Bottrop. Ihr Geschäft lohnt sich kaum noch, erzählen zwei Gastronomen. Sie wollen eine politische Trendwende – denn die Kosten steigen rasant.
Viele Gastronomie-Betriebe in Deutschland kämpfen ums Überleben. Während ihre Gäste für den Restaurantbesuch immer mehr bezahlen müssen, ist die Last hinter den Kulissen kaum noch auszuhalten: Explodierende Kosten im Einkauf, hohe Steuerabgaben, Personalmangel und steigende Versicherungsbeiträge. Zwei Bottroper Lokale berichten von dem enormen Druck in ihrer Branche, enttäuschten Kunden und Existenzängsten. Ein Restaurant möchte den Gästen in schwierigen Zeiten trotzdem etwas schenken.
Gastro-Steuer belastet Restaurants in der gesamten Bundesrepublik
Zum Hintergrund: Im Januar 2024 stieg die Mehrwertsteuer, auch genannt Gastro-Steuer, auf Speisen in Restaurants von sieben auf 19 Prozent. Dabei hatte sich die Regierung kurz zuvor noch auf eine Verlängerung der Absenkung geeinigt. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein-Westfalen (Dehoga NRW) verurteilte die Entscheidung als „schwarzen Tag für die Gastronomie“. Rund ein Jahr später fordert der Präsident des Dehoga, Guido Zöllick, erneut eine „einheitliche Besteuerung von Essen mit dem ermäßigten Satz für eine lebendige und vielfältige Gastro-Kultur“.
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Sowohl von den Gastronomen als auch von den Kunden wird die Steuer als „ungerechtfertigt“ wahrgenommen, zeigt eine Insa-Umfrage – 67,7 Prozent der Befragten sind sich dabei einig. Dadurch sind die Restaurantbesuche seitdem insgesamt zurückgegangen: 44,4 Prozent der Befragten seien wegen der Steuererhöhung seltener essen gegangen, heißt es. Besonders Geringverdiener müssen häufig verzichten (53 Prozent). Und selbst bei Haushalten mit einem Nettoeinkommen von 4000 Euro und mehr entscheiden sich 38,7 Prozent bewusst dazu, nicht das Lokal aufzusuchen.
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Zorbas in Bottrop: „Wir können nicht alle Kosten auf die Gäste umlegen“
„Alle stöhnen, weil das Geschäft echt hart geworden ist“, sagt Georgios Keskilidis. Der Chef des griechischen Restaurants Zorbas in Bottrop ist auch ein Jahr nach der Steuererhöhung noch enttäuscht von der Politik: „Sie wollten den Satz dauerhaft senken, das Versprechen haben sie nicht eingehalten“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.
In seiner Wahrnehmung gehen immer mehr Gastronomen in Deutschland deshalb insolvent: „Das wird uns auch hier treffen, vor allem die, die schlecht gewirtschaftet haben“, erklärt er. Für junge Betriebe sehe er erst recht keine Zukunft. „Wir haben hier zum Glück ganz gut zu tun, schließlich gibt es uns schon seit 27 Jahren.“

Der zentrale Grund für die Krise ist die Gastro-Steuer. „Wenn sie vorher 500 Euro Abgaben hatten, sind es nun 1000 Euro. Aber wir können dabei nicht alle Kosten auf die Kundschaft umlegen“, sagt Keskilidis. „Wirtschaftlich wäre es vielleicht richtig, wenn wir den Gyrosteller von 18 auf 22 Euro anheben. Doch dann säßen wir hier bald alleine.“ Demnach habe er im letzten Jahr seine Preise nur geringfügig angepasst.
Belastung der Restaurants zeigt sich an vielen Stellen
„Seit dem Ukrainekrieg hat sich der Preis für Öl verdoppelt, jetzt kommen auch Milchprodukte dazu, der Bierpreis ist gestiegen. Die Energie ist auch teurer geworden. Wir hatten in den letzten Jahren mehrfach eine Erhöhung des Mindestlohnes, die Beiträge für die Sozialversicherungen wurden angehoben“, berichtet der Zorbas-Chef.
Das alles führt dazu, dass Kekilidis beim Wareneinsatz mittlerweile gut 30 Prozent mehr zahlt als in den Vorjahren, die Kosten für das Personal seien um „locker 20 Prozent“ gestiegen. Um als Arbeitgeber – mit dem drohenden Personalmangel im Nacken – attraktiver zu werden, habe er seinen Mitarbeitenden eine 5-Tage-Woche angeboten.
Fratelli in Bottrop-Kirchhellen: Temperament zeigt, wie drastisch die Lage ist
Sergio Braccioforte ist Inhaber des Restaurants Fratelli in Bottrop-Kirchhellen. „Viele Restaurants waren vor der Pandemie bereits krank“, sagt er, „doch um gesund zu werden, haben wir nicht genug Zeit bekommen.“ Bereits 2024 stieg der zwischenzeitlich reduzierte Steuersatz auf Speisen wieder an.

