Bottrop. Bei akuten Krankheitsausfällen sollen Kitas den Personalschlüssel ändern können. Brauchen – und begrüßen – Bottroper Kitas diese Maßnahme?
Die NRW-Landesregierung sieht eine Lockerung der Personalvorgaben in Kitas vor. Im Hintergrund stehen landesweit Meldungen von Notbetreuungen und Gruppenschließungen aufgrund von Personalmangel und Krankheitswellen. Ist das auch in Bottrop ein Problem – und werden gelockerte Personalvorschriften von den Trägern vor Ort begrüßt? Wir haben nachgefragt.
Zum Hintergrund: Kitas sollen bei akuten Krankheitsausfällen vorübergehend auch dann geöffnet bleiben dürfen, wenn nur noch eine sozialpädagogische Fachkraft für maximal 60 Kinder da ist. Parallel sollen verstärkt Ergänzungskräfte wie Kinderpfleger, Sozialassistenten oder Heilerziehungshelfer in den Gruppen zum Einsatz kommen. Im Notfall können die ergänzenden Kräfte für einen begrenzten Zeitraum für die ausgefallene sozialpädagogische Fachkraft, also eine ausgebildete Erzieherin, einspringen. Pro Kita-Gruppe müssen immer mindestens zwei Kräfte die Betreuung übernehmen. Unter diesen Not-Bedingungen sollen Kitas einmal im Jahr für höchstens sechs Wochen arbeiten dürfen. Und: In Gruppen mit Kindern unter drei Jahren oder Kindern mit Behinderung soll eine weitere Fachkraft anwesend sein.
Kita Regenbogen in Bottrop musste wegen Personalmangel noch nicht schließen
Sandra Beckhoff leitet die Kita Regenbogen e.V. in Welheim, hinter der eine Elterninitiative steht. Zur Personalsituation der Einrichtung sagt sie: „Die Kita Regenbogen musste wegen Personalmangel noch nicht komplett schließen. Sehr selten haben wir in der Vergangenheit zeitlich früher geschlossen oder Gruppen zusammengelegt.“ Die Corona-Zeit nicht mit betrachtet. Die Einrichtung umfasst vier Gruppen.
Die Kita-Leiterin erklärt weiter: „Wir haben ein großes Team, die meisten davon arbeiten schon lange bei uns. Natürlich gibt es die Erkältungszeiten, wo mehrere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fehlen. Bislang konnten wir es aber immer auffangen, sodass die Eltern von Schließungen verschont blieben.“
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Den Lockerungen der Personalvorgaben sieht Sandra Beckhoff mit gemischten Gefühlen entgegen: „Auf der einen Seite verstehe ich absolut die Not von berufstätigen Eltern, auf der anderen Seite steht unsere Kita für qualitativ gute pädagogische Arbeit und nicht als Verwahranstalt.“ Der Beruf des Erziehers/der Erzieherin sollte attraktiver gemacht werden, findet sie – das geschehe nicht, wenn eine Fachkraft für 60 Kinder zuständig sein solle.
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„Dem Fachkräftemangel versuchen wir entgegenzusteuern, indem wir jedes Jahr Ausbildungsplätze anbieten. Mehr als zwei Plätze können wir uns allerdings nicht leisten“, so Beckhoff weiter. „Natürlich würden den Kitas auch eine bessere Finanzierung helfen, um mehr Personal einzustellen. Dann hätte man automatisch weniger personelle Engpässe.“
Die Kita-Eltern sehen – wie viele andere landesweit, die schon Online-Petitionen zu dem Thema unterstützen – der neuen Regelung kritisch entgegen, berichtet Sandra Beckhoff. „Wir hoffen, dass wir auch in Zukunft unseren pädagogischen Auftrag gut erfüllen können.“
Städtische Kitas in Bottrop: Ein Schließungstag im ganzen Jahr 2024
Die Frage nach einem möglichen Personalmangel und daraus folgenden Schließungstagen beantwortet die Stadt für die neun Kitas in ihrer Trägerschaft so: „Wir sind in den städtischen Kitas sehr gut aufgestellt. Es gibt 143 pädagogische Kräfte. Nur eine Stelle ist derzeit vakant. Zusätzlich gibt es für die städtischen Kitas derzeit elf Fachkräfte als Springerinnen und Springer.“ Ab April 2025 sollen es sogar wieder zwölf sein, denn dann fange ein Erzieher im Springerpool neu an.
