Dortmund. Manuel Pinnecke aus Dortmund bezieht Sozialhilfe. Darauf ruht er sich nicht aus: Er sammelt Pfandflaschen, um sich einen großen Traum zu erfüllen.

Wenn der BVB zuhause in Dortmund spielt, dann prägen sie schon Stunden vor Anpfiff das Stadtbild: Dosen- und Flaschensammler, die hinter den Fußballfans aufräumen, um später den Pfand einzulösen. Manuel Pinnecke ist einer von ihnen.

„Ich bin beruflicher Pfandflaschensammler. Das ist harte Arbeit“, sagt der 38-Jährige über seinen Job. Dieser bedeutet für ihn größtmögliche Freiheit, denn er leidet unter einer Fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD): „Ich als Mensch mit geistiger Behinderung werde leider nicht von normalen Arbeitgebern angenommen.“

Flaschensammler fühlte sich von Lebenshilfe ausgebeutet

Lange war Manuel in Werkstätten der Lebenshilfe beschäftigt, wo er sich durch die monotonen Arbeitsaufträge jedoch unterfordert fühlte: „Menschen wie ich, die fitter im Kopf sind, werden dort kleingehalten und ausgenutzt.“ Deshalb habe er 2018 gekündigt und sich als Flaschensammler selbstständig gemacht, dafür sogar ein Kleingewerbe unter dem Namen „Die Flaschensammler“ angemeldet. Das sei gar nicht so einfach gewesen, denn beim Gewerbeamt habe man ihn zunächst ausgelacht.

„Dortmund ist ein goldener Esel“

Nach Dortmund kam Pinnecke 2020, wo er mit seiner Ehefrau in einer gemeinsamen Mietwohnung lebt. Wieso die Wahl auf die Ruhrmetropole fiel? „Dortmund ist ein goldener Esel“, lacht der gebürtige Magdeburger. „Die Leute sind sehr sozial eingestellt, das kenne ich wirklich nur von hier.“ Er hat sich in den vergangenen Jahren mit viel Einsatz eine Art Stammklientel aufgebaut, das ihm bei BVB-Heimspielen sogar ganze Bierkästen mit Pfandflaschen übergibt. Auch einen Abholservice bietet er an, spart für dessen Ausbau derzeit auf ein Auto.

Pfandsammeln kann sich lohnen: 8 Cent gibt es für eine Bierflasche aus Glas, 15 Cent für eine Mehrwegflasche aus Hartplastik, 25 Cent für Einwegflaschen und Dosen. (Symbolbild)
Pfandsammeln kann sich lohnen: 8 Cent gibt es für eine Bierflasche aus Glas, 15 Cent für eine Mehrwegflasche aus Hartplastik, 25 Cent für Einwegflaschen und Dosen. (Symbolbild) © dpa | Lino Mirgeler

Raue Sitten: Streitigkeiten um Sammelgebiete

Am Signal Iduna Park hat Manuel seinen Stammplatz an Spieltagen auf Gleis 1, „oben beim Grill“. Er sammelt aber auch regelmäßig rund um den Hauptbahnhof, jedoch nie aus Mülleimern: „Genau genommen darf man das gar nicht, denn der Müll gehört dem Eigentümer der Tonne.“ Manchmal fährt er zum Sammeln bis nach Bielefeld, Hannover und zu besonderen Veranstaltungen wie dem Kölner Karneval.

Dabei laufe nicht immer alles harmonisch ab, da jeder Sammler bestimmte Gebiete für sich beanspruche: „Da wird schon für acht Cent fast das Messer gezogen. Das wird immer schlimmer“, berichtet Pinnecke. „Komme ich zu spät und da steht schon jemand anders, dann ist es schon nicht mehr mein Gebiet.“ Deshalb fange sein Tag schon morgens um 4 Uhr an und ginge gelegentlich bis abends 20 Uhr. Aber nicht täglich – er mache auch mal längere Pausen, manchmal sogar einen oder zwei Monate.

Die Ausbeute dürfe er bei Bekannten zwischenlagern und gebe sie nach und nach im Großhandel ab. Nach eigenen Angaben verdient Manuel sich so rund hundert Euro im Monat dazu und gibt sogar eine Steuerklärung ab. Manuels großer Traum wäre ein eigenes Wohnmobil für sich und seine Frau: „Das ist günstiger als Mieten und für mich der Inbegriff der Freiheit.“

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Kritik an Lebenshilfe und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt: „Wir sind nicht dumm“

Und der Flaschensammler hat noch einen dringenden Wunsch: „Ich möchte, dass im Bereich Lebenshilfe aufgeräumt wird. Dass die Leute, die da arbeiten, einen vernünftigen Lohn kassieren und nicht nur ca. 150 Euro im Monat. Das empfinde ich als Ausbeutung. Das ist moderne Sklaverei“. Inhabergeführte Firmen sollten ihrerseits mehr Menschen mit Beeinträchtigung einstellen und ihnen eine vereinfachte Ausbildung ermöglichen, damit sie dort arbeiten können: „Nur weil ein Mensch nicht gut reden oder lesen kann, ist er nicht dumm. Wir sind nicht dumm.“

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