Bottrop. Mehr Männer und Frauen schlafen in Bottrop auf der Straße. Die Stadt möchten ihnen verbesserte Hilfsangebote machen. Doch dabei gibt es Grenzen.
In einem Hauseingang an der Osterfelder Straße in der Bottroper Innenstadt hockt ein schmaler Mann. Die Kapuze schützend über den Kopf gezogen, kramt er in zerknitterten Papiertüten. Einige Häuser weiter steht ein einsamer Koffer vor einer Tür, darauf eine Einkaufstasche mit Schlafsack und Isomatte, daneben ein Pappbecher. Wohl die ganze Habe von jemandem, dessen Zuhause die Straße ist.
Lange war Wohnungslosigkeit, wiewohl in den vergangenen Jahren steigend, in Bottrop ein wenig sichtbares Problem. Zwar betreut zum Beispiel die Evangelische Sozialberatung (ESB) aktuell rund 280 Menschen ohne festes Mietverhältnis oder Postadresse, doch diese schlafen in der Regel nicht auf der Straße, sondern finden mal hier, mal dort Möglichkeiten unterzukommen. „Sofa Hopper“ nennt man diese Wohnungslosen, sagt Oliver Balgar, Abteilungsleiter der diakonischen Einrichtungen.
Sichtbare Obdachlosigkeit: Stadt Bottrop entwickelt mit Partnern neue Konzepte
Doch inzwischen ist die Obdachlosigkeit auch auf den Bottroper Straßen angekommen, sicht- und fühlbar, mitten in der Stadt. Das Sozialamt will derzeit gemeinsam mit der ESB und auch dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) neue Konzepte zur gezielten Hilfestellung für diese Menschen entwickeln.
Was nicht bedeutet, dass ihnen nicht jetzt auch schon Hilfsangebote gemacht würden, betont Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert. Doch diese hätte Grenzen.
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Konkret zählen die Fachleute derzeit in Bottrop vier Männer und drei Frauen, die dauerhaft draußen schlafen. Teilweise seien diese zuvor schon an Hilfsangebote angedockt gewesen, hätten das aufgrund vielleicht von Sucht- oder auch psychischen Erkrankungen aber unterbrochen. „Für diese Menschen ist es krankheitsbedingt oft schwer, Angebote anzunehmen“, verdeutlicht Oliver Balgar.
Manche hätten auch den Anspruch, es alleine schaffen zu können. Wichtigstes Ziel sei daher für die Sozialarbeiter, den Draht zu den Obdachlosen, die ihnen teils über Jahre schon bekannt sind, zu halten. „Unser Minimalziel ist, dass jeder überleben kann“, so Balgar.
Ein Großteil derer, die heute sichtbar auf der Straße leben, hätten früher geregelte Jobs gehabt, sagt Timo Tolksberg, Sozialarbeiter bei der Stadt. Ein (familiärer) Schicksalsschlag, eine Sucht, psychische Probleme oder andere Erkrankungen seien zum Beispiel Gründe dafür, dass das bisherige Leben kippe.
Notunterkunft am Borsigweg in Bottrop wird von manchen Obdachlosen abgelehnt
Draußen schlafen müssten sie alle nicht, betonen die Verantwortlichen. In den städtischen Notunterkünften am Borsigweg gebe es 80 Schlafplätze, die bei Bedarf noch aufstockbar seien, berichtet Sozialamtsleiter Sascha Borowiak. Doch manche Obdachlose möchten oder können die Notunterkünfte nicht aufsuchen. Weil sie es zum Beispiel nicht aushalten, eingeengt zu sein, in einem Raum mit jemand anderem zu übernachten. Die Umgestaltung der Unterkünfte wird daher gerade in der Konzeptionierung mit überlegt.
„Am Borsigweg“, bestätigt Carina Dill von der ESB, „treffen viele Menschen zusammen, die alle ihre Probleme haben. Das macht es so schwierig. Wir suchen auch nach anderen Lösungen.“ Letztlich müssten Hilfsangebote aber auch angenommen werden bzw. angenommen werden können, verdeutlicht Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert mit Blick auf die schweren persönlichen Problemlagen. Dazu gezwungen werden könne niemand. Gleichzeitig betont sie: „Wir lassen diese Menschen nicht alleine.“
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Neben dem Kontakthalten und dem stetigen Verweis auf Angebote von der ESB übers Sozialamt bis hin zur Notunterkunft gibt es zum Beispiel konkrete Überlebenshilfen, angeschafft mit Landesmitteln, wie Oliver Balgar berichtet. Davon würden etwa Zelte, Decken, Thermo-Unterwäsche angeschafft und verteilt.
Obdachlose verhalten sich im Stadtbild teils auffällig
Involviert in die Thematik ist zudem der Fachbereich Ordnung mit dem Kommunalen Ordnungsdienst. „Manchmal verhalten sich diese Menschen im Stadtbild auffällig“, sagt die Sozialdezernentin. „Auch für die Gewerbetreibenden ist das nicht ideal.“ Immer wieder sieht man auch Obdachlose, die sich in Eingangsbereichen von Geschäften oder Banken aufhalten. Jemanden gegen seinen Willen mitnehmen aber könnte man nur, wenn die Menschen massiv selbst- oder fremdgefährdend seien. „Die Hürde ist relativ hoch“, betont Karen Alexius-Eifert.
Die meisten Anfragen, die bezogen auf Obdachlose bei der Stadt eingehen, seien indes keine Beschwerden, sondern zeugten von der Sorge der Bottroper um ihre Mitmenschen. Und tatsächlich kann jeder helfen, gerade wenn jetzt der Winter mit kalten Temperaturen kommt.
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Denn laut Oliver Balgar besteht Bedarf über das hinaus, was an Winterhilfe über Landesmittel angeschafft wird. Wintermäntel oder Winterschuhe in passenden Größen würden gebraucht, Handschuhe, aber zum Beispiel auch ausrangierte, aber noch funktionstüchtige Handys. „Die Menschen sind oft von der Kommunikation abgehängt“, verdeutlicht Balgar. Es sei wichtig für sie, zumindest die Möglichkeit zu haben, einen Notruf abzusetzen – was insbesondere Frau die Frauen gelte, die auf der Straße leben. Wer helfen möchte, sollte sich an die ESB wenden (02041 317055).
Zugriff auf das Hilfsmaterial für die Verteilung könnte der KOD haben, ist eine aktuelle Überlegung.