Duisburg. 650 Menschen aus der Ukraine sind nach ihrer Flucht im Landschaftspark Duisburg-Nord untergekommen. Dort erleben auch Helfer emotionale Momente.
Die Kraftzentrale ist von Sicherheitskräften bewacht. Sie haben ihren Namen, ihre Funktion in kyrillischen Buchstaben am Revers hängen. Ein meterhohes Fiebermessgerät steht am Eingang, dahinter in einem roten Zelt die Aufnahme, Information-, Schalt- und Waltzentrale der Feuerwehr. Der Landschaftspark Duisburg-Nord ist derzeit das neue Zuhause für 650 aus der Ukraine geflüchtete Menschen, eins von drei Welcome Centern im Stadtgebiet.
Da, wo sonst bei Konzerten die Theken stehen und Häppchen zum Bier gereicht werden, stehen jetzt Mikrowellen, um Babynahrung warm zu machen. Ein bunter Clown knotet Luftballontiere. Ein kleines Mädchen zieht mit einem Stapel Puzzle durch die Halle. Die Küche bedauert vielsprachig auf einem Aushang, dass es keine ukrainischen Spezialitäten gebe: Lieferprobleme.
Leises Leben statt lauter Musik in der Duisburger Kraftzentrale
Die Geräuschkulisse ist erstaunlich ruhig. Da Messebauelemente auf dem Markt kaum zu bekommen waren, hatte die Stadt improvisiert und mit Traversen aus der Musikbranche und dicken Stoffen Rückzugsräume gebaut – mit dem Nebeneffekt, dass der Schall gut geschluckt wird, „und gemütlich ist es auch noch“, lobt Krisenstabschef Martin Murrack.
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„Manche hatten anfangs Angst vor den Uniformen“, erzählt Feuerwehrchef Oliver Tittmann, das habe sich erst mit der Zeit gelegt. Auch umgekehrt sei die Situation emotional. Er erzählt von einem dreijährigen Jungen, der mit seiner Mutter flüchten musste, weil sein Vater erschossen wurde. Die Mama sei in Tränen versunken, aber der Junge saß wenig später auf einem Bobby-Car und spielte fröhlich mit anderen Kindern in der Kraftzentrale. Gänsehautmomente nennt er das. Sie machen klar: Die psychosoziale Betreuung für die Flüchtlinge wie für die Einsatzkräfte ist elementar.
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Viele wollen ehrenamtlich aktiv werden
Kirchengemeinden, der Stadtsportbund, das Spielmobil – sie alle organisieren an den drei Standorten Beschäftigung, Ablenkung, Spiel und auch ein bisschen Spaß für die Menschen, die dem Krieg entflohen sind.
Ukrainer- Warum Duisburg manche Wohnraum-Angebote ablehntAuch die Bereitschaft der Ukrainer selbst, etwa als Sprachmittler zu helfen, sei groß, berichtet Tittmann. Das zivilgesellschaftliche Engagement insgesamt sei so groß, dass die Feuerwehr es habe steuern müssen. Die Ehrenamtler habe man registrieren und mit Bändchen ausstatten müssen, um den Überblick zu behalten.
In den vier Wochen seit Beginn des Krieges habe sich viel an Struktur entwickelt. Die zur Verfügung stehenden Kapazitäten etwa werden wie in einem Hotelbuchungssystem hinterlegt, nur eben selbst gebaut von Ehrenamtlern, betont der Feuerwehrchef. Ein Callcenter stellt zu jeder Zeit Dolmetscher zur Verfügung. „Das geht alles über Vitamin B.“
Trotzdem wechselt die Organisation in dieser Woche auf die Schultern hauptamtlicher Dienstleister. Statt der Feldküche des THW kocht nun ein Caterer. Über Personaldienstleister wurde weiteres Personal gebucht. „Wir führen hier ein Unternehmen“, beschreibt Tittmann die Ausmaße. Für die Organisation vor Ort seien 120 Feuerwehrleute im Dienst. Während der Aufbauarbeiten waren es auch 300. „Die Führung bleibt bei der Stadt“, betont er, „aber für die nächsten neun oder zwölf Monate können wir das nicht mit Ehrenamtlern stemmen“. Sie sollen punktuell weiter eingebunden werden.
Ukrainer- Warum Duisburg manche Wohnraum-Angebote ablehntZum Beispiel bei der Registrierung, die vor der Neuen Verwaltung im Landschaftspark von rekrutierten Rentnern durchgeführt wird. „Erst das Hallo, dann der Corona-Test“, nennt Tittmann das Wichtigste. Wer positiv ist, kommt gar nicht erst in die Halle, sondern wird in einem Hotel isoliert. Alle anderen werden registriert, medizinische Checks werden angeboten etwa auf Tuberkulose. Corona-Impfungen würden allerdings kaum wahrgenommen, bedauert Tittmann. Dafür bedürfe es vieler überzeugender Gespräche.
>>HAUSTIERE IN DER KRAFTZENTRALE
- Rund 20 Prozent der Geflüchteten bringen nach Schätzung von Oliver Tittmann Haustiere mit. Alle dürfen bleiben, betont er, es habe bisher „null Probleme“ gegeben.
- Es sind überwiegend Katzen und Hunde, Vögel, aber auch Ratten. Allen wurden Boxen für die Nacht organisiert. Und jene Hotels, die wegen tierischer Begleitung zunächst Bedenken äußerten, hätten kurzfristig die Teppiche aus den Räumen geholt. Eine Trennung sei nach all der Belastung für Mensch und Tier nicht in Frage gekommen, erklärt der Feuerwehrchef.