Bottrop. Der letzte Lockdown liegt Jahre zurück, die Energiekrise ist ausgestanden, die Inflation auf Normalniveau. Warum die Essenspreise hoch bleiben.

Die enormen Preissteigerungen in Folge des Krieges in der Ukraine sind vorbei. Die Inflationsrate lag im August hierzulande nur noch bei 1,9 Prozent. Im August 2023 war sie noch mehr als dreimal so hoch. In Biergärten, Restaurants und Kneipen ist davon indes nichts zu spüren, im Gegenteil: Im Juli verteuerten sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts Hauptspeisen um 9,9 Prozent, alkoholische Getränke um 6,5 und Fastfood um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. 

Wir haben uns in der lokalen Szene umgehört und die Gastwirtinnen und -wirten in Bottrop gefragt: Warum senken Sie die Preise nicht?

Paulchen‘s Grill an der Prosperstraße in Bottrop

  • Westfälsche Grützwurst mit Zwiebel-Püree und Sauerkraut: 8,90 Euro
  • Großes Schnitzel „Wiener Art“: 9,50 Euro
  • Große Pommes: 3,90 Euro

Nicole Kulak, die um 11.30 Uhr in „Paulchen‘s Grill“ an der Prosperstraße gerade die Fritteuse anschmeißt, erinnert an „das Ehrenwort von Olaf Scholz“. 2021 sagte der damalige Kanzlerkandidat im Wahlkampf zum verringerten Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie: „Das schaffen wir nie wieder ab.“ Coronabedingt wurde die Steuer 2020 von 19 auf sieben Prozent herabgesenkt; seit Januar 2024 gilt dies nun nicht mehr.

Im Januar hoben deswegen viele Gastonomen die Preise an, so auch Kulak. Bei ihr waren es rund zehn Prozent. Das wäre auch ohne Mehrwertsteuer-Anhebung so gekommen, sagt sie. „Wir wären nicht zurechtgekommen mit den Preisen, wie sie waren.“ Dabei war die doch eigentlich als Unterstützungsmaßnahme gegen die Folgen der Corona-Pandemie gedacht – und die ist doch vorbei.

„Die Krise ist unter den Gastronomen noch gar nicht zu Ende“, kontert Kulak, die als Mitglied im Bundesverband Schnellgastronomie und Imbissbetriebe (BVI) gut vernetzt ist. Sie berichtet von Kollegen, die jetzt, nach der Stundung in den Krisenjahren, noch ihre Steuern nachzahlen müssen. Obendrauf kommen die erhöhten Energiekosten ab 2022. Sie selbst habe zuletzt fast 9000 Euro für Strom nachzahlen müssen. Und die Preise im Großmarkt seien – anders als in den Discountern – nicht annähernd wieder auf Normalniveau. „Die hohen Preise werden gehalten von den Großen. Jeder will verdienen“, ist sich Kulak sicher.

Angespannte Lage in der Gastronomie

Trotz steigender Verkaufspreise sind die Umsatz- und Gewinnzahlen in der Gastronomie massiv eingebrochen, wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband berichtet. So wurden einer Umfrage zufolge im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitrum rund zehn Prozent weniger umgesetzt, die Gewinne brachen sogar um rund 22 Prozent ein. Beinahe jeder vierte Betrieb gab an, eine Geschäftsaufgabe zu erwägen. „Wenn sich nichts ändert, stehen weitere Tausende Betriebe vor dem Aus“, warnte der DEHOGA-Präsident Guido Zöllick.

Star Döner in der Bottroper City

  • Döner: 6,80 Euro
  • Große Pizza: 7 bis 10,50 Euro
  • Große Pommes: 4 Euro

Mulla Batmann hat seine Preise im Januar nicht korrigiert. Die letzte Erhöhung liege schon drei Jahre zurück. Da kostete der Döner noch einen Euro weniger. Auch Batmann, der Star Döner seit 16 Jahren betreibt, klagt über hohe Einkaufskosten. Das Fleisch für seinen Spieß, den er selbst herstellt, werde alle paar Monate zehn bis dreißig Cent das Kilo teurer, die Kiste Tomaten liege bei um die 11 Euro; vor Corona seien es 5 gewesen.

