Bochum. Zum Ende des Jahres setzt das Schauspielhaus noch einmal auf Experimente. Doch „Give up die alten Geister“ ist ein zähes Stück. Unsere Kritik.

Die Aufführung hat noch nicht begonnen, da kommt es bereits zum schönsten Einfall des ganzen Abends. Zur Premiere von „Give up die alten Geister“ sind die Zuschauer dazu eingeladen, eine halbe Stunde früher in die Kammerspiele zu kommen: für einen exklusiven Blick hinter die Kulissen.

Zuschauer gehen durchs Bühnenbild

In kleinen Gruppen werden sie von den Schauspielern mit auf die Bühne genommen und einmal quer durchs gesamte Bühnenbild geführt. Warum das unbedingt so sein muss, bleibt zwar unklar, doch die Nähe, die Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe auf diese Weise zum Publikum herstellt, macht durchaus neugierig. Dumm nur, dass längst nicht jeder Zuschauer einen Platz in der Führung findet: In langen Schlangen steht das Publikum geduldig im Treppenaufgang, bis sich einige Enttäuschung breit macht.

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Enttäuschend ist dann auch das, was in den nächsten 100 zähen Minuten auf der Bühne stattfindet. „Give up die alten Geister“, entstanden als eigene Stückentwicklung, ist der Versuch, auf verschiedene Weise mit der Geisterwelt in Kontakt zu treten. Der 29-jährige Musiker und Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe, der zum ersten Mal in Bochum inszeniert, scheint dafür durchaus die passende Wahl zu sein: Seine Arbeiten würden oft „zwischen Revue und Konzert, Tanz und Bildersturm schillern“, wie es in der Ankündigung heißt. Wenn dahinter aber kein Plot oder wenigstens ein roter Faden zu erkennen ist, wird es mühsam.

Gemeinsam auf Geisterjagd: (von links) Fumiyo Ikeda, Risto Kübar, Marius Huth und Jing Xiang.
Gemeinsam auf Geisterjagd: (von links) Fumiyo Ikeda, Risto Kübar, Marius Huth und Jing Xiang. © Schauspielhaus Bochum | Tobias Kruse

Das sechsköpfige Ensemble nähert sich dem Geisterthema zunächst recht offen. Auf einem Flügel erklingt vierhändig das „Requiem“ von Mozart, während die Bühne (von Jozef Wouters) in dichten Nebel gehüllt wird und mit ihren hohen, dunklen Säulen tatsächlich so aussieht wie das Spukschloss im Spessart. Sind hier schon Geister unterwegs? Man könnte fast den Eindruck bekommen, wenn die Tänzerin Fumiyo Ikeda geheimnisvoll ins Mikro haucht, während die Schauspieler erneut mit ihren realen Namen vorgestellt werden, was unter Theatermachern gerade schwer in Mode zu sein scheint.

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Erinnerung an das Haus Rechen

Abel Meirhaeghe probiert einiges aus, selbst den Mut zum Stillstand. Immer wieder verharrt die gespenstische Szenerie in trübem Dämmerschlaf, der nur von der Musik getragen wird. Immerhin: Gelegentlich blitzt eine Art Handlung oder zumindest eine schöne Idee auf. Da hört man dann endlich hin! So hat das Regieteam nach einiger Internet-Recherche und einem Aufruf in der WAZ die Geschichte des Hauses Rechen rekonstruiert: Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wasserburg lag bis 1945 direkt an der Königsallee, also genau dort, wo heute die Kammerspiele stehen.

Das Haus Rechen stand einst direkt genau dort, wo heute die Kammerspiele und das Finanzamt an der Königsallee zu finden sind. Im Zweiten Weltkrieg wurde es zerstört.
Das Haus Rechen stand einst direkt genau dort, wo heute die Kammerspiele und das Finanzamt an der Königsallee zu finden sind. Im Zweiten Weltkrieg wurde es zerstört. © Stadt Bochum

Der Schauspieler Risto Kübar, der sein zögernd-zauderndes Spiel mittlerweile zu wahrer Meisterschaft erhoben hat, nimmt dann mitten im Saal auch gleich mal Maß: Hier war der Teich! Hier liefen die Flamingos entlang! Und natürlich tummelten sich im Haus Rechen auch die Geister.

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Quietschende Schweine kurz vor der Schlachtung

Denen geht es schließlich bei einer gruseligen Geisteraustreibung an den Kragen, bei der schrecklich quietschende Schweine kurz vor ihrer Schlachtung zu hören sind. Ein bisschen Horror muss schon sein. Bei einer schönen Szene mit einer Wünschelrute bindet die flinke Jing Xiang das Publikum wunderbar mit ein, während Marius Huth vor dem eisernen Vorhang mit großer Stimme einen philosophischen Text rezitiert. Kleinere Highlights, aber letztlich bleibt alles Stückwerk. Einen Rhythmus findet der Abend nicht.

Während manche Zuschauer kopfschüttelnd den Saal verlassen, wenige sind schon während der Vorstellung gegangen, springen andere komplett begeistert von ihren Sitzen. Spooky!

Die nächsten Spieltermine

„Give up die alten Geister“ in den Kammerspielen Bochum dauert etwa eine Stunde und 40 Minuten ohne Pause. Die nächsten Vorstellungen: 14. und 21. Dezember (Zehn-Euro-Tag), 5. und 17. Januar, 2., 5. und 22. Februar.

Jeweils eine halbe Stunde vor Beginn ist eine Führung durchs Bühnenbild des Stücks möglich. Alle Infos und Karten: 0234 33335555 und schauspielhausbochum.de

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