Bochum. Wenn „Bosy pur“ auf dem Programm im Musikforum Bochum steht, gibt es kaum noch Karten. Doch warum? Violinist Raphael Christ kennt die Antwort.

„Bosy pur“: Diese womöglich etwas rätselhafte Abkürzung zieht die Konzertbesucher im Musikforum magisch an. Denn die Pur-Konzerte der Bochumer Symphoniker tanzen im besten Sinne aus der Reihe. Es gibt keinen Dirigenten, der den Musikern von oben herab den Weg weist. Das Orchester spielt nicht bequem im Sitzen, sondern es steht – und die Leitung hat einer, der seit einigen Jahren zu einem Publikumsliebling avanciert ist: der erste Geiger Raphael Christ (41).

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Einige Konzerte suchen ihr Publikum – aber nicht „Bosy pur“

Entsprechend groß ist die Nachfrage: Während andere Symphoniekonzerte sichtlich ihr Publikum suchen, gibt es für „Bosy pur“ oft kaum noch Karten. Doch wo liegt das Geheimnis dieser kleinen Konzertreihe? Wenn man Raphael Christ danach fragt, leuchten seine Augen: „Das ist ein Juwel, wie man es in den Konzerthäusern der Umgebung kaum findet“, sagt er. „Und es macht einfach unfassbar großen Spaß.“

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Der Ursprung von „Bosy pur“ geht in eine Zeit zurück, in der die Symphoniker noch im Schauspielhaus gastierten. „Noch vor der Eröffnung des Musikforums im Jahr 2016 gab es plötzlich die Idee, das Orchester einfach ohne einen Dirigenten spielen zu lassen“, erinnert sich Christ. Der Vorteil: Die Musiker rücken so wesentlich stärker in den Mittelpunkt. „Das ist fast wie bei einem Kammerkonzert, nur mit großer Besetzung.“

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Raphael Christ, der 2011 als junger Violinist nach Bochum kam, traute sich die Leitung dieser ungewöhnlichen Reihe zu. Das Kunststück, das er dabei vollbringt, ist kein kleines: Er spielt auf seiner Geige die nicht selten herausfordernden Stücke – und treibt gleichzeitig die Kollegen in Sachen Tempo und Dynamik um ihn herum an. „Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir stehen“, sagt er. „Man ist die ganze Zeit in Bewegung.“

„Die ganze Zeit in Bewegung“: Bei den „Bosy pur“-Konzerten stehen die Musiker auf der Bühne, statt wie üblich zu sitzen. Diese Energie beim Spielen überträgt sich auch aufs Publikum.
„Die ganze Zeit in Bewegung“: Bei den „Bosy pur“-Konzerten stehen die Musiker auf der Bühne, statt wie üblich zu sitzen. Diese Energie beim Spielen überträgt sich auch aufs Publikum. © Bochumer Symphoniker | Svenja Hanusch

Als sogenannter Konzertmeister, im Volksmund auch „erster Geiger“ genannt, steht Raphael Christ ohnehin häufig im Fokus. Sein Platz ist vorn in der ersten Reihe, er darf zu Konzertbeginn traditionell die Hand des Dirigenten schütteln. Im Notfall gehört es auch zu seinem Job, einzuspringen, wenn etwas Schlimmes passiert. So übernahm Christs Vorgänger Roeland Gehlen mal mitten im Konzert kurzerhand das Dirigat, als der frühere Generalmusikdirektor Steven Sloane plötzlich kreidebleich von der Bühne stürmte. „Das ist mir aber zum Glück noch nicht passiert“, sagt Christ lächelnd.

Wenn das Orchester unberechenbar wird

Eines Tages selbst als Dirigent zu arbeiten, damit hat sich der 41-Jährige durchaus schon beschäftigt. „Aber das ist ein schwerer Job“, sagt er. Gerade wenn die Proben mal nicht so laufen, wie geplant, könne ein Orchester schnell zur unberechenbaren Macht werden. „Man muss den ganzen Apparat schon gut zusammenhalten können.“

Doch eigentlich liebt Raphael Christ kaum etwas mehr als seine Violine. Schon lange spielt er ein Instrument des Geigenbauers David Tecchler aus dem Jahr 1714. „Mit ihr fühle ich mich auf der Bühne sicher“, meint er. Ganz kurz liebäugelte er in seiner Jugend mit einer Karriere als Fußballer (beim VfB Lichterfelde in Berlin), doch das musikalische Gen liegt bei ihm einfach in der Familie. Raphaels Vater Wolfram Christ war langjähriger Solo-Bratschist bei den Berliner Philharmonikern, seine Schwester Sarah ist Harfenistin. „Mein Weg war also irgendwie vorgezeichnet“, meint er lächelnd.

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Die schwerste Lektion eines erfolgreichen Musikers lernte Christ schnell. Denn ohne ellenlanges und ausdauerndes Üben geht es nicht. Noch heute spielt er jeden Tag 90 Minuten lang die Tonleiter. „Eigentlich zählt nur der Fleiß.“

Nächstes „Bosy pur“-Konzert am Mittwoch

Das nächste Konzert der Reihe „Bosy pur“ findet am Mittwoch, 4. September, um 20 Uhr im Anneliese-Brost-Musikforum am Marienplatz 1 statt. Unter dem Titel „Wien klassisch“ erklingt zunächst die erste Symphonie von Sergej Prokojew, darauf „zehn Walzer für Streicher“ von Arnold Schönberg.

Nach der Pause folgt die Symphonie Nr. 3 von Franz Schubert. „Ein echtes Feuerwerk“, verspricht der musikalische Leiter Raphael Christ. Es gibt noch einige Karten: 0234 910 86 86.

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