Mulla Batmann präsentiert in seinem Imbiss einen Dönerteller. Seine Dönerspieße stellt er seit 16 Jahren selber her.
Mulla Batmann präsentiert in seinem Imbiss einen Dönerteller. Seine Dönerspieße stellt er seit 16 Jahren selber her. © Schlottmann

Seit der Pandemie sei mal viel und dann wieder gar nichts los. „Die Leute haben sich daran gewöhnt, zu Hause zu bleiben oder online zu bestellen“, vermutet Batmann. Stammkunden kämen statt dreimal nur noch einmal die Woche. „Wenn wir jetzt nochmal die Preise erhöhen, verlieren wir auch die noch.“

Drago Steakhouse an der Bottroper Gastromeile

  • Hüftsteak 200 g, Argentinisches Premium Black-Ranch-Beef: 18,90 Euro
  • Pommes: 3,90 Euro
  • Großes Stauder: 5 Euro

„Die Kauflaune ist getrübt, jeder guckt, was er bezahlen muss“, bestätigt Vojo Zeranovic, der seit 45 Jahren ein Steakhouse an Bottrops Gastromeile betreibt. Eine Folge sei immer mehr Leerstand. Zeranovic weist mit einer Handbewegung Richtung Altmarkt und sagt: „Hier geht es ja noch, aber woanders sieht es schlecht aus.“ Auch er hat im Januar rund zehn Prozent auf die Preise geschlagen. Grund auch hier: die Mehrwertsteuer, sowie erhöhte Personal- und Energiekosten.

Imbiss am Tetraeder an der Beckstraße

  • Currywurst: 3,50 Euro
  • Mittlere Pommes: 2,80 Euro
  • Mayo, Ketchup: 60 Cent

Das einzige, was billiger wurde, ist das Frittierfett, sagt Stefan Otte, der gemeinsam mit seinem Bruder Martin Otte am Fuße der Halde Beckstraße einen Imbiss führt. Currywurst und Pommes kosten hier seit diesem Jahr 10 Cent mehr. Sein Betrieb sei relativ gut durch die Pandemie gekommen. Die Menschen gingen vermehrt spazieren und bestellten auf die Hand. Auch jetzt könne er sich über das Kundenaufkommen nicht beklagen. „Wir haben eher Angst, dass der Kartoffelpreis nochmal steigt.“

Mio 1889 an Bottrops Gastromeile

  • Burger: ab 13,50 Euro
  • Kuchen: 4,50 Euro
  • Cappuccino: 3,60 Euro

Das Mio 1889 gibt es erst seit 2023. Als Mario Grube mit seinem Lokal an der Start ging, war die Corona-Pandemie weitestgehend ausgestanden. Als einer der wenigen beklagt er sich nicht über die Mehrwertsteuer. „Die Absenkung war eine Hilfe in der Corona-Zeit, jetzt ist die Steuer eben wieder wie vorher.“ Seine Preise habe er bislang nur minimal, „hier und da um zehn Cent“ angehoben.

Das Mio 1889 gibt es seit 2023. Mittlerweile hat es sich an der Gastromeile fest etabliert.
Das Mio 1889 gibt es seit 2023. Mittlerweile hat es sich an der Gastromeile fest etabliert. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Worüber er sich dagegen ärgert, ist der aktuelle Mindestlohn von 12,41 Euro. Aufgrund der Arbeitsmarktlage müsse er selbst mit jungen Berufsanfängern verhandeln, erfahrene Kräfte forderten noch einmal mehr Lohn. Trotz vergleichsweise hoher Energie-, Personal- und Materialkosten ist er überzeugt: „Ob ein Laden funktioniert oder nicht, hängt davon ab, ob ich mit meinem Konzept begeistern kann“. Stimme das Gesamtpaket, seien die Kunden auch bereit, etwas mehr zu bezahlen.

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