Bochum. Nur an Festen wie Weihnachten läuten sämtliche Glocken im Turm von Bochums ältester Kirche. Die Fassade wird zurzeit fit für die Zukunft gemacht.
„Glockenschall, Glockenschwall, supra urbem, über der ganzen Stadt, in ihren von Klang erfüllten Lüften!“
So beginnt Thomas Mann seinen mittelalterlichen Altersroman „Der Erwählte“ und meinte die Glocken in Rom. Er hätte aber auch seine Freude an den fünf Glocken der Bochumer Propstei-Kirche St. Peter und Paul gehabt. In keinem anderen Gotteshaus der Stadt schwingen so große und viele Glocken hoch oben im Turm.
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Die mannshohen Kolosse hängen an einem mächtigen Stahlgerüst, das in das fast 500 Jahre alte Turmgemäuer eingebaut ist wie ein steifes Korsett in ein Kleid. In der Heiligen Nacht und an beiden Weihnachtstagen können wir ihren kraftvollen Klängen ganz besonders lauschen, denn jetzt wird ein Hochfest gefeiert, und nur dann kommen alle fünf Exemplare zum Einsatz (Zeiten siehe Infobox).
Längst werden sie elektronisch vom Erdboden aus gesteuert, von einem Schaltkasten in der Sakristei, und nicht mehr mit Muskelkraft und Seilen bewegt wie Glocken in früheren Jahrhunderten. Und doch weht dort oben, in 40 bis 50 Metern Höhe, ein Hauch von Mittelalter, weil alles etwas duster, schummerig, museal und äußerst staubig ausschaut. Schließlich ist die spätgotische Steinkirche die älteste in ganz Bochum.
Zu diesen Gottesdiensten läuten alle Glocken
In der Heiligen Nacht um 24 Uhr (24./25.12) leitet Probst Michael Ludwig die Christmette in der Propsteikirche. Dann lauten alle fünf Glocken im Turm.
Das Gleiche gilt für die weiteren Messen an den beiden Weihnachtstagen (25. und 26.) jeweils um 12 und 18.30 Uhr.
Die Kosten für die Sanierungen belaufen sich auf rund zwei Millionen Euro. Rund ein Viertel davon trägt das Bistum Essen als Ersatz für den Sturmschaden, den Rest investiert die Propsteipfarrei.
So eine Höhentour bis hinauf zu den Glocken ist nichts für Angsthasen
Müsste ein Küster für jeden Auftritt der Glocken extra nach oben steigen, bräuchte er beste Fitness. Denn erst muss er ein steinernes, äußerst enges Wendeltreppenhaus meistern und dann zwei steile, teilweise sogar senkrechte Leitern erklimmen, die zum Schluss nur noch aus altem Holz sind. Genau wie die Geländer, die teilweise verdächtig knarzen. So eine Höhentour ist nichts für Angsthasen.
Die unterschiedlich großen Gußstahl-Glocken sind tonnenschwer und wurden vor 103 Jahren vom Stahlunternehmen „Bochumer Verein“ gegossen. Sie haben die Töne gis°, h°, cis‘, e‘ und fis‘. Ihr Klang entweicht durch vier hölzerne Schall-Luken in alle Himmelsrichtungen. „Je nachdem wie der Wind steht, hören wir sie auch in Grumme und in Stahlhausen“, sagt Propst Michael Ludwig.
Der Geistliche gehört trotz seines fortgeschrittenen Alters zu denen, die keinerlei Probleme haben, in den Glockenturm zu klettern. Ohne jede Furcht und erkennbare Anstrengung eilt er die finalen Leitersprossen mit 90 Grad Steigung empor. Er traut sich auch noch deutlich höher hinauf. Vor wenigen Monaten kraxelte er auf einem supersteilen Außengerüst bis zur Spitze des nagelneuen Kupferdaches und nippte dort an einem Gläschen Sekt.
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In mehr als 70 Metern Höhe. Anlass war die Fertigstellung der Restaurierung des goldenen, zwei Meter hohen Hahnes, der auf einem Kreuz an der Spitze des Kirchturms thront und sich seitdem wie ein Fähnchen im Winde dreht.
Propst Ludwig: „Plötzlich waren nicht mehr nur ein, sondern fünf Gewerke am Turm im Spiel“
Zurück zu den Glocken. In genau ihrer Höhe werden zurzeit die vier Turmuhren saniert. Wie so vieles rund um die Propsteikirche seit nunmehr anderthalb Jahren. Eigentlich sollte nur das Steildach repariert werden, nachdem ein heftiger Sturm einige Nägel, die das Kupferdach am hölzernen Dachstuhl des Turms fixieren, gelöst hatte. Bei den Gerüstarbeiten wurde aber klar, dass noch viel mehr sanierungsbedürftig war. Schließlich war die letzte Grundsanierung des Turmes, der im 2. Weltkrieg anders als das Kirchenschiff halbwegs unbeschädigt blieb, rund 100 Jahre her.
Nach und nach kamen auf die Sanierungsliste noch die rostigen Kirchturmuhren, der goldene Hahn an der Turmspitze, der defekte Blitzableiter und die vier Schall-Luken. „Plötzlich waren nicht mehr nur ein, sondern fünf Gewerke am Turm im Spiel“, so Propst Michael Ludwig.
Gerüst steht wohl noch bis zum Sommer
Und dann sind da noch die umfangreichen Steinmetzarbeiten am Turm. Dort, anders als am Dach, steht deshalb auch noch das Gerüst. In den 1960er Jahren wurde die Turmfassade aus Ruhrsandstein mit einer Beschichtung gegen eindringendes Wasser abgedichtet. „Damals hieß es, das hält bis zur Ewigkeit“, so der Propst. „Aber dann hat die Ewigkeit jetzt wohl angefangen. Das Ganze ist so undicht, dass man zum Teil einen Zollstock in die Fugen stecken kann.“
Wolfgang Müller, Verwaltungsleiter der Pfarrei, geht davon aus, dass die Arbeiten bis zum Sommer beendet sind – und dann der Blick vom Kuhhirten-Denkmal wieder auf einen unverbauten Propstei-Kirchturm fällt.