Bochum. Bis zu 750 Geflüchtete sollen in der neuen Aufnahmeeinrichtung in Bochum-Riemke leben. Bei einem Infoabend machten Anwohner ihren Sorgen Luft.
Ende August haben die Bezirksregierung Arnsberg und die Stadt Bochum verkündet: Anfang 2025 wird in Bochum-Riemke eine Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) für bis zu 750 Geflüchtete eröffnet. Knapp vier Monate später informieren sie die Bürger darüber. Vor allem aus Sicht der unmittelbaren Anwohner ist es ein Unding, „dass wir erst einbezogen werden, wenn alles entschieden ist“, so Hermann Erver.
Anwohner der Flüchtlingseinrichtung in Bochum-Riemke fühlen sich übergangen
Damit hat der Mann aus Riemke am Dienstagabend bei der Informationsveranstaltung in der künftigen EAE an der Rensingstraße vielen anderen Besuchern aus der Seele gesprochen. „Man spricht gar nicht mit uns“, beklagt auch Silvia Homann. Einige Besucher verlassen im Laufe des Abends demonstrativ den Raum.
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Immer wieder bekommen Dezernentin Theresa Dietrich und Abteilungsleiter Andreas Hohlfeld aus Arnsberg sowie Bochums Sozialdezernentin Britta Anger zu hören, dass der ausgebliebene rechtzeitige Austausch mit den Menschen in Riemke das größte Versäumnis von Politik und Verwaltung ist, dass es außerdem Ängste vor allem wegen der Sicherheit in unmittelbarer Nähe der EAE gebe und eine so große Einrichtung für einen Stadtteil, der eher auf dem ab- als auf dem aufsteigenden Ast sei, eine zusätzliche Belastung ist.
Kritik muss sich das Land als Betreiber der EAE dafür gefallen lassen, der Organisation European Homecare (EHC) die Betreuung der Geflüchteten zu überlassen. EHC sei ein privates Unternehmen und erfülle nicht die Standards für eine „menschenwürdige Unterbringung“, so eine Frau aus Riemke. Auch sie erntet dafür Applaus. Dezernentin Dietrich versichert, dass auf die Einhaltung von Standards Acht gegeben werde und dass nicht EHC die Einrichtung leite, sondern Beschäftigte der Bezirksregierung. Um Beschwerden aller Art werde sich ein Umfeldmanager kümmern. Für die Sicherheit sei ein Security-Dienst zuständig, der im Dreischicht-Betrieb arbeite und in jeder Schicht mit zehn Personen vor Ort sei. Jede Person, die das Gelände betrete und verlasse, werde registriert. „Wir wissen immer, wer ist hier und wer ist nicht hier.“
Bezirksbürgermeisterin Gaby Spork bietet an, sich bei Problemen zu kümmern
Viele äußern Verständnis für die Ängste gerade von unmittelbaren Anwohnern. Ängste, die sie zwar nicht habe, so Bezirksbürgermeisterin Gaby Spork (SPD). Aber sie bietet an: „Ich bin jederzeit da, wenn es Probleme gibt. Sprechen Sie mich an.“ Ein Bochumer, der sich als „Mo“ vorstellt und der sagt, als Sozialarbeiter langjährige Erfahrung mit der Betreuung von Flüchtlingen zu haben, ist überzeugt, „eine Frau muss nachts eher im Bermudadreieck um ihre Sicherheit fürchten als im Umfeld einer Flüchtlingseinrichtung“. Aber auch er hält die lange Sprachlosigkeit der Verantwortlichen für einen Fehler: „Wenn im Stadtteil eine Einrichtung für 750 Menschen geplant wird, dann muss mit den Leuten früh gesprochen werden.“
Unmittelbar entschieden haben Politik und Verwaltung in Bochum nicht, die sechste EAE in Nordrhein-Westfalen neben den bisherigen Standorten Unna, Bielefeld, Mönchengladbach, Essen und Bonn in Bochum einzurichten. Der Eigentümer der früheren Nokia-Verwaltung, die der Essener Thelen-Gruppe gehört, habe sie der Bezirksregierung angeboten. Diese wiederum hat sich, bevor sie den Mietvertrag für zehn Jahre plus Option auf weitere fünf Jahre unterschrieben hat, bei der Stadt vergewissert, was diese von dem Standort hält.
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Der Ältestenrat, dem die Vorsitzenden der Ratsfraktionen angehören, habe dem einmütig zugestimmt, so Bochums Sozialdezernentin. Aus ihrer Sicht sei der Standort nicht nur geeignet: „Ich glaube, dass man die Belastung für den Stadtteil gar nicht spüren wird.“ Und: „Riemke ist kein gefährdeter Stadtteil.“
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Die EAE bringe der Stadt außerdem Vorteile. So wie die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) am Stadionring das Bochumer Aufnahmekontingent von Flüchtlingen um 1000 und der LEA-Ableger „Auf dem Esch“ in Wattenscheid um 350 Personen reduziere, werde auch die EAE an der Rensingstraße vom Land angerechnet, und zwar mit 750 Personen. Unterm Strich muss Bochum daher in städtischen Flüchtlingseinrichtungen nun 2100 Menschen weniger unterbringen als laut Verteilungsschlüssel vorgesehen (4700) ist. Damit entfallen etwa Kosten für Kita- und Schulplätze, aber auch für Unterbringungsmöglichkeiten.
„Eine wirtschaftliche Entscheidung. Das habe ich verstanden“, so Hermann Evers. „Aber warum bei uns in Riemke?“ Das fragen sich die Riemker auch nach dem Infoabend.
Weg durch diverse Einrichtungen
Alle Geflüchteten, die nach Nordrhein-Westfalen kommen, werden zunächst in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) am Gersteinring in Bochum registriert.
In der Regel werden sie von dort nach spätestens 24 Stunden in eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes gebracht, von Februar 2025 an auch zur EAE an der Rensingstraße in Riemke.
Dort werden nach einer eingehenden medizinischen Untersuchung „die nächsten Schritte im Asylverfahren auf den Weg gebracht“, so Andreas Hohlfeld von der Bezirksregierung Arnsberg. Dazu gehört der Asylantrag beim Bundesamt für Migration. Sichergestellt wird damit auch, „dass keine unregistrierten Personen in den Kommunen sind.“
Nach zwei bis vier Wochen erfolge dann die Verlegung in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes, ehe die Menschen dann auf die Kommunen verteilt werden.