„Es war wie ein Genickbruch“, sagt Braccioforte entschlossen. „Ich kenne keinen, der gut über die Runden kommt.“ Der finanzielle Druck habe sich seither so sehr erhöht, dass der Gastronom jeden Tag das Restaurant zweimal füllen muss (es gibt insgesamt 55 Plätze), damit er seine Kosten decken kann. „Dann haben wir noch kein Geld verdient. Wir können uns keinen Tag Pause leisten, Urlaub ist auch nicht drin.“
Damit das Geschäft läuft und nicht zu teuer wird, muss der Gastronom selbst voll anpacken: Insgesamt arbeite er rund 250 Stunden pro Monat, über 60 Stunden pro Woche, sowohl im täglichen Betrieb als auch hinter den Kulissen. Damit spart er Geld – doch es kostet ihn Kraft.
Bottroper Gastronom zahlt 7000 Euro mehr Steuerabgaben im Monat
„Heutzutage muss man exzellent aufgestellt sein als Gastronom“, sagt Braccioforte, „man muss ein Zahlenkenner sein, sich betriebswirtschaftlich super auskennen. Viele legen zu wenig Geld für die Steuern zur Seite.“ Diese Betriebe würden bei einer Insolvenzwelle als erstes untergehen.
Aktuell zahlt der Gastronom durch die gestiegene Mehrwertsteuer 6000 bis 7000 Euro im Monat mehr – bei gleichem Umsatz. Hinzu kommt: „Alle Lebensmittel, die wir für die italienische Küche brauchen, sind deutlich teurer geworden: Milch, Öl und Mehl haben sich verdoppelt in den letzten Jahren.“ Mehrwertsteuer, Personalkosten, Sozialversicherungsbeiträge, Berufsgenossenschaft und auch die steigenden Ausgaben und Kosten im privaten Haushalt sind eine zusätzliche Belastung. „Aktuell ist es ein Kampf, wir können nur hoffen, dass die Mehrwertsteuer gesenkt wird. Da führt kein Weg dran vorbei.“
Gastronom nimmt Verluste in Kauf: „Ich möchte den Leuten die Steuer schenken“
„Früher saßen die Leute länger hier“, sagt Keskilidis. „Selten bleiben sie jetzt nach dem Essen noch lange sitzen, auch Firmenfeiern sind überall weniger geworden.“ Gleichzeitig erzählt Braccioforte, dass seine Kunden nicht selten über die hohen Preise schimpfen würden. Und auch das Konsumverhalten hat sich verändert: „Es wird weniger Fisch gegessen, weniger Fleisch. Und alle Nebenprodukte, also Desserts, Vorspeisen und Kaffee fallen weg. Das Geld sitzt einfach nicht mehr so locker.“

Den Ärger seiner Gäste kann Braccioforte verstehen, eine weitere Preiserhöhung möchte er ihnen nicht zumuten. Stattdessen hat er sich für die Zeit vom 1. März bis Ende April ein Geschenk für seine Kunden überlegt: „Ich möchte gerne den Leuten etwas zurückgeben“, sagt der Gastronom. „Deswegen schenke ich allen als Dankeschön die Steuer auf Speisen bei uns im Restaurant, aber auch bei Bestellungen außer Haus.“ Das Angebot gilt von Dienstag bis Samstag jeweils zum Mittagstisch zwischen zwölf und 15 Uhr. „Mir ist klar, dass ich damit Verluste mache. Aber ich möchte allen etwas zurückgeben für die schwere Zeit, da sie kaum noch Geld haben, um Essen zu gehen“, erklärt Braccioforte.
Blick auf die Bundestagswahl: „Ich habe den Glauben in die Politik verloren“
CDU und FDP wollen jeweils die Gastro-Steuer von 19 auf sieben Prozent senken – das wäre doch ein guter Schritt nach der Bundestagswahl, oder? „Ich glaube das nicht“, antwortet Keskilidis. „Es wurde uns schon mal versprochen, geben sie mir einen Grund, es jetzt zu glauben. Ich wünsche mir eine Kehrtwende in der Politik. Eine Steuersenkung ist notwendig, sonst fahren wir bald in der Branche mit viel Tempo vor die Wand.“
Mit seinem italienischen Temperament reden sich Braccioforte in Rage: „Ich bin mir 100 Prozent sicher, dass es nicht mehr lange gut geht in der Gastronomie. Ich sage es ehrlich, ich habe den Glauben in die Politik verloren.“ Gibt es trotzdem etwas, das ihm derzeit Hoffnung macht? Er überlegt kurz. Dann antwortet er: „Nein, nichts. Dafür fehlt mir echt die Fantasie.“