Bochum. In „Bochum auf den zweiten Blick“ zeigt Autor Hans H. Hanke unbekannte Ecken der Stadt. Selbst für alteingesessene Bochumer dürfte viel neu sein.
Da glaubt man immer, diese Stadt so gut wie seine berühmte Westentasche zu kennen, und dann das: In seinem neuen Stadtführer „Bochum auf den zweiten Blick“ führt der Historiker Hans H. Hanke zu 27 Orten, über die garantiert nicht jeder Bescheid weiß. Das sind etwa Straßen, Plätze, Häuser und Denkmäler, an denen man oft achtlos vorbeiläuft, ohne sich ihrer Besonderheiten bewusst zu sein. „Ich glaube, dass selbst für alteingesessene Bochumer viele Geschichten, die ich in dem Buch beschreibe, neu sind“, sagt Hanke. Hätten Sie es gewusst? Hier sind fünf verborgene Schätze mitten in Bochum.
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Alte Türgriffe aus dem Stadtbad
Die Älteren erinnern sich: Auf der Massenbergstraße unweit des Hauptbahnhofs befand sich von 1952 bis 1998 ein großes Hallenbad, um dessen Abriss es einst heftige Diskussionen gab. Autor Hans H. Hanke gehörte als Denkmalpfleger einst zu jenen, die ein Bürgerbegehren zum Erhalt des Bades starteten, letztlich ohne Erfolg.
Wer heute die Bar „Mississippi“ neben dem Union-Kino im Bermudadreieck betrifft, greift beim Schritt durch die Tür automatisch an ein Stück Stadtgeschichte. Denn an der Eingangstür finden sich die Original-Türgriffe, die einst den Weg in die Sauna des Stadtbades öffneten. Auch am Café Tucholsky sind diese geschwungenen Griffe aus den 50er Jahren zu finden. „Bevor das Bad abgerissen wurde, durften der Gastronom Johannes Dittfeld und ich einiges daraus mitnehmen“, erzählt Hanke. „So kamen die Griffe damals an Dittfelds neue Kneipe.“
Mosaik auf dem Goetheplatz
Wer auch immer die Kortumstraße hinauf in Richtung Stadtpark und Kunstmuseum unterwegs ist, trampelt achtlos darüber hinweg: ein Mosaik, das auf dem Goetheplatz neben dem Gymnasium zu finden ist. Es gehörte einst zum großen Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das von 1904 bis 1946 direkt vor der Villa Marckhoff-Rosenstein aufgestellt war.
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Was kaum jemand weiß: Das Mosaik war einst Teil dieses Denkmals. Es besteht aus den Farben des Deutschen Kaiserreichs, das von 1871 bis 1918 bestand, das kleine Dreieck zeigt die damalige Landesflagge in Schwarz-Weiß-Rot.
Abenteuerliche Gaststätte
An der Fassade der ehemaligen Gaststätte Fritz Bruch an der Wasserstraße / Ecke Wittener Straße lauert das Abenteuer. Denn der Inhaber dieser ehemaligen Wirtschaft führte ein Leben wie kaum ein anderer. Bevor er nach Bochum kam, um hier eine Schankwirtschaft zu eröffnen, war Fritz Bruch (1854-1937) ein Abenteurer vor dem Herrn. Er heuerte als Schiffsjunge auf einem alten Dampfer in Rotterdam an, trieb als Schiffbrüchiger auf einem Floß vor Australien und arbeitete als Ingenieur in San Francisco, wo er die berühmten Cable Cars mitbaute. Er war Goldgräber, Farmarbeiter, Walfischjäger und Matrose bei der deutschen Marine.
Wer genau hinschaut: „An der Fassade des Hauses sind seine Abenteuer für immer verewigt“, erzählt Hanke. Hier findet sich etwa ein Anker für die Seefahrt und ein Kabel für die Kabelbahnen.
Kleinstes Kriegsdenkmal der Stadt
Vor der grünen Kulisse des ehrwürdigen Schrebergartens Ehrenfeld an der Ostermannstraße 2a steht eine Säule, das wohl kleinste Kriegsdenkmal in Bochum. Darauf zu finden: die Namen von zwölf Schrebergärtnern, die im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 ums Leben kamen, und der Name einer gewissen Edith Wienicke, die 1923 gestorben sein soll. Laut Widmung soll auch sie „für das Vaterland“ gestorben sein, fünf Jahre nach Ende des Krieges. Hanke wurde stutzig: „Da habe ich viel recherchiert“, erzählt er.
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Dabei heraus kam: Wienicke soll am 1. Juni 1923 von einem Lastwagen auf der Kortumstraße / Ecke Bongardstraße überfahren worden sein, der von einem Soldaten zur Zeit der französischen Ruhrbesetzung gesteuert worden sein soll. „Es könnte sich aber auch um einen ganz normalen Unfall gehandelt haben“, so Hanke.
Geheimnisvoller Notenschlüssel
Am Ende des Prattwinkels in Grumme funkelt ein großes, buntes Mosaik, das einen Notenschlüssel zeigt. „Von hier entspinnt sich eine heute komplett vergessene Geschichte eines Bochumer Kulturortes“, so Hanke. Gemeint ist das Musikhaus Kühl, das von 1951 bis 1986 neben der heutigen Drehscheibe an der Kortumstraße beheimatet war. Hier konnte man Musikinstrumente, Noten und Schallplatten kaufen. Auch von diesem längst verschwundenen Laden erzählt Hanke in seinem Buch so unterhaltsam wie kenntnisreich.
Lesung aus dem Stadtführer
Der Autor Hans H. Hanke ist Historiker, Denkmalpfleger und lehrt an der Ruhr-Universität. Ehrenamtlich leitet er den Geschichtsverein Kortum-Gesellschaft und war lange für die SPD im Kulturausschuss aktiv.
Das Buch „Bochum auf den zweiten Blick“ ist im Klartext-Verlag erschienen (168 Seiten, 18,95 Euro). Bei einer Lesung am Donnerstag, 29. August, um 19 Uhr in der Buchhandlung Mirhoff & Fischer, Pieperstraße 12, stellt Hanke es ausführlich vor.