Duisburg. Im Duisburger Problemviertel verschwinden viele Einkaufswagen – meist Richtung Weißer Riese. Kaufland reagiert jetzt mit einem drastischen Schritt.

Wenige Meter holpert der Einkaufswagen über die Pflastersteine vom Markteingang weg, dann zischt es leise und plötzlich geht nichts mehr. Die Räder sind blockiert, der Wagen wehrt sich gegen jeden Ruck. Wer seine Einkäufe bislang zur Wohnungstür geschoben hat, braucht jetzt viel Gewalt, um überhaupt noch einen Zentimeter vor- oder rückwärts zu kommen.

Kunden der Kaufland-Filiale in Duisburg-Hochheide bemerken seit kurzem ein neues System an den Einkaufswagen. Sie lassen sich normal bis zum Auto auf dem Parkdeck der Ladenstadt schieben. Aber rollen sie über eine unsichtbare Grenze Richtung Bürgermeister-Bongartz-Platz, wird eine Wegfahrsperre aktiv.

Herrenlose Einkaufswagen stehen im Duisburger „Problemviertel“ an den Weißen Riesen herum: Jetzt greift ein Supermarkt durch.
Herrenlose Einkaufswagen stehen im Duisburger „Problemviertel“ an den Weißen Riesen herum: Jetzt greift ein Supermarkt durch. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

„Problemviertel“: Einkaufswagen tummeln sich am Weißen Riesen

Auf einem Schild neben dem Eingang bittet der Markt um Verständnis, „dass unsere Einkaufswagen automatisch blockieren, sobald unser Grundstück verlassen wird“. Das Ziel ist klar: Weniger Wagen sollen gestohlen werden, im Viertel herumstehen und aus Fenstern des benachbarten Hochhauses fliegen, wie es in der Vergangenheit schon passiert ist.

Die Kette wehrt sich mit dem Blockiersystem gegen ein Phänomen, über das sich Supermärkte und Anwohner des „Problemviertels“ im Duisburger Westen schon lange aufregen. Rund um die Weißen Riesen liegen Wagen im Gebüsch, sie stehen zugemüllt an Hauseingängen oder auf Fußwegen.

Die meisten tauchen an der Ottostraße 58 bis 64 auf, im und am bekannten Problemhochhaus. Dort findet man sie auf der Wiese hinter dem Haus und in den Fluren, sogar auf der 20. Etage. Zig Wagen, 20 und mehr, stehen zudem oft eingereiht an einer Hausseite. Das passiert, wenn die Hausmeister das Gebäude durchforsten und Wagen einsammeln, berichten Bewohner.

Rund 20 Einkaufswagen stehen in einer Reihe am Weißen Riesen Ottostraße 58 bis 64. Das Bild stammt aus 2023, das Phänomen ist keine Seltenheit.
Rund 20 Einkaufswagen stehen in einer Reihe am Weißen Riesen Ottostraße 58 bis 64. Das Bild stammt aus 2023, das Phänomen ist keine Seltenheit. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Einkaufswagen-Diebstahl ist städtischen Behörden bekannt

„Mir ist es lieber, dass die Hausmeister sie dort geordnet hinstellen, als dass ich sie wie früher im gesamten Bezirk finde“, sagte Claudia Döhr, Stadtteilmanagerin für Hochheide, in einer Sitzung der Bezirksvertretung Homberg/Ruhrort/Baerl im Oktober. Das Problem sei der Verwaltung schon länger bekannt.

Für städtische Behörden sei es jedoch schwierig, etwas dagegen zu unternehmen. Einerseits würden die Wagen oft auf privaten Grundstücken stehen, auf denen Ordnungsamt und Wirtschaftsbetriebe wenig Einfluss haben. Andererseits seien sie Eigentum der Supermärkte. „Wenn die Wagen verloren gehen, muss Kaufland Strafanzeige erstatten“, meinte Döhr.

Auch ohne Anzeige wird das Ordnungsamt in Duisburg tätig, wenn es Regelverstöße feststellt, erklärte Ordnungsdezernent Michael Rüscher bei einer Bürgerversammlung in Hochheide im November. „Zunächst wird der Verursacher nett und freundlich darauf hingewiesen, dass er den Einkaufswagen zurück zu bringen hat.“ Erfolgt keine Reaktion, könne eine Ordnungsverfügung erteilt werden.

