Bottrop. Wegen der anhaltenden Krankheitswelle ist die Bottroper Kinderklinik immer noch voll. Klinik-Clowns bringen Freude – auch kurz vor Weihnachten.
Drei Tage vor Weihnachten muss Henry noch bangen, aber er lächelt tapfer. Noch liegt der Siebenjährige auf der Kinderstation des Marienhospitals, Einblutungen sind in seine Beine gezogen, verursacht durch zu viele Infekte. „Unser größter Wunsch ist, Heiligabend zu Hause zu verbringen“, sagt seine Mutter Stefanie Bransch. Und während des Hoffens auf ein Weihnachtsfest in den eigenen vier Wänden bringen Bims und Klara dem Siebenjährigen ein wenig Freude ins nüchterne Krankenhauszimmer.
Die beiden Damen, Nuria Hansen und Eva Paulus im echten Leben, sind Klinik-Clowns. Einmal in der Woche besuchen sie die Kinderstation im Marienhospital, wollen – bunt bekleidet und mit roter Nase auf der FFP2-Maske – den kleinen Patienten ein bisschen Ablenkung bringen, eine „Insel der Auszeit“.
Klinik-Clowns bieten seit 18 Jahren „Insel der Auszeit“ im Bottroper Marienhospital
Henry strahlt die beiden aus seinem Krankenbett an, legt schnell sein Tablet weg, auf dem er gerade „Sponge Bob“ guckt. Ach, er mag die Schwammkopf-Serie? Klara und Bims improvisieren, stellen einen imaginären riesigen Sponge-Bob-Burger zusammen mit Henris Hilfe, den er mit Trommelwirbel-Unterstützung rübergeworfen bekommt. Denn zu nah kommen dürfen Klara und Bims den Kindern nicht, müssen kurz hinter der Tür stehen bleiben – „wegen Conrad“ oder „wegen Corinna“, wie sie Corona nennen.
Seit 20 Jahren gibt es den Essener Verein Clownsvisite, seit 18 Jahren besuchen zwei Klinik-Clowns das Marienhospital. Vor ihrer amüsanten Visite bekommen sie vom Krankenhaus eine Liste der Kinder, der aktuell stationiert sind: Wie alt sind sie, sind sie ansteckend, gibt es Probleme, auf die sie Rücksicht nehmen müssen?
Klinik-Clowns: „Wir sind Kontaktspielerinnen“
Heute ist auch die fünfjährige Lena unter den Patienten. Sie muss nur noch eine Nacht im Krankenhaus bleiben. „Sie hatte schon ganz doll geweint, weil sie schon letztes Jahr vor Weihnachten eine Woche krank war“, erzählt ihre Mutter Anja Stratmann. Und dann musste die Familie den Heiligabend auch noch in Quarantäne verbringen, weil sie Kontakt zu einem Omikron-Fall hatten. Dieses Jahr aber dürfte es klappen mit dem Fest in der Familie, Lena bleibt noch eine Nacht zur Überwachung, ihr Mund war geschwollen, wahrscheinlich eine allergische Reaktion.
Für die Fünfjährige machen Bims und Klara große Seifenblasen; Lena lacht mit ihrer großen Zahnlücke, wo gerade die Schneidezähne rausgefallen sind, als sie vor ihrem Gesicht platzen. Da ist sofort ein Strahlen, eine ganz andere Atmosphäre während der Minuten, die die beiden Clown-Damen im Krankenzimmer Schabernack machen.
Eigentlich, sagt Nuria Hansen, sei Clown aber gar nicht der richtige Begriff. Clowns, wie man sie aus dem Zirkus kennt, wollen Applaus, im Mittelpunkt stehen, sind auch mal übergriffig und nutzen das Publikum, um selbst lustig zu sein. Da sind Bims und Klara ganz anders, nicht erpicht darauf, die große Nummer zu sein, sondern im Fokus steht das Gegenüber – das Kind bestimmt das Spiel. „Wir sind Kontaktspielerinnen“, nennt Clownin Klara es. „Die Basis ist ein wertschätzender Kontakt.“
Die Probleme sind nicht weg, aber die Perspektive ändert sich
Sie nutzen den Überraschungsmoment, erfassen, wie die Stimmung im Zimmer ist, und improvisieren. Sonst, wenn es klopft, ist der Besuch ja nicht immer mit den schönen Dingen verknüpft: Ärzte, die untersuchen und Spritzen geben, Visiten, die Fragen stellen. Natürlich lösten sie nicht die Probleme der kleinen Kinder und Familien, sagt Clownin Bims, „aber die Perspektive ändert sich für einen Moment“.
Die Clownsvisite gibt es nicht nur auf der Kinderstation, sondern auch auf Palliativstationen, im Hospiz und in Senioreneinrichtungen. Bei den Älteren seien es oft alte Lieder, die sie gemeinsam singen, oder ein bisschen Körperkontakt, der beglückt. In einer Seniorenunterkunft, die sie früher besuchte, saßen die Bewohner immer etwas resigniert auf dem Flur, erzählt Bims. „Und wenn wir aus dem Fahrstuhl stiegen, riefen sie erfreut: Ach, die Verrückten sind wieder da.“
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Ob sie es mit nach Hause nehmen, das Leid, das sie sehen, die Trauer, Krankheit und auch den nahenden Tod, mit dem sie konfrontiert werden? „Ich nehme das wahr, aber nicht mit nach Hause. Wenn ich das nicht könnte, würde ich nicht mehr helfen“, sagt Bims. „Wir kommen ja nicht, um den Schmerz zu verstärken.“ Manche Begegnungen seien „schon heftig“, sagt Klara. „Aber deswegen ist es auch gut, dass wir immer zu zweit sind.“
Das Christkind kommt auch ins Krankenhaus
Auf der Kinderstation des Marienhospitals liegen meist diejenigen, die akut krank sind, aber selten lebensbedrohlich. Da ist es einfach schön, ein Lächeln auf die Gesichter zu zaubern. Oder gerade bei den kleinsten Kindern auch ein lautes, helles Lachen.
Henry hat am Donnerstag die Nachricht bekommen, dass er das Krankenhaus verlassen darf vor Weihnachten. Sonst wären Mama, Papa, Oma, Opa aber auch in die Klinik gekommen – die gelockerten Besuchsregeln lassen das wieder zu. „Das Christkind kommt auch hierher“, sagt seine Mutter. „Hier steht ja auch ein Baum.“ Dort findet sich dann am Heiligen Abend sicherlich das ein oder andere Geschenk für die Kinder, die im Krankenhaus Weihnachten feiern.