Oberhausen/Duisburg. In einer Behinderten-Werkstatt wurde eine junge Frau umgebracht. Gericht fällt Urteil. Für die Eltern bleibt die wichtigste Frage unbeantwortet.
- Ende Februar erschütterte ein Todesfall eine Behinderten-Werkstatt in Oberhausen
- Eine junge Frau wurde leblos in einem Gebüsch gefunden; sie wurde umgebracht
- Das Landgericht Duisburg verurteilte nun einen heute 28-jährigen Kollegen der Frau
Zu einer achtjährigen Haftstrafe hat das Landgericht Duisburg einen jungen Oberhausener verurteilt, der sich dort seit Oktober wegen Mordes an seiner Kollegin in einer Lebenshilfe-Werkstatt für Menschen mit Behinderung verantworten musste. Ins Gefängnis muss der 28-Jährige aber zunächst nicht. Das Gericht hat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, so das Gericht in der Urteilsbegründung.
Verurteilt wurde der 28-.Jährige nach vier Verhandlungstagen wegen Totschlags. Der Angeklagte selbst hat zwar bis zuletzt zu den schweren Vorwürfen geschwiegen. Doch das Gericht hat „keine Zweifel, dass er der Täter ist“. Demnach hat der Oberhausener sein Opfer in einem Gebüsch auf dem Gelände der Königshardter Werkstatt mit einem Schlüsselband gedrosselt, mit seinen Händen gewürgt und mit seinen Fäusten oder einem Gegenstand auf das Gesicht der jungen Frau eingeschlagen. Der Todeskampf hat laut Obduktionsbericht mindestens fünf Minuten gedauert, wie die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer am Dienstag ausführte.
Lebenshilfe-Prozess: Sexuelles Motiv nicht nachgewiesen
Wie genau die Tat abgelaufen ist, kann im Detail nicht rekonstruiert werden. Auch zum Motiv blieben nach Prozessende viele Fragen offen. Auf die Frage „Warum musste unsere Tochter sterben?“ könne er den Eltern nur entgegnen: „Darauf haben wir keine Antwort“, so der Richter in seinem Schlusswort. Ein sexuelles Motiv, wie zunächst angenommen, könne dem Angeklagten nicht sicher nachgewiesen werden. Beziehungsaspekte könnten aber eine Rolle gespielt haben, dafür sprechen unter anderem Liebesbriefe, die gefunden wurden. Vom Opfer an den Angeklagten.
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Und auch der Angeklagte soll sexuell auffällig gewesen sein. Davon berichtete eine als Zeugin geladene ehemalige Angestellte der Lebenshilfe. Er soll von unglaubwürdigen sexuellen Abenteuern berichtet und einer hilfe- und schutzbedürftigen Lebenshilfe-Mitarbeiterin nachgestellt haben – obwohl ihm dies untersagt worden war.
Todesfall bei der Lebenshilfe: Angeklagter gab an, Blut trinken zu wollen
Insgesamt habe sie starke Wesensveränderungen bei dem jungen Mann festgestellt. So sei sie ihm einmal auf der Herrentoilette begegnet, wo sie die Papiertücher wechseln wollte. Wegen eines Personalengpasses sei sie entgegen der üblichen Praxis allein gewesen „und der Smalltalk ist schnell gekippt“. Er soll ihr erzählt haben, ein „Daywalker“, also eine Art Vampir zu sein und ihr Blut trinken zu wollen. „Der Blick hat mir gar nicht gefallen.“ Er soll sich wiederholt gewaltverherrlichend und sexualisierend geäußert haben.
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Der junge Mann sei „eigentlich ein schwacher Mensch, der Hilfe benötigt hätte“. Von Missbrauch im Kinderheim war die Rede, von ständiger Ablehnung, von Schlägen mit dem Gürtel. Bei der ehemaligen Angestellten seien „sämtliche Alarmglocken losgegangen“. Sie habe die jeweiligen Gruppenleiter der Lebenshilfe und den Sozialen Dienst informiert. Denn konkrete Hilfe könne die Einrichtung in solch einem Fall nicht leisten. „Wir können nur bescheid geben, aber niemanden behandeln.“
Eine deutliche Verhaltensstörung, eine leichte Intelligenzminderung sowie eine Autismus-Spektrum-Störung wird dem Angeklagten im psychiatrischen Gutachten attestiert. Allerdings hatte es die Gutachterin nicht leicht: Der Angeklagte hat sich geweigert, sich begutachten zu lassen. Der Expertin blieben also nur Krankenakten, ein Gutachten aus dem Jahr 2016 und ein Gespräch mit der behandelnden Psychologin in der forensischen Unterbringung.
DNA-Spuren belasten den Angeklagten
Ausschlaggebend für den Schuldspruch waren letztlich belastende DNA-Spuren am Körper der Toten. Zudem hatte ein Zeuge im Laufe des Prozesses ausgesagt, er habe Opfer und Angeklagten beobachtet. Beide seien in das Gebüsch gegangen. Doch nur der Angeklagte sei später wieder herausgekommen. „In der Gesamtbetrachtung aller Umstände bleiben keine Zweifel“, so der vorsitzende Richter am Dienstag.
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Ganz anders sah dies der Verteidiger des Mannes: Die DNA seines Mandanten könne auch zu einem früheren Zeitpunkt an den Körper der Frau gelangt sein. Und die Aussage des Belastungszeugen sei „nicht plausibel“ und habe „logische Brüche.“ So soll er seine Mittagspause an einem kalten Wintertag ohne Jacke draußen verbracht haben. „Das halte ich nicht für glaubwürdig“, so der Anwalt.
Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, das heißt, Anwalt und Angeklagter haben die Möglichkeit, das Urteil anzufechten. Sollte dies geschehen, wird sich erneut ein Gericht mit dem Fall befassen müssen.