Bochum. Einmal im Monat treffen sich Senioren in einer Bochumer Wohnanlage zur Kaffeetafel mit Bingo. Jetzt schritt das Ordnungsamt ein. Das könnte Folgen haben.

Die Kaffeetafel ist gedeckt. Der Kaffee duftet. Auf den Tellern liegt ein Stück Schwarzwälder Torte, selbst gebacken. Den Tisch schmückt eine blauweiße Oktoberfest-Tischdecke. Es ist ja Wiesn-Zeit. Alles ist hergerichtet für einen gemütlichen Senioren-Nachmittag mit Bingo-Spiel in der Wohnanlage der Bochumer Wohnstätten an der Franz-Vogt-Straße in der Bochumer Innenstadt. Doch die Stimmung ist schlecht, denn der Senioren-Runde droht das Aus, seit das Ordnungsamt plötzlich auf der Matte stand.

Ordungsamt macht Kontrolle: Bochumer Bingo-Runde droht das Aus

Ein paar Tage ist es her, als es bei Gabriele Klatt klingelt. Sie organisiert seit März einmal im Monat „für 20 bis 25 Leute“ den Seniorennachmittag im Haus, kümmert sich um Kaffee und Kuchen und besorgt kleine Präsente für das Bingo. „Hier ist das Ordnungsamt“, hört sie durch die Gegensprechanlage, denkt aber zunächst an einen Scherz ihrer Kinder. Doch es sind tatsächlich zwei Mitarbeiter der Stadt, die ihr einen Besuch abstatten.

„Ich will hier doch keinen Gewinn machen. Ich versuche nur, es den Leuten gemütlich zu machen, damit die ein bisschen Abwechslung im Alltag haben.“

Gabriele Klatt (betreut Senioren in einer Bochumer Wohnanlage)

„Die beiden sagten mir, ich hätte eine Ordnungswidrigkeit begangen, weil ich Kaffee und Kuchen verkaufen würde“, schildert Gabriele Klatt das Gespräch. Nein, habe sie gesagt, sie mache das ehrenamtlich und bekomme nur die Unkosten wieder rein. Sie führte die Männer vom Ordnungsamt daraufhin nach oben, wo der Spitzboden für die Senioren-Nachmittage genutzt wird; kostenlos zur Verfügung gestellt von den Bochumer Wohnstätten. Der Blick der Mitarbeiter sei dann auf die gedeckte Kaffeetafel und das Bingo-Spiel getroffen. „Die sagten dann ,Ach, Glücksspiel machen Sie auch‘“, erinnert sich Klatt. „Und sie fragten nach einem Gesundheitszeugnis, Fluchtwegen, Feuerlöscher.“

Gabriele Klatt betreut seit März die Senioren der Wohnanlage an der Franz-Vogt-Straße in der Bochumer Innenstadt. Derzeit ist die Stimmung eher betrübt.
Gabriele Klatt betreut seit März die Senioren der Wohnanlage an der Franz-Vogt-Straße in der Bochumer Innenstadt. Derzeit ist die Stimmung eher betrübt. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Sie sei total aufgeregt gewesen, sagt Gabriele Klatt, habe erklärt, dass sie für die Bingo-Karten nur Cent-Beträge nehme und davon dann die Präsente kaufe. „Ich will hier doch keinen Gewinn machen. Ich versuche nur, es den Leuten gemütlich zu machen, damit die ein bisschen Abwechslung im Alltag haben.“ Den Gemeinschaftsraum gebe es seit den 80er Jahren.

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Die vom Ordnungsamt seien sehr nett gewesen, sagt Klatt. Man habe sie aufgeklärt, dass Spenden okay und Treffen erlaubt seien, wenn die Leute sich ihre Verpflegung selbst mitbrächten. Und dass man keinen öffentlichen Aushang machen sollte, wie in der Vergangenheit geschehen. Unklar sei die Sache mit den Fluchtwegen. „Da wollte man das Bauordnungsamt mit ins Boot holen, hieß es“, so Klatt.

Illegales Glücksspiel? Verkauf von Kaffee und Kuchen? Für die Stadt Bochum liegt das Problem woanders

Der Schock sitzt nun tief. Die älteren Herrschaften verstehen die Welt nicht mehr und sind verunsichert: Was dürfen sie noch? Und was nicht? „Das ist schon allerhand“, sagt Christa Grund und spricht allen aus dem Herzen: „Ich gehe sonst nirgends mehr hin und bin froh, diese Gruppe zu haben.“ Das sei doch unheimlich wichtig, damit man nicht vereinsamt, sagt Angelika Möller, die 24 Jahre für die Bochumer Wohnstätten gearbeitet hat und Gabriele Klatt unterstützt. Diese will deshalb will auch nicht aufgeben: „Das ist hier mein Baby. Das lasse ich mir nicht einfach wegnehmen.“ Bingo wolle man aber erstmal nicht mehr spielen. „Das trauen wir uns gerade nicht.“

Mit einem Treppenlift gelangen die Seniorinnen und Senioren in den Gemeinschaftsraum der Bochumer Wohnstätten.
Mit einem Treppenlift gelangen die Seniorinnen und Senioren in den Gemeinschaftsraum der Bochumer Wohnstätten. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Dabei ist das anscheinend das geringste Problem. Das dürfte laut Stadt Bochum eher „baurechtlicher Natur“ sein, wie Sprecher Peter van Dyk auf WAZ-Anfrage mitteilt. Die Adresse sei ein reines Wohnhaus. Und dort werde eine leer stehende Wohnung für Treffen genutzt. Das sei nicht rechtens und werde nun vom Bauordnungsamt geprüft. Das Ergebnis stehe noch aus, „aber wir gehen davon aus, dass es nicht statthaft ist, den Raum zu nutzen“, so van Dyk.

Stadt Bochum: Mietpartei aus dem Haus hat sich über die Senioren-Nachmittage beschwert

Er betont, dass die Verwaltung keinen Spielenachmittag kaputt machen und niemanden kriminalisieren wolle. Das Ordnungsamt sei von einer Mietpartei aus dem Haus kontaktiert worden. Diese habe sich über die Senioren-Runden und die damit verbundene Geräuschkulisse beschwert. „Wir sind verpflichtet, solchen Hinweisen nachzugehen“, erklärt Peter van Dyk. Vor Ort habe durch das Ordnungsamt „eine Beratung stattgefunden“. Verbunden allerdings auch mit der Erkenntnis, dass diese Treffen wohl „nicht weiter so stattfinden können“. Man schaue jetzt, „ob wir das regelkonform lösen können“, sagt van Dyk. „Wir wollen ja gerne helfen.“

+++Was macht die WAZ Bochum eigentlich bei Instagram? Die Redakteurinnen Inga Bartsch und Carolin Rau geben im Video einen Einblick.+++

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Bei den Bochumer Wohnstätten kann man den ganzen Wirbel nicht nachvollziehen. Die Wohnung im Dachgeschoss sei seit jeher als Gemeinschaftsraum angelegt, sagt Vorstandsassistentin Jutta Thiele. Man sei froh, dass der Senioren-Treff durch Gabriele Klatt wiederbelebt worden sei. „Ist doch toll, wenn sie so miteinander kommunizieren können. Wie oft liest man, dass sich niemand um die älteren Leute kümmert?“ Die weitere Entwicklung wolle man jetzt erstmal abwarten, „bis uns schriftlich etwas vorliegt“.