Bochum-Linden. Ausnahmezustand in Bochumer Mietshaus: Der Hausstrom wurde gesperrt. Vermieterin hat offene Forderungen bei den Stadtwerken. Wie es weitergeht.

Keine Heizung, kein Aufzug, kein warmes Wasser: Weil einzelne Mieter ihre Nebenkosten nicht bezahlt haben sollen, haben die Stadtwerke Bochum einem Mehrfamilienhaus an der Hattinger Straße 695 in Bochum-Linden den allgemeinen Strom gesperrt. Flur- und Kellerlicht, aber auch der Aufzug funktionieren seit Dienstagmittag nicht mehr, ebenso die Wärmepumpe. Oliver Eckler wohnt seit etwa dreieinhalb Jahren dort und zeigt sich empört von der vermeintlichen Kollektivstrafe: „Das geht gar nicht!“

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Der Grund für die Misere: Die Vermieterin hat bei den Stadtwerken Bochum einen Vertrag für den Hausstrom abgeschlossen, das bestätigt auch das Unternehmen auf Nachfrage. Die Mietparteien – insgesamt sechs – müssen ihren Anteil über die Nebenkosten begleichen, das jedoch sei in einzelnen Fällen nicht passiert, heißt es.

Die Vermieterin möchte auf Anfrage dieser Redaktion lieber anonym bleiben, bestätigt aber die Schilderungen. „Wegen der nicht bezahlten Nebenkosten sind so große Summen offen, die ich nicht übernehmen kann“, sagt sie. Dass der allgemeine Strom tatsächlich gesperrt wurde, sei auch für sie ein Schock gewesen, sagt sie. „Das ist unmenschlich.“ Sie habe die Stadtwerke gebeten, mit der Sperre noch etwas abzuwarten. Sie habe die Mieter auch darauf hingewiesen, dass die Gemeinschaft einen Vertrag direkt mit den Stadtwerken abschließen können, um die Sperre zu verhindern.

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Stadtwerke Bochum sperrt allgemeinen Strom in Wohnhaus in Bochum-Linden

Bei den Stadtwerken blieb man hart. Der Schritt sei unumgänglich gewesen, das Unternehmen habe alle Fristen eingehalten – und dann abgesperrt. Zuvor hatte das Unternehmen die Eigentümerin sowie alle Mieter informiert. Um Mieter zu schützen, sperrten die Stadtwerke nicht sofort den Zähler.

Hattinger Straße 695
In dem Haus an der Hattinger Straße in Bochum stehen die Mieter ohne Hausstrom da. Auch die Heizung funktioniert deswegen nicht. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Die Mieter erhalten von uns ein Informationsschreiben mit der Möglichkeit, die Zähler als Mietergemeinschaft zu übernehmen und so ein direktes Vertragsverhältnis mit uns als Energieversorger einzugehen“, sagt der Christian Seger, Sprecher der Stadtwerke Bochum. Das sei allerdings abgelehnt worden.

Vor rund drei Wochen seien die Mieter das erste Mal über das anstehende Problem informiert worden: „Leider müssen wir Ihnen die unerfreuliche Mitteilung machen, dass unser Vertragspartner seinen Verpflichtungen seit längerer Zeit nicht mehr nachgekommen ist.“ Der Energieversorger plant deswegen, am 26. November den allgemeinen Strom abzustellen „und die Wasserversorgung durch den Einbau eines Zählers mit integrierter Zapfstelle einzuschränken.“

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Stromsperre im Haus in Bochum-Linden war unumgänglich

Nun ist es passiert: Die Mieter können nicht mehr heizen, nicht den Aufzug im Flur benutzen. Um zu duschen, fahre er zu seiner Mutter nach Harpen, sagt Mieter Oliver Eckler. Für kalte Tage wolle er sich eine Standheizung kaufen und sich die zusätzlichen Kosten von der Vermieterin zurückholen.

Die Kollektivstrafe für alle Mieter in dem sozialen Wohnungsbau halte er für unverhältnismäßig. Oliver Eckler selbst besteht darauf: Er habe seine Nebenkosten an die Vermieterin überwiesen. Bei anderen Mietern seien allerdings die Abrechnungen zum Teil falsch gewesen, weswegen sie nicht alle Kosten gezahlt haben.

„Wir haben allerdings alle vorgeschriebenen Stufen des Mahnverfahrens eingehalten und sind allen Informationspflichten nachgekommen.“

Christian Seger, Sprecher der Stadtwerke Bochum

Sollte das so sein, müsse die Vermieterin einspringen, betont die Verbraucherzentrale. Die Vermieterin sei als Vertragspartnerin in der Pflicht, die offenen Forderungen an die Stadtwerke zu zahlen und sich im Nachhinein das Geld von den Mietern zurückzuholen, erklärt Kolja Ofenhammer, Referent der Verbraucherzentrale NRW.

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Vermieterin hat offene Posten bei den Stadtwerken Bochum

Sperrandrohungen seien in dem Haus in Linden leider keine Seltenheit, sagt der Mieter Oliver Eckler. „Zweimal im Jahr bekommen wir die.“ So weit, dass der Strom aber tatsächlich abgestellt wurde, sei es bislang nie gekommen.

Doch wie geht es jetzt weiter? „Um die Versorgung wieder aufnehmen zu können, muss die offene Forderung beglichen werden“, sagt Stadtwerke-Sprecher Seger. Eine andere Möglichkeit wäre ein neu geschlossener Vertrag über die Mietergemeinschaft. Die entstandenen Forderungen wären davon dann nicht betroffen.

Stromsperre der Stadtwerke Bochum immer die letzte Option

Seit wann die offenen Posten bei den Stadtwerken bestehen, kann das Unternehmen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht beantworten. Den Strom abzustellen, sei jedenfall immer die letzte Option.

Doch die ist in Bochum-Linden eingetreten. Oliver Eckler zeigt sich empört. Jahrelang habe er selbst Arbeiten in dem Haus übernommen, beispielsweise das Unkraut entfernt, die Beete vor dem Haus gepflegt. „Und das ist jetzt der Dank?“

Stadtwerke Bochum droht mehrmals im Jahr Stromsperren an

Rund 25 mal im Jahr drohen die Stadtwerke Bochum Stromsperren für vermietete Häuser an. „In der Hälfte der Fälle werden die offenen Forderungen kurz vor Durchführung der Sperrungen beglichen“, sagt Christian Seger, Sprecher der Stadtwerke Bochum.

In rund einem Viertel der Fälle werden die offenen Zahlungen kurz nach der Sperrung beglichen. „Ansonsten schließen wir einen Vertrag mit der Mietergemeinschaft“, so Seger.