Bottrop. Ulrich Werner hat für seine Apotheke keinen Nachfolger gefunden. Die Prognose: Noch weitere Apotheken werden bald schließen. Das sind die Gründe.
- Ulrich Werner schließt nach mehr als 40 Jahren seine Apotheke Bonifatius in Bottrop.
- Die Vorsitzende der Bezirksgruppe Bottrop im Apothekerverband Westfalen-Lippe prognostiziert: Es werden weitere bald folgen.
- Die finanzielle Situation für die Apotheken werde immer schwieriger.
Er hat schon viel länger gemacht, als er eigentlich müsste: Mit 78 Jahren steht Ulrich Werner immer noch in seiner Apotheke im Bottroper Fuhlenbrock. Aber jetzt ist für ihn Schluss. Ende September wird er die Apotheke Bonifatius schließen, einen Nachfolger gibt es nicht. Zwar hat sein Ruhestand jetzt persönliche Gründe. Der Apotheker sieht aber massive System-Probleme.
An den Tag, an dem er die Apotheke übernommen hat, erinnert sich Ulrich Werner noch genau: Es war der 24. Februar 1983. Seit mehr als 41 Jahren ist er selbstständig, hatte vorher bereits in der Glockenapotheke gearbeitet – 50 Jahre Berufsleben liegen hinter ihm. „Ich habe noch andere Dinge vor“, begründet der 78-Jährige die Entscheidung. Er wolle ja nicht mit dem Gedanken Schluss machen, „wenn ich jetzt aufhöre, kommt nur noch der Tod“.
Bottroper Apotheker: „Wirtschaftlich ist das so deprimierend“
Es sind aber auch die Umstände, die ihn in den Ruhestand treiben. Dabei hat er bewusst viel länger gearbeitet, als die meisten Menschen es tun. „Ich hänge an meinem Beruf“, sagt er. „Und es ist ein sehr schöner Beruf.“ Doch die vergangenen Jahre und die jüngsten Planungen des Bundesgesundheitsministeriums haben ihm die Arbeit verleidet.
„Wirtschaftlich ist das so deprimierend“, sagt der erfahrene Apotheker. Deswegen hat er auch keinen Nachfolger für sein Geschäft bekommen. Keiner übernehme eine Apotheke mit weniger als drei Millionen Euro Umsatz. Dabei liegen mehr als 40 Prozent der Apotheken in Deutschland unter diesem Bereich.
Doch die Gewinnmargen haben sich in den vergangenen Jahren massiv verringert. Die Kosten steigen, die Bürokratie lähmt. Apotheken machen rund 80 Prozent ihres Umsatzes mit Ware, die sie über die Krankenkasse abrechnen. Die zahlt bei einem Medikament einen festen Satz: den Einkaufspreis plus drei Prozent plus 8,35 Euro, abzüglich zwei Euro Herstellerabschlag.
Bottroper Apothekerin: „Die Leute verstehen noch gar nicht, was auf sie zukommt“
Nach dem neuen Entwurf des Apotheken-Reformgesetzes, den das Bundesgesundheitsministerium vorgelegt hat und das nach der Sommerpause in den Bundestag geht, soll dieser Satz verändert werden: Die 8,35 Euro erhöhen sich auf 9 Euro. Allerdings soll der Zuschlag von drei auf zwei Prozent gesenkt werden – gerade bei teureren Medikamenten sinken also die Einnahmen deutlich.
„Das ist eine bewusste Abschaffung des Systems“, sagt Karima Ballout. Sie ist Vorsitzende der Bezirksgruppe Bottrop im Apothekerverband Westfalen-Lippe und Inhaberin der Post- und der Westfalia-Apotheke in Bottrop. „Die Leute verstehen noch gar nicht, was da auf sie zukommt.“
Prognose: Es werden noch weitere Apotheken in Bottrop schließen
Sie prognostiziert, dass die Bonifatius-Apotheke die erste von einer Reihe von Apotheken sein wird, die in den nächsten Monaten oder Anfang nächsten Jahres in Bottrop schließen. „Am Ende werden wir vermutlich noch elf Apotheken in Bottrop haben“, sagt Karima Ballout. Aktuell sind es noch knapp 20.
Wie schwierig die Finanzlage für Apotheken ist, macht sie an einem Beispiel aus ihrer Filiale deutlich: Innerhalb von einer Woche haben ihr zwei Kunden Rezepte für teure Medikamente gebracht. Das eine kostet 65.000 Euro, das andere 36.000 Euro. Für beide muss die Apothekerin in Vorkasse gehen, bekommt die Kosten etwa nach vier Wochen von der Krankenkasse erstattet – wenn formell alles richtig ist. Nicht selten weisen die Kassen die Rechnungen wegen formaler Fehler zunächst zurück. „Wie soll man das bei einem Kreditzins von vier Prozent und einer Inflation von zwei Prozent finanzieren?“, fragt Ballout.
Apotheker wollen wieder protestieren – und zeitweise schließen
Und auch Ulrich Werner kritisiert: „Die Partnerschaft zwischen Krankenkassen und Apotheken fehlt.“ Das Verhältnis müsse sich verbessern, die Bezahlung ebenso. „Wir müssen guten Nachwuchs gewinnen“, sagt der 78-Jährige. Ein schwieriges Unterfangen angesichts eines Brutto-Jahreslohns von unter 60.000 Euro, eines „knallharten Studiums“: „Wir kriegen keine Leute mehr.“
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Und die Auswirkungen spüren die Patienten: Schon jetzt gibt es Sonntage, an denen keine Apotheke in Bottrop mehr Notdienst macht. Ulrich Werner erwartet, dass sich die Situation zuspitzt: „Es wird sehr, sehr ernst.“ Es sei nun die Aufgabe der jüngeren Generation, sich gegen die Spar- und Optimierungspläne des Bundesgesundheitsministeriums zu wehren.
Genau das stellt Karima Ballout in Aussicht. „Wir müssen protestieren.“ Eine Petition ist schon auf den Weg gebracht, eine Regionalkonferenz soll einberufen werden. Und: „Es wird auch über Schließungen nachgedacht.“