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Kaufland greift in Hochheide durch und bittet um Hinweise

Weil Wagen aber immer noch oft genug verschwinden, greift Kaufland seit November durch. Für das Unternehmen sei es aus zwei Gründen ärgerlich, wenn sie abhandenkommen, erklärt die Pressestelle gegenüber der Redaktion. Zum einen sollen genug Einkaufswagen für Kunden zur Verfügung stehen. „Zum anderen können Einkaufswagen, die außerhalb unseres Geländes abgestellt werden, eine Gefahrenquelle darstellen.“

Der Markt bittet um Hinweise, wenn Wagen außerhalb des Geländes gesehen werden. „Unsere Mitarbeiter sammeln diese Einkaufswagen ein und bringen sie an die Filiale zurück.“ Wie oft sie am Weißen Riesen sind, um Wagen zurückzuholen, beantwortet das Unternehmen nicht. Es lässt auch offen, wie viele Wagen gestohlen werden und wie groß der finanzielle Schaden dadurch ist.

Weitere Märkte in Hochheide ärgern sich über entwendete Wagen

Häufig tragen die gestohlenen Einkaufswagen ein Kaufland-Logo. Doch auch andere Märkte in der Umgebung kennen das Phänomen. Vor knapp einem Jahr bestätigte Aldi Süd, dass regelmäßig Einkaufswagen von der Filiale an der Moerser Straße entwendet werden. Eine aktuelle Anfrage lässt die Mülheimer Discounterkette unbeantwortet.

„Eine genaue Zahl, wie viele Wagen entwendet werden, kann ich nicht nennen. Aber es ist schon ein großes Ärgernis für uns.“

Falk Paschmann
Geschäftsführer von Edeka Paschmann

Einen Einblick in die derzeitige Lage in Hochheide gibt hingegen Falk Paschmann, Geschäftsführer von Edeka Paschmann: „Eine genaue Zahl, wie viele Wagen entwendet werden, kann ich nicht nennen. Aber es ist schon ein großes Ärgernis für uns.”

Zum Unternehmen gehören elf Märkte in Mülheim, Düsseldorf, Duisburg und Moers. Dass mal einzelne Wagen verschwinden, kenne Paschmann auch von den anderen Standorten. „Aber nirgendwo ist das Problem so groß wie in Hochheide.” Als der Markt 2018 eröffnet hat, habe es das Problem in der Form noch nicht gegeben. „Es hat sich vor allem in den letzten drei, vier Jahren verschärft.”

Auch Edeka-Chef denkt über Sicherungssystem für Wagen nach

Der Geschäftsführer weiß, dass die Edeka-Wagen das Gelände hauptsächlich Richtung Weißer Riese an der Ottostraße 58 bis 64 verlassen. Mitarbeiter seien nämlich im Zwei-Wochen-Rhythmus am Hochhaus, um sie wieder einzusammeln. Dabei liegt die Filiale immerhin rund 300 Meter vom Riesen entfernt und auf der anderen Straßenseite der viel befahrenen Moerser Straße.

Viele Einkaufswagen stehen in den Hausfluren des Weißen Riesen.
Viele Einkaufswagen stehen in den Hausfluren des Weißen Riesen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Besonders ärgerlich: Häufig seien die entwendeten Einkaufswagen voll mit Müll. „Unsere Mitarbeiter dürfen dann nicht nur die Wagen zurückführen, sondern auch den Müll entsorgen.”

Eine richtige Lösung erkennt Paschmann bislang nicht. Doch nach dem Kaufland-Vorbild denkt auch der Geschäftsführer darüber nach, Maßnahmen einzuführen, „mit denen wir technisch verhindern können, dass die Einkaufswagen das Grundstück verlassen”.

>> Auch andere Supermärkte setzen Wegfahrsperren ein

  • An wie vielen Standorten Kaufland solche Wegfahrsperren wie in der Filiale in Hochheide einsetzt, beantwortet das Unternehmen nicht. Eine Sprecherin sagt jedoch, dass das System nicht speziell für Hochheide entwickelt und bereits in anderen Märkten installiert worden sei.
  • Aus Medienberichten geht hervor, dass mehrere Supermarkt- und Discounterketten auf Blockiersysteme an einzelnen Standorten setzen, zum Beispiel Aldi, Lidl und Rewe.
  • Wie eine Wegfahrsperre funktioniert, erklärt die Firma Wanzl, die unter anderem Einkaufswagen für den Handel und entsprechende Sicherungssysteme herstellt.
  • Demnach werden zwei Rollen mit Lenksperren am Einkaufswagen montiert. Zudem werden Magnetschienen in den Boden eingebaut, heißt es auf der Internetseite.
  • Rollen die Räder über die Magnetschienen, werden die Lenksperren ausgelöst und die Rollen blockiert. Passiert der Wagen die Schienen beim Zurückbewegen erneut, lösen sich die Sperren wieder.