Essen. Evonik-Chef Kullmann sieht positive Effekte durch den Sparkurs. Mit Blick auf die US-Wahl und Trump hat Kullmann klare Erwartungen.

Beim unter Druck geratenen Essener Chemiekonzern Evonik laufen die Geschäfte wieder etwas besser. In den Monaten Juli bis September habe das Unternehmen „deutlich mehr verdient als im Vorjahreszeitraum“, teilte Evonik in der aktuellen Zwischenbilanz mit. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sei von um 19 Prozent auf 577 Millionen Euro gestiegen. Damit setzt sich ein Trend fort. In den ersten neun Monaten des Jahres 2024 hat der Konzern mit 1,68 Milliarden Euro bereits mehr Betriebsgewinn erwirtschaftet als im gesamten vergangenen Geschäftsjahr.

Entsprechend zufrieden zeigt sich Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann. „Wir liefern das dritte erfreuliche Quartalsergebnis in Folge“, sagt er. „Das ist umso bemerkenswerter, als dass uns der Gegenwind der Konjunkturkrise kalt ins Gesicht bläst.“

In den vergangenen Monaten hatte Kullmann dem Unternehmen teils harte Einschnitte verordnet. So ist unter anderem der Abbau von 2000 Arbeitsplätzen geplant, 1500 davon in Deutschland. Das Evonik-Management plant zudem die Schließung von Anlagen sowie Firmenverkäufe. Weltweit gehören rund 32.000 Beschäftigte zu Evonik. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten des Chemiekonzerns liegt in Nordrhein-Westfalen. Große Evonik-Standorte befinden sich unter anderem in Marl im nördlichen Ruhrgebiet, in Wesseling bei Köln und am Konzernsitz in Essen.

Gewinn-Margen von Evonik teils deutlich gestiegen

Evonik bündelt die Geschäfte in vier Divisionen rund um Produkte für die Pharma-, Kosmetik- und Ernährungsindustrie („Nutrition & Care“), Werkstoffe („Smart Materials“), Additive für die industrielle Anwendung („Specialty Additives“) sowie rohstoff- und energieintensive Basischemie („Performance Materials“). Als „Wachstums-Divisionen“ betrachtet Vorstandschef Kullmann die drei zuerst genannten Bereiche. Hier haben sich die Gewinn-Margen zuletzt teils deutlich verbessert, wie der aktuellen Quartalsbilanz zu entnehmen ist. So ist die sogenannte Ebitda-Marge Unternehmensangaben zufolge im Bereich „Specialty Additives“ von 19,6 Prozent im Vorjahresquartal auf nunmehr 23,2 Prozent gestiegen.

Die Evonik-Zentrale in Essen: Der Vorstand hat die gesamte Verwaltung auf den Prüfstand gestellt und einen Sparkurs ausgerufen.
Die Evonik-Zentrale in Essen: Der Vorstand hat die gesamte Verwaltung auf den Prüfstand gestellt und einen Sparkurs ausgerufen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Unser Kurs ist gut und unsere Mannschaftsleistung stark“, betont Evonik-Chef Kullmann. Sein Ziel ist, sich künftig auf die „stärksten Geschäfte“ innerhalb des Konzerns zu fokussieren. Andere Aktivitäten stellt der Evonik-Vorstand zum Verkauf – so unter anderem das Geschäft mit Polyestern für Lack- und Klebstoffanwendungen. Den größten Standort in diesem Bereich betreibt Evonik derzeit mit rund 250 Beschäftigten in Witten.

Evonik-Finanzchefin Schuh: „Arbeiten uns aus der Talsohle von 2023“

Evonik-Finanzchefin Maike Schuh sagt, es gehe um „mehr Fokus auf die richtigen, weniger konjunkturabhängigen Märkte“ und „Kostendisziplin“. Diese Strategie zahle sich aus. „Wir arbeiten uns aus eigenen Kräften immer weiter aus der Talsohle von 2023 heraus“, erklärt die Managerin.

Im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres sei der Umsatz um zwei Prozent auf 3,83 Milliarden Euro gestiegen. Die Preise seien stabil geblieben, die Absatzmengen um fünf Prozent gewachsen. Konzernweit habe sich die Gewinn-Marge (bereinigte Ebitda-Marge) auch „dank anhaltend strikter Kostendisziplin“ von 12,9 Prozent auf 15,1 Prozent verbessert.

Vor einigen Monaten hatte Konzernchef Kullmann die gesamte Verwaltung des Unternehmens auf den Prüfstand gestellt. Durch gedrückte Kosten und den Aufbau einer „schlanken Organisation“ rechnet das Management im laufenden Jahr bereits mit Einspareffekten in einer Gesamthöhe von etwa 400 Millionen Euro.

Kullmann zur Wahl von Trump: „Das politische System in den USA verschiebt sich“

In den USA hat Evonik sein Geschäft als Zulieferer für die Pharmaindustrie ausgebaut. Entsprechend aufmerksam verfolgt das Management in Essen die Wahlergebnisse. „Das Ergebnis ist eindeutig. Donald Trump wird Präsident, die Republikaner haben künftig auch die Mehrheit im Senat. Das politische System in den USA verschiebt sich, ebenso wie in großen Teilen Europas, ins Konservative“, sagt Vorstandschef Kullmann auf Anfrage unserer Redaktion. „Trump wird seine Gestaltungsmacht einsetzen, um amerikanische Interessen gerade auch in der Wirtschafts- und Industriepolitik energisch durchzusetzen. Wir rechnen damit, dass die USA ihre erfolgreiche industriefreundliche Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre fortsetzen werden. Umso dringender ist es nun im globalen Wettbewerb, dass Brüssel und Berlin in dieser Hinsicht nicht länger untätig bleiben.“

Für Evonik leiten sich aus der Wahl keine strategischen Änderungen ab, urteilt der Vorstand. Der NRW-Konzern ist eigenen Angaben zufolge mit rund 5000 Beschäftigten an mehr als 40 Standorten in Nordamerika vertreten. „Seit 2017 verfolgen wir die Strategie, in den drei Wirtschaftsregionen Europa, Asien und Amerika jeweils ein Drittel unseres Umsatzes zu machen. Das ist unsere Antwort auf die radikale Zunahme von protektionistischen Maßnahmen“, erklärt Kullmann. „Die transatlantische Achse zwischen Europa und den USA ist für uns von existenzieller Bedeutung. Gerade jetzt wird es darauf ankommen, die Geschlossenheit des Westens zu sichern.“

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