlen noch immer um Hochrechnungen handelt. Wie die kommunalen Betriebe im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) rechnen, gibt dieser vor.
2020 und 2022 änderte der Verbund die Berechnungsgrundlage, weil man in der Corona-Krise feststellte, dass die Absatzzahlen der Zeitkarten (Tages-, Wochen- und Monatstickets) nicht zu den Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen passten, erklärt VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik: Kundinnen und Kunden hatten „das Ticket weiter behalten, es wurde jedoch deutlich weniger genutzt. Aus diesem Grund hat der VRR ab März 2020 die Fahrtenhäufigkeiten bei den Zeitkarten gesenkt und im Januar 2022 noch einmal nachgeschärft.“
Die veränderte Zählweise (siehe Infobox) aber ist nicht die alleinige Erklärung für die Schreckenszahlen, denn tatsächlich nutzen in Duisburg und im VRR noch immer weniger Menschen als vor 2019 den ÖPNV. Ab 2022 hätten sich die Fahrgastzahlen zwar „zunehmend erholt, jedoch langsamer als gewünscht“, bestätigt Sabine Tkatzik. Zum jetzigen Zeitpunkt, Ende 2024, „werden die Fahrgastzahlen der Verkehrsunternehmen im VRR zum Ende des Jahres 2024 noch circa 10 bis 15 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau 2019 liegen. Lockdowns und Homeoffice haben hier gerade im Pendlerverkehr deutliche Spuren hinterlassen. Die erfreulichen und sehr guten Verkäufe des Deutschlandtickets im VRR kompensieren die Rückgänge aktuell noch nicht in Gänze.“
DVG: Fahrgastzahlen steigen tendenziell
Und in Duisburg? DVG-Sprecherin Kathrin Naß erläutert, die aktuellsten Fahrgastzahlen (2022: 45,3 ; 2023: 45,5 Mio.) stellten „eine langsamere Steigung dar, als sie tatsächlich erfolgt. Alleine durch das Deutschlandticket sind im Jahr 2023 etwa 20.000 Abos hinzukommen. Tendenziell steigen die Fahrgastzahlen.“ Nähere Angaben seien erst mit dem Jahresabschluss möglich, so Naß.
Pro Bahn: „Großstadt-unwürdiges Angebot“
Der Fahrgastverband Pro Bahn betont zu den Duisburger Zahlen jedoch vor allem „das unterirdische, Großstadt-unwürdige Angebot“ der DVG, wie Dirk Grenz kritisiert, der Sprecher fürs Ruhrgebiet: „Wenn man jahrelang Schienenersatzverkehr auf einer wichtigen Straßenbahnlinie wie der 901, extrem viele Ausfälle auf der 903 und eines der schlechtesten Angebote in den Abendstunden hat, dann ist es kein Wunder, wenn die Menschen aussteigen.“ Grenz lobt, dass DVG und Politik nun „zumindest anfangen, in den Stadtteilen nachzubessern. Aber die DVG hat noch viel aufzuholen, vor allem beim Angebot. Das kostet Geld und braucht Zeit.“
Den Zahlen nach läuft die Rückeroberung der Fahrgäste in einigen Nachbarstädten anscheinend besser. Laut Ruhrbahn stieg die Zahl ihrer Fahrgäste in Essen von 87,3 (2022) auf 91,3 Millionen (2023), in Mülheim von 19,5 auf 21,1 Millionen. Die Düsseldorfer Rheinbahn dagegen berichtete zuletzt, wenngleich auf deutlich höherem Niveau, einen leichten Rückgang, von 173,3 (2002) auf 172,5 Millionen Fahrgäste (2021: 165,0).
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>> Fahrgastzahlen im VRR und bei der DVG
- Der VRR rechne grundsätzlich mit „realistischen Fahrtenhäufigkeiten“, erläutert Sprecherin Sabine Tkatzi. Im Falle eines Einzeltickets werde mit einer Fahrt, bei einem Viererticket mit vier Fahrten gerechnet.
- 1:1 kann man bei den „Zeitkarten“ nicht rechnen, weil für Inhaber von Tages- oder Monatstickets die Zahl der Fahrten im Gültigkeitszeitraum nicht beschränkt ist und nicht jede(r) Inhaber jeden Tag fährt. Für die Statistik werde „hier eine Durchschnittsfahrtenhäufigkeit auf Basis von Erfahrungswerten, internen Zählsystemen und Hochrechnungen zu Hilfe genommen“, so Tkatzi.
- Mit der Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023 wurde die Fahrgastberechnung noch komplizierter, denn viele Fahrgäste wechselten von einem VRR-Abo-Ticket zum Deutschlandticket. Aber die „Fahrtenhäufigkeiten des Deutschlandtickets liegen zum Teil deutlich niedriger als die der Alt-Abonnements. Dieses Ticket nutzen nicht nur klassischer Dauerkunden, es ist auch für regelmäßige Gelegenheitsnutzer*innen aufgrund des Preises interessant.“
- In Zukunft will auch die DVG nicht mehr hochrechnen, sondern genau zählen, sagt Sprecherin Kathrin Naß: „Unser langfristiges Ziel ist es, tatsächliche Zahlen durch die digitalen Zählgeräte in den Fahrzeugen zu erhalten. Bei vielen Bussen sind diese Zählgeräte bereits verbaut und zukünftig werden auch die neuen Bahnen mit diesen Zählergeräten ausgestattet. Solange die Geräte jedoch nicht in genügend Fahrzeugen verbaut sind, sind wir auf solche Hochrechnungen angewiesen.“