„Aufgrund dieser guten Situation hatten wir im gesamten Jahr nur an einem Tag aufgrund von Krankheit die Notwendigkeit, die Eltern bei einer städtischen Einrichtung zu bitten, ihre Kinder, wenn möglich, zu Hause zu lassen. Die Betreuung der Kinder, deren Eltern aufgrund von Berufstätigkeit dringend auf Betreuung angewiesen waren, wurde sichergestellt“, so Stadtsprecherin Jeanette Kuhn. Eine andere städtische Kita habe an einem Tag um 14 Uhr schließen müssen.
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Der Krankenstand in den städtischen Kitas „ist auf einem normalen Niveau und kann größtenteils durch die im Springerpool beschäftigten Fachkräfte aufgefangen werden.“ Die Stadtsprecherin betont: „Diese Fachkräfte-Reserve vorzuhalten ist eine freiwillige Leistung der Stadt Bottrop, um für die Familien eine hohe Verlässlichkeit bei der Kinderbetreuung zu gewährleisten. Trotz der angespannten städtischen Finanzen wird der Springer-Pool weiter finanziert, weil wir wissen, dass verlässliche Betreuung für Familien eine große Bedeutung hat. Das ist auch uns sehr wichtig.“
Vor diesem Hintergrund, so Jeanette Kuhns Einschätzung, ist eine mögliche Lockerung der Personalvorgaben in den städtischen Kitas derzeit gar kein Thema.
Katholische Kitas in Bottrop: „Personalsituation ist stabil“
Der katholische Kita-Zweckverband im Bistum Essen, Träger von 14 Einrichtungen in Bottrop, teilt mit: „Die Personalsituation in den Bottroper Kitas des Kita Zweckverbandes ist weitestgehend stabil. Vereinzelt treten Krankheitsfälle auf. Sowohl Kinder als auch Personal sind betroffen. Aktuell gibt es keine Einschränkungen im Betreuungsangebot.“ In anderen Regionen hätten einzelne Kitas aufgrund von Infektionskrankheiten ihre Öffnungszeiten vorübergehend reduzieren müssen.
Mit der neuen Personalverordnung wolle das Ministerium insbesondere dem Wunsch von Familien nach verlässlicher Betreuung nachkommen, so der Verband. Die Verordnung „eröffnet, wie Personen, die keine ausgebildeten Kräfte der frühkindlichen Bildung sind, im System der Elementarpädagogik eingesetzt werden können. Außerdem wird die Möglichkeit geschaffen, dass Kindertageseinrichtungen in akuten Notsituationen einen anderen Personalschlüssel als bisher vorhalten können.“
Der Einsatz von Personal, das nicht in der frühkindlichen Bildung geschult ist, nehme viel Zeit- und Personalressource in Anspruch. Fachfremde Mitarbeitenden müssten eingearbeitet und fachlich qualifiziert werden. „Der Kita Zweckverband erkennt das Potenzial in derartigen Maßnahmen, wenngleich der Aufwand für die Begleitung hoch ist“, teilt Sprecherin Lina Strafer mit.
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Grundsätzlich stehe für den Kita Zweckverband die Sicherung der Bildungsqualität immer an erster Stelle. Reine Betreuung allein reiche nicht. Entsprechend setze der Träger „alles daran, ausreichend qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu binden“. Zu den Personalmaßnahmen gehöre daher unter anderem ein strategisches Recruiting, die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften sowie ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement.