Bochum-Werne. Lana aus Bochum hat mit sieben Mitschülerinnen ein Jahr lang ehrenamtlich in einem Altenheim geholfen. Das steckt hinter dem besonderen Projekt.
Freitagmittag, der Gong ertönt. Für die meisten Kinder der Willy-Brandt-Gesamtschule beginnt das Wochenende – für acht Schülerinnen hingegen geht es vorher noch in ein Seniorenheim, denn sie haben sich entschieden, dort ein Jahr lang freiwillig mitzuhelfen. Jeden Freitag von 14 bis 15.30 Uhr besuchen die Mädchen das Awo-Seniorenzentrum und die Tagespflege im Oberlinhaus in Bochum-Werne.
Es ist das zweite Jahr, in dem Martina Mokry, Lehrerin an der Gesamtschule, die Sozial-AG „Care4Future“ anbietet, bei der Schülerinnen und Schüler den Pflegeberuf kennenlernen können. Gemeinsam mit Peter Mattern, dem Koordinator für Studien- und Berufsorientierung, kümmert sie sich um die Kooperation mit den Einrichtungen.
Berufsorientierende AG bietet Einblicke in den Pflegealltag
Im Rahmen der AG konnten die Kinder praktische Erfahrungen sammeln und theoretisches Wissen über den Pflegeberuf aufbauen.
An der Hochschule für Gesundheit in Bochum haben sie unter anderem gelernt, wie man mit den Patientinnen und Patienten umgeht und wie man Vitalzeichen misst, Körpertemperatur, Blutdruck und Puls beispielsweise. In den Theoriestunden gab es außerdem Vorträge zum Aufbau der Pflegeausbildung. Dafür hat eine Auszubildende des Awo-Seniorenzentrums die Mädchen besucht und von ihren Erfahrungen erzählt.
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Den Großteil der Zeit haben die Schülerinnen damit verbracht, gemeinsam mit den alten Menschen zu spielen, zu basteln und zu singen. „Das ist wichtig, weil sie oft an Langeweile leiden. Wir helfen den Menschen und haben zusammen Spaß“, erzählt die 16-jährige Lana.
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Schülerinnen versetzen sich in die Lage alter Menschen
Eine prägende Erfahrung sei das Tragen eines sogenannten „Alterssimulationsanzugs“ gewesen. Durch die daran befestigten Gewichte konnten die Schülerinnen ein Gefühl dafür bekommen, wie anstrengend scheinbar kleine Tätigkeiten im Alltag einer pflegebedürftigen Person sein können. Zusätzlich durften die Teenager eine Brille aufprobieren, durch die sie nur schwer sehen konnten, um auch die Einschränkungen durch ein vermindertes Sehvermögen nachzuempfinden. Beim Rollstuhlführerschein haben die Mädchen geübt, sich gegenseitig zu schieben und erfahren, wie es sich anfühlt, selbst im Rollstuhl zu sitzen.
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Dass das für die betroffenen Menschen oft nicht leicht ist, merkten die Schülerinnen auch bei ihren Besuchen. „Für mich war es nicht leicht zu erleben, wie Leid und Tod im Seniorenheim alltäglich sind“, erzählt die 14-jährige Kamla. Trotzdem überwiegen die schönen Momente, die die jungen und alten Menschen miteinander teilen. „Wir wollten gar nicht nach Hause gehen, wir wollten bei den Senioren bleiben“, erinnert sich Lana lächelnd.
Lehrkräfte sind stolz auf ihre Schülerinnen
Dass sich die 14- bis 16-Jährigen in ihrer Freizeit um die pflegebedürftigen Menschen kümmern, freut die Lehrkräfte der Gesamtschule enorm. „Uns ist es wichtig, den Kindern die Angst vor der Altenpflege zu nehmen, denn es wird immer mehr alte Menschen geben“, erklärt Schulleiterin Claudia Högemann. Durch die AG sollen Vorurteile bewusst abgebaut und realistische Einblicke ermöglicht werden. Peter Mattern betont: „Dass sich die Schülerinnen freiwillig engagieren, muss ich wirklich noch einmal hervorheben. Das ist nicht selbstverständlich. Wir freuen uns, dass alles so gut funktioniert hat – vom Kontakt mit den Kooperationspartnern bis zur Betreuung durch die Kinder.“
„Wir wollten gar nicht nach Hause gehen, wir wollten bei den Senioren bleiben.“
Martina Mokry ist überzeugt, dass die AG sowohl ein Gewinn für die Jugendlichen als auch für die älteren Menschen ist. „Im letzten Jahr ist etwas Besonderes passiert“, erinnert sie sich. „Im Pflegeheim gab es einen älteren Mann, der nie gesprochen hat. Als sich einer unserer Schüler längere Zeit mit ihm beschäftigt hat, hat sich das geändert – er hat wieder gesprochen.“
Auch die Schülerinnen sind sich einig: Die Teilnahme an dem Projekt lohnt sich. Der 15-jährigen Almina gefiel es sogar so gut, dass sie nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zur Pflegerin beginnen wird.
Das Netzwerk „Care4future“
Die Initiative „Care4future“ vernetzt Schulen auf regionaler Ebene mit Unternehmen sozialer Berufe. Ziel des Programms ist es, Nachwuchskräfte zu gewinnen, Berufsorientierung zu bieten und den Ruf des Pflegeberufs zu verbessern.
Durch das Netzwerk habe auch in diesem Jahr der Austausch mit dem Awo-Seniorenzentrum und der Tagespflege im Oberlinhaus gut funktioniert, berichten die Lehrkräfte. Die Kooperation mit den Einrichtungen sei unkompliziert gewesen und habe Freiräume für verschiedene Interessen geboten.