Bochum. Es war ein einmaliger Moment: 1931 machte der Schienenzeppelin Halt in Bochum. Rückblick auf den Tag, der die Zukunft des Reisens versprach.

Er war ein Einzelstück, ein Hingucker, er versprach einen Vorgeschmack auf eine glänzende Zukunft des Reisens – und er machte in Bochum Halt: Als am 28. Juni 1931 der Schienenzeppelin durch die Stadt fuhr und einen kurzen Stopp am Hauptbahnhof einlegte, da war das ein Spektakel, das Tausende Menschen aus ihren Häusern zog.

Das Bochumer Stadtarchiv hat ein Foto von jenem Tag für sein monatlich wechselndes „Schaufenster Stadtgeschichte“ ausgewählt. Zu sehen ist der Zeppelin am damaligen Hauptbahnhof, der im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1949 durch den „Katholikentagsbahnhof“ ersetzt wurde. Auf den Bahnsteigen sind Menschentrauben zu sehen, auf den Nebengleisen ebenfalls, sie winken. Ein historischer Moment.

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28. Juni 1931, 10.58 Uhr: Erst ein silbernes Glitzern, dann ein Pfeifen in Bochum

„Um 10.58 Uhr des 28. Juni 1931 sahen die zahlreichen Schaulustigen auf dem Bahnsteig des Bochumer Hauptbahnhofes zunächst ein silbernes Glitzern in der Ferne“, erinnert das Stadtarchiv. „Dann war ein melodisches Pfeifen zu hören, zusammen mit dem Wirbeln eines Holzpropellers.“ Form, Farbe, der Antrieb: Die Ähnlichkeit zum Luftschiff bescherte dem Gefährt seinen Namen.

Schienenzeppelin 1932
Der Schienenzeppelin von der Rückseite mit seinem charakteristischen Propeller. © Stadt Bochum, Presseamt | Repro der Fotografen der Stadt Bochum

Der „Schienenzepp“, entwickelt vom Ingenieur Franz Kruckenberg, war eine echte Neuheit. Genau eine Woche vor der Stippvisite in Bochum hatte er bei einer Testfahrt Bahn-Geschichte geschrieben. Die 287 Kilometer von Hamburg-Bergedorf nach Berlin-Spandau legte er in 98 Minuten zurück. Das gab‘s zuvor noch nie. Mit Tempo 230 stellte er „einen bis 1955 unübertroffenen Welt-Geschwindigkeitsrekord für Schienenfahrzeuge“ auf, so das Stadtarchiv.

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Tausende Bochumerinnen und Bochumer machen sich auf den Weg

„Ganze Sonntagsprogramme mit Wasser, Luft und Sonne, mit Wandertouren und Verwandtenbesuchen, mit genußvoll-stundenlangen Morgenkaffees und Frühschoppen wurden über den Haufen geworfen.“

Der Bochumer Anzeiger am 29. Juni 1931 über den Besuch des Schienenzeppelins

Der 28. Juni 1931 war ein Sonntag, der „Bochumer Anzeiger“ widmet dem Besuch des Schienenzeppelins in seiner Montagsausgabe fast eine ganze Seite. „Der Schienenzepp kommt nach Bochum! Das alarmierte schon am Freitag!“, schreibt der Reporter. Dass der Zug im Hauptbahnhof halte und somit bei langsamer Ein-und Ausfahrt gut zu sehen sein dürfte, sei „das Signal für ungezählte Tausende“ gewesen: „Ganze Sonntagsprogramme mit Wasser, Luft und Sonne, mit Wandertouren und Verwandtenbesuchen, mit genußvoll-stundenlangen Morgenkaffees und Frühschoppen wurden über den Haufen geworfen.“

Bochum ist also auf den Beinen, um einen Blick auf den zweiachsigen Wagen mit dem 500-PS-Flugmotor inklusive Propeller am Heck zu erhaschen. „Die Beamten auf dem Bahnsteig hielten die Menschen auf Distanz zur Bahnsteigkante, damit diese dem im Bereich des Bahnhofes auf niedrigen Touren laufenden Propeller nicht zu nahekamen“, notiert das Stadtarchiv.

