Bochum-Riemke. Die geplante Erstaufnahme-Station sorgt in Bochum-Riemke für Unmut. Das sei „von oben herab entschieden“ und ungerecht. Ein Stimmungsbild.
Mit gemischten Gefühlen sieht man in Bochum-Riemke der geplanten Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) für geflüchtete Menschen entgegen. Die neue Unterkunft wird in einem Verwaltungsgebäude der Essener Thelen-Gruppe eingerichtet und soll Platz für bis zu 750 Menschen haben. Es handelt sich dabei um die frühere Nokia-Verwaltung an der Rensingstraße in Riemke. Vor Ort wurde man von der Nachricht überrascht.
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„Begeistert war niemand“, berichtet SPD-Ratsmitglied Jörg Uwe Kuberski von dem jüngsten „Politischen Dämmerschoppen“ seiner Partei vor ein paar Tagen. „Aber es entstand auch kein massiver Widerspruch.“ Allerdings sei „mehr als deutlich die ungleichmäßige Verteilung der Migrationslasten gerügt“ worden. Nach Riemke mit seinen rund 7500 Einwohnern kämen nun 750 Menschen – in andere Stadtbezirke „nix“.
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Das sei für einen kleinen Stadtteil zu viel, beklagt Kuberski. „Wir sehen einen massiven Anpassungsbedarf in Hinblick auf die Regelung der Zuwanderung. Und zwar sowohl in der Verteilung als auch in der Zuwanderung als solcher.“ Also auf lokaler wie bundesweiter Ebene. Das habe er auch dem Bochumer Bundestagskandidaten Axel Schäfer mit auf den Weg gegeben.
„Die Zeiten sind vorbei, dass die Leute geklatscht haben für so eine Einrichtung.“
„Niemand kann uns in Riemke den Vorwurf machen, fremdenfeindlich zu sein.“ Aber die Lasten müssten gerecht verteilt werden. „Und das sehen wir hier nicht hinreichend.“ Auch Luca Kruppa, seit einem Jahr Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Riemke, betont, dass sein Stadtteil offen sei. „Aber die Zeiten sind vorbei, dass die Leute geklatscht haben für so eine Einrichtung.“
Nicht nur Kuberski und Kruppa befürchten, dass sich das auf die Wahlergebnisse auswirken könne und die AfD weiteren Zulauf erhält. Diese Sorge treibt auch Jörg Berninghaus um. Er wohnt seit seinem dritten Lebensjahr in Riemke und spricht von „einem guten Miteinander im Stadtteil“. Doch die Stimmung dürfe nicht kippen.
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Seine Lebensgefährtin Helga Wittmers erlebe die Probleme einer ihrer Meinung nach verfehlten Migrationspolitik jeden Tag bei ihrer Arbeit als Leselernhelferin in einer Schule und einer Kita vor Ort. „Die Mehrheit der Kinder hat einen Migrationshintergrund, hat Probleme mit dem Lesen und Schreiben.“ Die Lehrer und Erzieher machten einen tollen Job, aber es seien zu viele Schüler, als dass man sich ausreichend um sie kümmern könne. „Da bleiben viele Kinder einfach auf der Strecke.“
Wittmers sieht die Notwendigkeit, Menschen in Not Schutz zu bieten. „Aber es muss geordnet und gerecht geschehen. Der Mix muss stimmen, auch im Wohnumfeld.“ Dass die aktuellen Zahlen zu in Bochum untergebrachten Menschen den Stadtbezirk Mitte (mit Riemke) nicht als benachteiligt ausweisen, lässt Jörg Uwe Kuberski nicht gelten. Laut städtischer Statistik kommen in Riemke drei Geflüchtete auf 1000 Einwohner. Zum Vergleich: in Nord und Ost sind es 17 bzw. zwölf. Schaut man genauer hin, sind in Riemke aktuell 19 Geflüchtete untergebracht. Zur Einordnung: In Altenbochum sind es 112, in Hofstede 109.
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Stimmt, sagt Kuberski, aber Riemke weise, wie andere Stadtteile im Bezirk Mitte auch, einen hohen Migrationsanteil aus. Und nun kämen ja ab Dezember bis zu 750 Geflüchtete zusätzlich nach Riemke. Dass diese nur einige Wochen blieben, ehe sie in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes kämen, sei für die Stadt sicherlich von Vorteil, weil man u.a. keine Wohnungen, Kita- und Schulplätze vorhalten müsse. Aber für den Stadtteil sei die Belastung enorm.
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Luca Kruppa ärgert sich, dass die Entscheidung des Landes, das Gebäude an der Rensingstraße zu mieten, „von oben herab“ getroffen worden sei. „Wir fühlen uns übergangen. Warum gab es im Vorfeld keine Bürgerbeteiligung? Warum keinen Dialog? Wie sollen die Menschen hier ihre Sorgen kundtun, wenn niemand zuhört?“ Das Ganze hätte man „demokratischer angehen“ müssen. Obwohl es sich um eine Angelegenheit des Landes handele, „werden wir nun mit reingezogen und müssen es an der Basis ausbaden“.
„Überrascht“ und „nicht glücklich“ sei auch die CDU gewesen, sagt der Ortsverbandsvorsitzende Lothar Gräfingholt. „Aber nun muss man das Beste daraus machen.“ Die Erstaufnahmeeinrichtung werde Riemke jedoch „nicht förderlich für die Außerdarstellung des Stadtteils sein“, glaubt Gräfingholt. Und diese Entscheidung werde sicher auch Unmut auslösen.
„Man muss nun aufpassen, dass die positive Entwicklung in Riemke nicht ausgebremst wird.“
Gräfingholt sah Riemke mit der Ansiedlung des Grönemeyer-Instituts und der neuen Freizeitanlage am Hausacker auf einem guten Weg. „Man muss nun aufpassen, dass diese Entwicklung nicht ausgebremst wird.“ Die CDU werde jetzt „genau hinschauen“ und setze auf die Bürgerbeteiligung, die ihm Sozialdezernentin Britta Anger zugesichert habe, so Gräfingholt. Auch, wenn diese zu spät komme.
Der Dialog mit den Bürgern ist auch Anna di Bari von den Grünen wichtig. Diesbezüglich nimmt sie die Bezirksregierung als Betreiber der EAE in die Pflicht. Generell stünden die Grünen aber hinter der Entscheidung, das ehemalige Nokia-Gebäude als Unterkunft für Geflüchtete zu nutzen. „Wir haben als Stadt immerhin eine Aufnahmeverpflichtung und werden so auch unserer Gesamtverantwortung gerecht.“ Außerdem gebe es stadtweit kaum Flächen wie diese, „auch nicht in anderen Kommunen“. Und das Gebäude stehe ja auch nicht in einem Wohnviertel.
„Wir haben als Stadt eine Aufnahmeverpflichtung und werden so auch unserer Gesamtverantwortung gerecht.“
Mit Inbetriebnahme sei es dann wichtig, den dort untergebrachten Menschen „tagesstrukturierte Angebote“ zu machen, um Probleme außerhalb zu vermeiden. Auch Ehrenamtliche aus Riemke könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. Di Bari spricht dahingehend von einer „Bochumer Stärke“. Wichtig im Hinblick auf die AfD ist der kommenden Bundestagskandidatin, das Ganze nicht zu „einem Spaltthema zu machen“.