Bottrop. Eine Studie liefert neue Ergebnisse zu den Effekten der Vier-Tage-Woche. Ein Vergleich mit den Erfahrungswerten zweier Bottroper Betriebe.

Ein halbes Jahr lang haben 45 Unternehmen in Deutschland für eine Studie der Universität Münster die Vier-Tage-Woche in unterschiedlichen Zeitmodellen ausprobiert. Verschiedenste Branchen haben ihr Zeitmodell geändert und entweder die Arbeitsstunden pro Woche verkürzt oder einen Arbeitstag gestrichen. Das sagen zwei Bottroper Unternehmer, die die Vier-Tage-Woche seit mindestens anderthalb Jahren nutzen, zu den Ergebnissen.

In diesen Bottroper Betrieben läuft die Vier-Tage-Woche schon länger

Markus Lakenbrink führt den Heizungs- und Klimatechnikbetrieb „Helmut Lakenbrink & Sohn Nachf. GmbH“ in Bottrop. In seinem Betrieb hat sich die Zahl der Wochenstunden nicht reduziert. Durch eine Umverteilung auf die anderen Werktage seit Juli 2022 haben die Mitarbeiter aber freitags frei.

Friseurmeisterin Sandra Pawlenka-Viehweg hat die Vier-Tage-Woche im Juni 2023 in ihrem Salon „Pawlenka“ eingeführt. Ihre Friseurinnen arbeiten seither am Donnerstag bis 20.30 Uhr, um am Samstag freizuhaben. Der Samstag wird durch den langen Donnerstag aufgefangen. Die Zahl der wöchentlichen Arbeitsstunden ist nahezu identisch.

Vier-Tage-Woche in Bottrop: Erholung und Gesundheit der Mitarbeiter

Die Teilnehmer der Münsteraner Studie berichteten, dass sich ihr körperlicher und mentaler Gesundheitszustand deutlich verbesserte, was Smart-Watch-Daten zu Schrittzahlen, Schlaf und körperlicher Aktivität bestätigten. Die Zahl der Abwesenheitstage ging jedoch nicht zurück.

Zum Thema Gesundheit erzählt Lakenbrink, er habe dieses Jahr zufällig einen hohen Krankenstand gehabt, unter anderem durch Sportunfälle. Dass seine Handwerker dann einen Tag mehr zur Erholung hätten, findet er positiv. Aus dem Friseursalon „Pawlenka“ berichtet man Ähnliches: Die Zahl der Krankheitstage sei vergleichbar mit dem Niveau vor der Umstellung des Zeitmodells.

Freizeit bei vier Arbeitstagen in der Woche: Hilft die Umverteilung der Stunden?

Durch das neue Zeitmodell hätten viele Arbeitnehmer laut Studie mehr Zeit für Familie, Freunde, Sport und sich selbst. Ungefähr bei einem Sechstel erfüllte sich der Wunsch nach genügend Familienzeit, sodass etwa die Hälfte damit zufrieden war.

Markus Lakenbrink führt den Heizungs- und Sanitärbetrieb „Lakenbrink & Sohn“ in Bottrop. Dort haben die Mitarbeiter seit zweieinhalb Jahren freitags frei.
Markus Lakenbrink führt den Heizungs- und Sanitärbetrieb „Lakenbrink & Sohn“ in Bottrop. Dort haben die Mitarbeiter seit zweieinhalb Jahren freitags frei. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Lakenbrink kann dem nur zustimmen: „Ich habe von meinen Jungs gehört, dass sie ihre Freizeit jetzt mehr nutzen können.“ Sandra Pawlenka-Viehweg erzählt, ihre Friseurinnen hätten den Wunsch nach einem freien Samstag unter anderem geäußert, um mehr Zeit mit der Familie zu haben.

Finanzielle Lage: Was sagen die Bottroper Betriebe zur Vier-Tage-Woche

Gewinn und Umsatz blieben bei der Studie im Schnitt auf einem stabilen Niveau im Vergleich zum Vorjahr. Die Friseurmeisterin schließt sich den Ergebnissen des Forschungsprojekts an: „Das ist bei uns auch so.“ Markus Lakenbrink kann für seinen Betrieb nur mutmaßen: „Es geht eher bergab, aber das ist der allgemeinen wirtschaftlichen Lage geschuldet. Ansonsten bliebe es vermutlich gleich.“

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Recruiting im Bottroper Handwerk: Hilft das alternative Zeitmodell?

Insgesamt förderte die Umstellung zwar die Mitarbeiterzufriedenheit, die Zufriedenheit mit dem Job an sich verbesserte sich aber kaum. Unternehmen berichteten von mehr Erfolgen beim Anwerben und Halten von Mitarbeitern, die Zahlen bestätigten das jedoch nicht in dem Ausmaß.

Da Markus Lakenbrink vor kurzem drei Monteure wegen des Auftragrückstaus gehen lassen musste, bezeichnet der Heizungstechniker Recruiting aktuell als „einen Blick in die Kristallkugel“. Seine Handwerkskollegin Pawlenka-Viehweg ist sich sicher, dass das Zeitmodell langfristig attraktiver macht. „Wir im Handwerk quellen ja nicht gerade vor Bewerbern über“, sagt sie. Da sei ein weiterer freier Tag eine Möglichkeit, mehr Menschen für den eigenen Betrieb zu gewinnen. Die Friseurmeisterin habe zwar seit der Umstellung eine Auszubildende dazugewonnen, ob das aber an den Arbeitszeiten im Salon liegt, wisse sie nicht.

Im Bottroper Friseursalon „Pawlenka“ gilt die Vier-Tage-Woche seit anderthalb Jahren. Die Chefin ist mit dem Zeitmodell zufrieden.
Im Bottroper Friseursalon „Pawlenka“ gilt die Vier-Tage-Woche seit anderthalb Jahren. Die Chefin ist mit dem Zeitmodell zufrieden. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Zukunft der Vier-Tage-Woche in Bottrop

Fast dreiviertel der Unternehmen wollten die Vier-Tage-Woche über den Testzeitraum der Studie hinaus weiterführen. Unter den Mitarbeitern wünschten sich 83 Prozent, weiter mit diesem Zeitmodell zu arbeiten.

Markus Lakenbrink sagt: „Wir haben dieses Zeitmodell schon über zwei Jahre und bleiben auch dabei. Gegebenenfalls müssen wir die Arbeitszeiten durch den Notdienst kurzzeitig aufweichen.“ Auch Sandra Pawlenka-Viehweg sagt, sie bleibe „definitiv“ bei dem Modell: „Einfach, um die Arbeit attraktiver zu gestalten.“

>>> Vier-Tage-Woche: So funktionierte die Studie aus Münster

Ein Team der Universität Münster hat eine Studie zu den Auswirkungen der Vier-Tage-Woche durchgeführt. Das Forschungsprojekt bezog sich auf Daten von Fitness-Tracker, Haarproben, Umfragen und Interviews. Letztendlich reduzierten die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit um knapp vier Stunden oder einen halben Tag. Mehr zu den Ergebnissen lesen Sie hier: www.wiwi.uni-muenster.de