Bottrop. Mit 71 Jahren geht Christina Maniatopoulos schweren Herzens in den Ruhestand. Ihre Bottroper Änderungsschneiderei gibt sie in neue Hände.
Es fällt ihr schwer. Als sie erzählt von den langen Jahren ihrer Selbstständigkeit, von ihrer Liebe für den Umgang mit Stoffen, das Nähen, das Beraten von Kunden, treten immer wieder Tränen in Christina Maniatopoulos‘ Augen. Nach 48 Jahren hat die Bottroperin ihre Änderungsschneiderei jetzt in neue Hände gegeben. Mit bald 72 Jahren darf man schon in Rente gehen, weiß sie. Aber würde die Gesundheit ihr nicht zu schaffen machen, sie würde ohne Zweifel weiter in dem Laden an der Horster Straße stehen, den sie nun ihrem Nachfolger Daniel Haidari (40) anvertraut hat: „Der kann was!“
Bottroper Traditionsschneiderin glaubt an die Zukunft der Änderungsschneiderei
Denn an die Zukunft der Änderungsschneiderei, in der auch Maßanfertigungen möglich sind, glaubt Christina Maniatopoulos ganz bestimmt. Zwar würden viele junge Leute durchaus auf günstige Kleidung setzen und dann, geht zum Beispiel viel zu schnell der Reißverschluss kaputt, einfach wieder was Neues kaufen.
Aber gerade die Generation ab 35, 40 Jahren setze ihrer Erfahrung nach mehr auf Qualität. Und auch einen Trend zur Nachhaltigkeit beobachten Christina Maniatopoulos und ihr Nachfolger Daniel Haidari: „Gehen Jeanshosen zum Beispiel am Knie kaputt, sagen die Leute: Kaufe ich eine neue, ist die auch bald wieder hin. Ich lasse sie lieber ausbessern“, meint sie. Ihr Nachfolger ergänzt: „Oft lassen Kunden ihre Jeans anpassen, weil sie zu lang ist.“ Oder sie lassen einen lang gepflegten Anzug ändern, der aufgrund von Gewichtsab- oder Zunahme nicht mehr sitzt. Bringen ein geliebtes Kleid vorbei, dessen Schnitt modernisiert werden soll.
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Für Kundinnen und Kunden, die wegen ihrer Größe oder ihrem Gewicht kaum Kleidung „von der Stange“ bekommen, kann Daniel Haidari ebenso Kleidung nach Maß anfertigen wie für die, die sich zur Hochzeit oder besonderen Festlichkeiten etwas Einzigartiges gönnen wollen. Karnevalisten sind hier ebenfalls an der richtigen Adresse – und Geistliche: „Ich fertige auch Talare nach Maß“, berichtet der Schneider.
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Und wenn es um Emotionen geht, sind die Menschen bei diesen beiden hier auch richtig: „Ich hatte mal eine Kundin, die wollte ihr eigenes Taufkleid, das ich vor 35 Jahren für sie gefertigt hatte, umarbeiten lassen.“ Das rosa Futter sollte durch blaues ersetzt werden – für die Taufe ihres kleinen Sohnes. Christina Maniatopoulos kann einige solcher Geschichten erzählen.
Bottroperin stammt aus einer Schneiderinnen-Dynastie
Sie selbst stamme aus einer Schneiderinnen-Dynastie, erzählt Christina Maniatopoulos. Mutter, Oma und Uroma hätten das Handwerk ebenfalls ausgeübt. „Die Ausbildung habe ich bei meiner Mutter gemacht.“ Zur Anerkennung dieser habe sie eine Vergleichsprüfung absolviert.
Die kleine Christina war vier Jahre alt, als sie mit ihrer Familie aus Griechenland, genauer aus Kavala, nach Deutschland kam. Heute ist sie Bottroperin, durch und durch, wie sie bemerkt.
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Mit ihrem Mann zusammen, der ebenfalls Grieche und Schneidermeister war, eröffnete sie zunächst einen Laden in Essen-Borbeck, danach übernahmen sie die Änderungsschneiderei ihrer Mutter an der Prosperstraße. Nach dem Tod ihres Mannes führte die Bottroperin das Geschäft alleine weiter, zwischenzeitlich mit zwei Standorten, an der Essener Straße in Stadtmitte und eben an der Horster Straße. Ein Hörsturz mit bleibendem Tinnitus hat sie dann aber gezwungen, kürzer zu treten. Wichtig war ihr, einen Nachfolger zu finden, „der den Ansprüchen meiner Kunden genügt“.
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Mit Daniel Haidari hatte sie schon während der Corona-Zeit zusammengearbeitet, erzählt die 71-Jährige. Er kommt aus Afghanistan. „Ich habe als Neunjähriger angefangen, Schneider zu lernen“, berichtet er. „Damals musste man als Kind sein Brot verdienen.“
Das Schneiderhandwerk in Afghanistan schon als Kind gelernt
In Afghanistan habe er bereits einen Laden geführt, „aber durch die politische Situation konnten wir nicht weiter dort leben“. Vor mittlerweile zwölf Jahren ist Daniel Haidari nach Deutschland gekommen. Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie habe er einen Laden in Düsseldorf eröffnet, die Krise damit aber nicht überstanden. Zwischenzeitlich arbeitete er angestellt in Duisburg, erzählt der 40-Jährige, „aber ich war mit Christina immer in Kontakt“. Und sie hatte ihn gleichermaßen schon länger im Blick: „Ich dachte immer, wenn es einmal einen Nachfolger für mich hier gibt, dann ihn.“
Mit ihrem Nachfolger versteht sich Christina Maniatopoulos so gut, dass sie bei ihm jederzeit willkommen ist, einfach um einen Kaffee zu trinken, zu quatschen oder bei der Dekoration zu helfen. Das erleichtert ihr den Abschied, denn: „Das hier war mein Leben.“