Wattenscheid-Westenfeld. Kein Hausstrom, kein Wasser? Genau das droht knapp 60 Mietern in Wattenscheid. Ein Immobilienkonzern soll die Nebenkosten nicht bezahlt haben.

Der Brief von den Stadtwerken Bochum war für Yaşar Akgül ein Schock. Vor knapp einer Woche liegt er bei dem 46-Jährigen im Briefkasten. Auch viele seiner Nachbarn vom Frankenweg in Wattenscheid-Westenfeld erhalten das offizielle Schreiben, das den Mieterinnen und Mieter seitdem den Schlaf raubt.

„Leider müssen wir Ihnen die unerfreuliche Nachricht machen, dass unser Vertragspartner seinen Verpflichtungen seit längerer Zeit nicht nachgekommen ist.“
Stadtwerke Bochum

„Wie Ihnen bekannt ist, versorgen wir das (…) Haus mit Strom und Wasser für die allgemeine Versorgung. Die daraus entstehenden Kosten rechnen wir mit Resident West GmbH ab. Leider müssen wir Ihnen die unerfreuliche Nachricht machen, dass unser Vertragspartner seinen Verpflichtungen seit längerer Zeit nicht nachgekommen ist.“ Am 8. Mai werde deshalb der Strom abgestellt. Wasser könne nur noch über eine „Zapfstelle“ im Keller entnommen werden.

Wattenscheider Mieter zahlen pünktlich Nebenkosten, doch das Geld kommt nicht an

Zähneputzen also demnächst im Keller? Yaşar Akgül und seine Nachbarn zeigen sich verwirrt. „Wir haben immer unsere Nebenkosten an den Vermieter bezahlt“, sagt er. „Und das nicht zu wenig, zuletzt kamen sogar immer Nachforderungen. 600 Euro mussten welche nachbezahlen, das ist bei den Stadtwerken aber ja offensichtlich nicht angekommen“, sagt Agnieszka Gemander (49). „Wo ist unser Geld hin?“

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Ein kleiner Trost: Für die eigenen Wohnungen haben die Mieter selbst Stromverträge abgeschlossen. Aber: Auch wenn es „nur“ der Hausstrom ist. Agnieszka Gemander etwa stellt das vor größere Probleme. „Ich habe einen behinderten Sohn. Wenn der mich besuchen kommt, dann bin ich auf den Aufzug angewiesen.“ Ganz zu schweigen vom Wasser-Problem. Allerdings haben nicht alle der knapp 60 Mieter die Drohung erhalten, bald kein Wasser mehr zu haben. Warum? Das versteht dort keiner.

Mieterverein in Bochum kennt das Problem

Yaşar Akgül – seine Nachbarn nennen ihn „Chef“ – hat versucht, bei der Resident West GmbH jemanden zu erreichen. Vergeblich. Die Verträge sind mit dem Immobilienkonzern „Adler Group“ abgeschlossen. Die gilt als einer der größten Immobilienentwickler des Landes, gleichzeitig als finanziell sehr angeschlagen. Für die Wattenscheider waren die Zuständigen zunächst nicht erreichbar. „Die ducken sich weg und wollen nichts davon wissen“, sagt Akgül. Und nun?

Yaşar Akgül kümmert sich.
Yaşar Akgül kümmert sich. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Beim Mieterverein ist das Problem der Westenfelder bereits bekannt. „Die Stadtwerke sind leider nicht bereit, auf Versorgungssperren gänzlich zu verzichten, auch dann nicht, wenn es Vermieter sind, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, die Leidtragenden aber die Mieter sind“, sagt Sprecher Aichard Hoffmann.

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Tatsächlich sei es so, dass allein die Androhung einer Versorgungssperre in den allermeisten Fällen ausreicht, dass dann doch eine Zahlung erfolgt. Kommt es doch einmal zu einer Sperrung, dauere sie im Schnitt nicht länger als 24 Stunden, da dadurch ein enormer Druck auf die Vermieter entstehe.

„Wir raten den Mietern, sehr böse Schreiben an den Vermieter zu schicken, mit der Androhung einer 100-prozentigen Mietminderung, sollte es tatsächlich eine Sperrung geben. Das hilft fast immer.“
Aichard Hoffmann - Mieterverein Bochum

„Wir raten den Mietern, sehr böse Schreiben an den Vermieter zu schicken, mit der Androhung einer 100-prozentigen Mietminderung, sollte es tatsächlich eine Sperrung geben. Das hilft fast immer.“

Eine andere Möglichkeit: Mieter können die allgemeinen Nebenkosten direkt an die Stadtwerke bezahlen. „Dazu müssen sich die Bewohner eines Hauses zusammenschließen und einen ‚Kümmerer‘ auswählen, der bereit ist, das Geld (...) einzusammeln und zu überweisen. Das klappt meistens in gutbürgerlichen Nachbarschaften, aber selten in sozial und ethnisch stark gemischten Umgebungen.“

Nach WAZ-Anfrage bewegt sich etwas, doch die Mieter bleiben skeptisch

Nur kurze Zeit nach der Anfrage der WAZ scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Von den Stadtwerken heißt es, dass der Eigentümer eine neue Wohnungsverwaltung beauftragt habe. „Wir stehen mit dieser in Kontakt und sind zuversichtlich, den Vorgang im Sinne aller Beteiligten kurzfristig abschließen zu können.“

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Auch die Adler Group meldet sich zurück: „Aufgrund eines technischen Fehlers konnten die Überweisungen noch nicht für alle Hauseingänge ausgelöst werden. Wir stehen mit den Stadtwerken in Verbindung und prüfen und veranlassen alle Zahlungen so schnell wie möglich, Strom und Wasser werden nicht abgestellt.“ Man bitte die Betroffenen um Entschuldigung.

Yaşar Akgül zeigt sich immer noch skeptisch. „Hoffen wir mal, dass das auch so klappt. Denn ohne Wasser will ich hier nicht sein und eine Ausweichmöglichkeit habe ich nicht.“

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