Bochum. Der Angeklagte im Fall um mutmaßlichen Betrug mit Coronatests wirkt resigniert. Zugleich gibt es eine Entscheidung, ob die Richter befangen sind.
Im Marathon-Prozess gegen den Ex-Chef (51) der früheren Bochumer Coronatest-Firma Medican ist der Versuch gescheitert, die Berufsrichter wegen Befangenheit abzulösen. Andere, an diesem Verfahren nicht beteiligte Richter haben jetzt einen entsprechenden Antrag der Verteidiger als unbegründet zurückgewiesen. Damit rückt ein zweites Urteil in diesem bundesweit bekannten Strafverfahren vor dem Landgericht Bochum immer näher. Gleichzeitig wirkt der Angeklagte immer resignierter.
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Es geht um mutmaßlichen Abrechnungsbetrug mit einem Schaden von rund 24 Millionen Euro. Der Angeklagte (51) soll im April und Mai 2021 fast eine Million Coronatests („Bürgertests“) bei der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet haben, obwohl er sie gar nicht durchgeführt, sondern frei erfunden habe. Zudem soll er für tatsächlich geleistete Tests überhöhte Rechnungen gestellt haben.
Bochumer Richter befürchten Fluchtgefahr
Zum 30. Verhandlungstag am Dienstag (7.1.) wurde der Angeklagte aus der JVA Bochum vorgeführt. Mitte Dezember 2024 hatten ihn die Richter überraschend in einem Krankenhaus verhaften lassen, dort wurde er wegen einer psychischen Erkrankung behandelt. Das Gericht begründete die U-Haft damit, dass der Angeklagte versuche, „sich dem Strafverfahren durch Flucht in eine tatsächlich nicht vorhandene Verhandlungsunfähigkeit zu entziehen“.
Das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel erlebte der 51-Jährige in einer Haftzelle. Dort soll es ihm psychisch extrem schlecht gehen, wie am Dienstag im Gerichtssaal detailliert zu hören war.
Auch im Gerichtssaal macht der einst so agile, findige und selbstbewusste Unternehmer einen absolut niedergeschlagenen Eindruck. Die Körperhaltung ist schlaff, der Blick müde, leer, abwesend, ängstlich. Der einstige Kinn-Lippen-Bart hat sich zu einem bauschigen Vollbart ausgewachsen. Ein JVA-Arzt sieht allerdings keine Notwendigkeit, ihn in ein Justiz-Krankenhaus zu verlegen. Die Verteidiger haben zwar Beschwerde gegen die U-Haft eingelegt, doch das zuständige Oberlandesgericht wird wohl erst in einigen Tagen darüber entscheiden.
Bundesgerichtshof hob das erste Urteil aus Bochum auf
Es ist bereits die zweite Inhaftierung des Angeklagten. Von Juni 2021 bis Juni 2022 saß er wegen derselben Vorwürfe schon einmal im Gefängnis. Am letzten Hafttag wurde er nach einem sehr späten Geständnis zu sechs Jahren Haft verurteilt und bis zum Strafantritt unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Diese Strafe wurde aber nicht rechtskräftig, weil der Angeklagte das Geständnis zurücknahm und erfolgreich Revision einlegte: Wegen eines kleinen Verfahrensfehlers verwies der Bundesgerichtshof den Fall an andere Richter in Bochum zurück. Und diese verhandeln nun schon seit Februar 2024.
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Die Länge des Verfahrens sprengt den Rahmen des Üblichen bei weitem. Die 2. Wirtschaftsstrafkammer hat insgesamt 45 Sitzungstermine bis 25. Februar anberaumt. Sollte das Gericht den Unternehmer dann zum zweiten Mal verurteilen, könnte es sogar noch einen dritten Prozess geben. Denn auch danach kann der Angeklagte das Urteil auf Rechtsfehler überprüfen lassen.