Der Halt des Schienenzeppelins in Bochum dauerte nur drei Minuten

Schienenzeppelin in Bochum
Der Schienenzeppelin auf seiner Fahrt durch Bochum: Dieses Foto wurde von Heinrich Märker vom Dach der Kfz-Werkstatt Adolf Märker aufgenommen. Standort war die Finkenstraße 13, diese führte seinerzeit ungefähr dort entlang, wo heute der Hauptbahnhof zu finden ist. Der Fotograf blickt den Aufzeichnungen zufolge in Richtung der Brücke Wiemelhauser Straße und Hermannshöhe. © Stadt Bochum, Presseamt | Fotografen der Stadt Bochum

Der zeitgenössische Lokalreporter hält fest: „Hinter dem Propeller, der nicht oder nur ganz wenig auf den Bahnsteig ragt, rauscht die Luft. Es windet, wie hinter einem Flugzeug, so daß man den Hut festhalten muss.“ Einige Bochumer konnten während des Halts einen kurzen Blick in den Fahrgastraum im vorderen Zugteil werfen. „Im Inneren war Platz für rund 20 Personen auf silbernen, im Bauhaus-Stil gehaltenen Stahlmöbeln mit tiefblauem Bezug“, heißt es in der Rückschau des Stadtarchivs.

„Die Bahnsteige leeren sich schon, während am Lohberg und weiter längs der Strecke Tausende um eines Augenblicks willen stehen und dem vorbeirauschenden ,Silbernen Blitz‘ Grüße zuwinken.“

Bochumer Anzeiger vom 29. Juni 1931

Drei Minuten währte der Halt: „11 Uhr 01 und damit ist der Besuch des Schienenzeppelins vorbei“, notiert der „Bochumer Anzeiger“. „Meterweise sind Filmstreifen in den Photoapparaten abgerollt. Dutzende von Platten sind belichtet. (...) Die Bahnsteige leeren sich schon, während am Lohberg und weiter längs der Strecke Tausende um eines Augenblicks willen stehen und dem vorbeirauschenden ,Silbernen Blitz‘ Grüße zuwinken.“

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Der Ruhm des Schienenzeppelins währte nur kurz

Der Lokalreporter beschreibt weiter das Geschehen in der Stadt, kann dabei nicht verbergen, wie beeindruckt er ist: „Auf dem Rückweg durch die Stadt fängt das Ohr überall Gesprächsbruchteile auf, die dem Schienenzeppelin gelten“, schreibt er und fragt: „Wie lange wird es noch dauern, bis dieses technische Meisterwerk für uns etwas Selbstverständliches wie viele bedeutsame Erfindungen und Konstruktionen, wie Dampfmaschine und Telephon, Radio und Grammophon und andere technische Errungenschaften sein wird?“

Schienenzeppelin in Bochum
Ein kurzer Blick auf den „Silbernen Blitz“: Der Schienenzeppelin auf seinem Weg durch Altenbochum. Im Hintergrund zu sehen: der Gasometer der Stahlwerke. © Stadt Bochum, Presseamt | Fotografen der Stadt Bochum

Daraus wurde nichts. Zwar sorgte der Schienenzeppelin für internationales Interesse, sein Ruhm indes währte nur kurz. „Durch seine hohe Geschwindigkeit konnte er nicht in bestehende Fahrpläne integriert werden“, fasst das Bochumer Stadtarchiv zusammen. „Außerdem waren Rückwärtsfahrten über längere Strecken ohne Umbau des Propellers nicht möglich, ebenso wie das Anhängen weiterer Wagons, was seine Kapazitäten sehr begrenzte.“ Der Schienenzeppelin wurde noch mehrfach umgebaut, schließlich für weitere Versuchsfahrten an die Deutsche Reichsbahn verkauft. 1939 wurde der Propellerwagen verschrottet. Bochum blieb ein historischer Moment.

Schaufenster Stadtgeschichte

Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ präsentiert einmal im Monat ein besonderes Dokument oder Objekt aus den Beständen des Stadtarchivs. Der Dezember ist dem Schienenzeppelin und seinem Besuch in der Stadt gewidmet. Auf diese Weise werden nicht nur historische Ereignisse oder Persönlichkeiten vorgestellt. Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ gewährt auch einen Einblick in die bunte Vielfalt der historischen Zeugnisse, die zum kulturellen Erbe Bochums gehören und die im Stadtarchiv verwahrt werden.

Interessierte können die Exponate im Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte, Wittener Straße 47, besichtigen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr. Weitere Infos und Kontakt: bochum.de/Stadtarchiv.

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