Bochum. Aus NRW werden derzeit die meisten Menschen in Deutschland abgeschoben. In Bochum geht die Zahl der Abschiebungen aber deutlich zurück.
Nach dem Anschlag von Solingen ist das Thema „Abschiebung“ in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt. Bochum hat im vergangenen Jahr 17 Personen, darunter vier Minderjährige, abgeschoben. Das sind so wenige wie seit vielen Jahren nicht mehr (Grafik).
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Die Zahl der abgeschobenen Personen hat seit 2017, dem Höchststand in der jüngeren Vergangenheit, fast kontinuierlich abgenommen. So mussten etwa 2016 insgesamt 122 Menschen das Land verlassen, im Jahr darauf sogar 152. 2018 waren es bis zum Monat August schon 74; darunter war auch der spektakuläre Fall des Sami A, und am Ende 99.
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Zahl der geduldeten Personen sinkt um die Hälfte
Seitdem ist die Zahl der Abschiebungen mit einer Ausnahme (2021) rückläufig. Allerdings gibt es derzeit auch deutlich weniger geduldete Menschen in der Stadt. Während sich 2021 nach Auskunft der Verwaltung insgesamt 1125 geduldete Menschen in Bochum aufhielten, die zu diesem Zeitpunkt „ausreisepflichtig“ waren, aber vor allem aus humanitären Gründen bleiben durften (950), sind es aktuell noch 542 Personen. 527 davon sind, so die Stadt, Geduldete. Als „Duldungstatbestände“, wie es heißt, werden u.a. fehlende Passersatzpapiere, fehlende Flugverbindungen, gesundheitsbedingte Reiseunfähigkeit und Abschiebeverbote genannt.
Zurückzuführen ist der deutliche Rückgang ausreisepflichtiger Menschen vor allem durch neue gesetzliche Regelungen, heißt es. „Beispielsweise reduzierte sich durch die Einführung des sogenannten Chancenaufenthaltsrechts die Zahl der Ausreisepflichtigen in Bochum um rund die Hälfte“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk.
Von den 472 Personen, die bis zum März 2024 eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Chancenaufenthaltsgesetz bekommen haben, wurde 39 unterdessen ein dauerhafter Aufenthalt gewährt (Stand Mai 2024).
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Ausreisepflichtige Personen bleiben aus unterschiedlichen Gründen
Auch 2023 waren eigentlich ausreisepflichtige Angehörige aus sogenannten Drittstaaten geschützt, wie aus einer Antwort der Verwaltung auf Anfrage der Ratsfraktion „Frieden, Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ vom Anfang des Jahres hervorgeht: 226 aus humanitären Gründen sowie 84 aufgrund einer Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung. Darüber hinaus haben 333 ein 18-monatiges Chancenaufenthaltsrecht bekommen, weil sie seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben.
Bochums Stadtverwaltung begrüßt nach eigenen Angaben die Einführung des Chancenaufenthaltsrechts. Damit werde „dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet lebenden geduldeten Ausländer nach einer Aufenthaltsperspektive in Deutschland Rechnung getragen“, so Andreas Mruck, Leiter des Amts für Bürgerservice, in einer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Partei/Stadtgestalter vor zwei Jahren.
Keine Angaben über gescheiterte Abschiebungen aus Bochum
Wie viele Menschen seit 2016 aus Bochum abgeschoben werden sollten, lässt sich nach Auskunft der Verwaltung nicht sagen. „Da es sich bei der Abschiebung um die zwangsweise Durchsetzung der vollziehbaren Ausreiseverpflichtung handelt, wird die Abschiebung nicht als solche beantragt“, sondern unter Beteiligung verschiedener Behörden eingeleitet. Die Gründe für abgebrochene Abschiebemaßnahmen seien vielfältig und werden nicht statistisch erfasst. „Die Hauptgründe sind unter anderem, dass Flüge ausfallen, die Betroffenen nicht am Wohnort angetroffen werden und Weigerungen der Fluggesellschaften bzw. der Pilotinnen und Piloten, die Betroffenen aufgrund von Widerstandshandlungen zu befördern“, so der Stadtsprecher.
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Nach Angaben des Landes ist im vergangenen Jahr mehr als jede zweite Abschiebung in NRW gescheitert. 3663 Rückführungen hat es 2023 gegeben, in 3967 Fällen hätten diese nicht funktioniert. Knapp 23 Prozent der bundesweiten Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen entfielen Jahr 2023 auf NRW.