Duisburg. Ist es am Weißen Riesen gar nicht so gefährlich wie viele denken? Der Duisburger Polizeichef erklärt die Probleme und kritisiert die DHL scharf.
Obwohl der Weiße Riese an der Ottostraße 58 bis 64 in Duisburg immer wieder negativ auffällt, ist es dort wohl weniger gefährlich, als viele denken. Das meint zumindest der Duisburger Polizeipräsident Alexander Dierselhuis: „Dort passieren Straftaten, aber es sind bemessen an der Menge an Menschen, die dort wohnen, nicht extrem viele.“
Der Polizeichef gastierte in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung Homberg/Ruhrort/Baerl, um den Lokalpolitikern zu erklären, wie ihr Bezirk in Sachen Kriminalität im stadtweiten Vergleich abschneidet. Dierselhuis kam auch auf das bekannte Problemhochhaus zu sprechen – und räumte mit einigen Ansichten auf.
Weißer Riese: Polizeichef sieht Ordnungs-, aber kein Sicherheitsproblem
Bei der Hochhaussiedlung in Hochheide und speziell beim Gebäude Ottostraße 58 bis 64 müsse man zwischen einem Ordnungs- und einem Sicherheitsproblem klar unterscheiden.
Ein Ordnungsproblem gebe es definitiv. Dierselhuis führte aus: „Die Immobilie ist schmutzig, sie hat ständig wechselnde Mieter und Müll, der aus den Fenstern fliegt.“ Im und rund um das Gebäude sei oft ein unfreundliches Publikum zu erleben. „Das ist so und das wollen wir auch angehen.“
Ein übermäßiges Sicherheitsproblem sieht er dort aber nicht. Zwar sei die Zahl an Straftaten höher als „im superschönen Vorort“. Es gebe auch durchaus Straftäter im Gebäude. „Aber an reinen Straftaten gibt es nicht die extreme Überbelastung, die man erwarten könnte.“
Hochhaussiedlung: Anwohner beschweren sich über Müll und Ungeziefer
Tatsächlich beschweren sich auch viele Anwohner in Hochheide am lautesten über den ganzen Müll, der sich am Bürgermeister-Bongartz-Platz, Roten Weg und Weißen Riesen türmt, über Ungeziefer, Ratten und Tauben, die sogar einige Wohnungen im Gebäude besiedeln.
Fragt man Menschen, die im Weißen Riesen leben, kommen Beschwerden über Eigentümer hinzu, die Wohnungen entweder überbelegen oder jahrzehntelang verwaisen lassen. Sie ärgern sich darüber, dass im Gebäude an allen Ecken gespart wird, sich Mieter danebenbenehmen oder in Gruppen vor den Eingängen versammeln.
DHL stoppte Paketzustellung wegen „bedrohlichen Situationen“
Die Duisburger Polizei hat jedoch schon mehrfach betont, dass sie das Umfeld des Riesen nicht als Kriminalitätshotspot bezeichnet. Nach Angaben der Stadt sind über 1400 Menschen in den 320 Wohnungen des Hochhauses gemeldet. Bei so vielen Menschen auf engem Raum würden Straftaten und Polizeieinsätze nicht ausbleiben, heißt es häufig.
Manche dieser Fälle machen Schlagzeilen. So zum Beispiel Mitte Oktober, als ein Spezialeinsatzkommando der Polizei das Haus stürmte. Besonders bekannt wurde der Betonklotz aber durch die Tatsache, dass die DHL dort keine Pakete mehr zustellte, weil sich Postboten bedroht fühlten. Auch andere Paketdienste berichteten von Problemen bei der Zustellung.
Duisburger Polizeichef kritisiert das Vorgehen der Post: „Schon seltsam“
Für den drastischen Schritt der DHL hat der Duisburger Polizeipräsident kein Verständnis. Gegenüber den Bezirksvertretern kritisierte er deutlich: „Was die Post dort abgezogen hat, ist schon seltsam.“ Bevor sie die Paketzustellung stoppte, habe sie „kein einziges Mal“ mit der Polizei oder Stadt gesprochen. „Erst rund zwei Monate danach hat man die Stadt informiert und dann uns.“
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Zu den teils bedrohlichen Situationen, wie sie Postmitarbeiter nach Angaben des Unternehmens erlebt hätten, sagte Alexander Dierselhuis: „Diese Zustände lassen sich auch im Nachhinein in der Intensität, wie sie behauptet werden, nicht belegen.“ Auf Nachfragen habe die DHL nie erklärt, was genau an welchem Tag passiert sei.
Zudem habe die DHL keinen Vorfall einer Bedrohung angezeigt. Bei der Polizei seien in den vergangenen eineinhalb Jahren drei Anzeigen der Post eingegangen, „bei denen es aber nur um Unterschlagungsdelikte im Bereich Paket und Post ging, also nie um Gewalt oder Bedrohung zum Nachteil der Mitarbeiter“.
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Vorfälle am Weißen Riesen: DHL hat bisher keine Details genannt
Die Aussagen des Behördenleiters decken sich mit dem, was Polizei, Stadt und DHL dieser Redaktion bislang zum Auslieferungsstopp sagten. Auf unsere Anfragen hat die Post bis jetzt nicht konkretisiert, was genau die Paketboten als bedrohlich empfunden haben, wie viele Mitarbeiter dies erlebten und was passieren muss, damit sie sich wieder sicher fühlen.
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Sowohl die Polizei als auch die Stadt gaben an, Ende Juni von der Post über den Schritt informiert worden zu sein. Gestoppt hatte die DHL die Paketzustellung nach eigenen Angaben aber schon Ende April. Wie oft sich die beteiligten Parteien austauschen, um nach einer Lösung zu suchen, hat bisher keine der drei Stellen verraten.
Polizeichef Dierselhuis könne verstehen, dass es für die Postmitarbeiter unangenehm ist, das Hochhaus zu betreten. Zumal die Zustellung allein dadurch erschwert werde, dass Briefkästen nicht richtig oder gar nicht beschriftet sind. „Aber wir können dort nicht helfen, wenn man es uns nicht sagt.“
>> Kriminalitätsbericht: Hochheide fällt nicht als Brennpunkt auf
- Mit einer hohen Zahl an Straftaten fallen fünf Stadtteile im Kriminalitätsbericht der Polizei für 2023 besonders auf: Marxloh, Hochfeld, Mittelmeiderich, das Dellviertel und die Altstadt.
- Hochheide gerät in der Statistik gar nicht in den Fokus. Raubdelikte, Wohnungseinbruchdiebstahl, Gewalt-, Straßen- und Rauschgiftkriminalität – in keiner Kategorie zählt Hochheide zu den 15 am meisten belasteten Stadtteilen.
- Dabei ist Hochheide mit Blick auf die Einwohnerzahl der zehntgrößte Stadtteil in Duisburg. Ende September waren dort 15.759 Menschen mit ihrem Erstwohnsitz gemeldet.