Bochum. Der Ex-Chef der früheren Coronatest-Firma Medican wurde in einem Krankenhaus festgenommen. Er sitzt in U-Haft. Und will neue Richter.
Nur einen Tag nach der völlig überraschenden erneuten Verhaftung des ehemaligen Chefs (51) der Bochumer Coronatest-Firma Medican halten die beiden Verteidiger die drei Mitglieder der 2. Wirtschaftsstrafkammer für befangen. Sie beantragten am Dienstag (17.) ihre Ablösung.
Seit Juni 2021 ist die Bochumer Strafjustiz mit dem Fall Medican intensiv beschäftigt
Andere, unbeteiligte Richter müssen nun zeitnah entscheiden, ob diesem Antrag entsprochen wird. Wenn ja, müsste der seit zehn Monaten laufende Prozess abgebrochen werden und mit anderen Richtern ganz von vorn beginnen. Damit würde dieses ganze Verfahren, das bereits seit Juni 2021, der erstmaligen Verhaftung des Angeklagten, die Bochumer Strafjustiz intensiv beschäftigt, noch weiter in die Länge ziehen.
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Der Angeklagte soll durch frei erfundene sowie überhöht abgerechnete Coronatests im Frühjahr 2021 rund 24 Millionen Euro von der Kassenärztlichen Vereinigung erbeutet haben. Ein früheres Geständnis hat er zurückgenommen.
Wie am Dienstag bekannt wurde, ließ die 2. Strafkammer den Angeklagten am Montag (16.), nach 29 Verhandlungstagen, in einem Essener Krankenhaus, in dem er Patient ist, von der Polizei festnehmen und ins Bochumer Landgericht bringen. Dort setzten die Richter einen Haftbefehl, der seit Juni 2022 unter Auflagen außer Vollzug gesetzt, wieder in Kraft. Wegen Fluchtgefahr.
Angeklagter sieht im Gerichtssaal sehr mitgenommen aus
Die Nacht zu Dienstag verbrachte der Angeklagte in der JVA Krümmede. Als er am Morgen danach zum 30. Verhandlungstag von Wachtmeistern in den Gerichtssaal geführt wurde, sah er sehr mitgenommen aus: Sein Blick müde und ängstlich, die Hände zeitweise vor dem Gesicht, die Augen vorübergehend geschlossen. Statt geschäftlicher Kleidung trug er lockeren Jogging-Dress.
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Wie Verteidiger Björn Gercke dieser Redaktion sagte, sei sein Mandant im Krankenhaus zuletzt wegen einer schweren psychischen Erkrankung stationär behandelt worden. Tatsächlich hatten die Richter schon zweimal in einem Krankenhaus und in einer Psychiatrie einen Sitzungstag abgehalten, zuletzt am 11. Dezember. Nach Auskunft einer Gerichtssprecherin meint die Strafkammer nun aber, dass der Angeklagte versuche, „sich dem Strafverfahren durch Flucht in eine tatsächlich nicht vorhandene Verhandlungsunfähigkeit zu entziehen“.
Der Verteidiger weist dies zurück und spricht von „Willkür“ der Richter. Sie würden unterstellen, dass sein Mandant nur simuliere. Über ein ärztliches Gutachten, das die Richter selbst in Auftrag gegeben hätten, würden sie sich hinwegsetzen.
Auch ein dritter Medican-Prozess in Bochum ist nicht ausgeschlossen
Wie es nun mit dem Medican-Prozess weitergeht, ist völlig offen. Im Juni 2022 war der Angeklagte wegen der Vorwürfe bereits zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der aktuelle Prozess ist nun schon der zweite, weil der Bundesgerichtshof dies nach einer Revision angeordnet hatte. Auch ein dritter Prozess in dieser Sache ist nicht ausgeschlossen, denn ein Urteil, wann auch immer es ergeht, wird wohl streitig sein.