Bochum. Rund 250 Fußballfans des VfL Bochum und des BVB hatten sich am Kemnader See geprügelt. Freiwillig. Angeklagt war ein polizeibekannter Bochumer.

Es war eine der größten Massenschlägereien von gewaltbereiten Fußballfans in Bochum. Rund 250 Menschen aus den rivalisierenden Fankreisen des VfL Bochum und des BVB prügelten sich nach vorheriger Verabredung am Ufer des Bochumer Stausees: „Die Schlacht vom Kemnader See“ ist ein viel beachtetes Video von der Tat überschrieben, das im Internet kursiert. Am Montag beschäftigte sich das Bochumer Schöffengericht mit der Gewaltorgie.

Angeklagt war ein wegen Gewalt einschlägig vorbestrafter Bochumer wegen Landfriedensbruchs. Der 32-Jährige soll ein führendes Mitglied einer bekannten Bochumer Fan-Gruppe sein und die Massenschlägerei vorbereitet und koordiniert haben. „Ohne die Organisation des Angeklagten wäre es nicht zu der Schlägerei gekommen“, heißt es in der Anklageschrift.

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Am 11. Dezember 2021 (Samstag) trafen die Bundesligisten VfL Bochum und Borussia Dortmundim Ruhrstadion aufeinander – das erste Mal wieder, nachdem der VfL 2010 in die 2. Liga abgestiegen war. „Elf Jahre haben wir auf dieses Wochenende gewartet. Nun ist es endlich soweit“, stand in einem Chat zu lesen, den der Angeklagte unter einem Spitznamen im Vorfeld des Spiels angelegt und an dem rund 110 Gleichgesinnte teilgenommen haben sollen. Titel: „Ungebetene Gäste.“ Angebliches Ziel des Chats: Sich mit BVB-Fans nach dem Spiel prügeln und „unsere Stadt verteidigen“.

Tatsächlich flogen damals die Fäuste, wenige Stunden nach dem 1:1-Unentschieden der Fußballer. Ohne dass die Polizei davon rechtzeitig erfuhr, trafen sich gegen 21.14 Uhr an einem See-Parkplatz im Bereich Hevener Straße/Blumenau rund 250 gewaltbereite Fans beider Mannschaften. Die Bochumer in blau gekleidet, die Dortmunder in gelb.

Diese Schutzausrüstgungen für Schlägereien wurden bei einer Razzia nach der Tat von der Bochumer Polizei sichergestellt.
Diese Schutzausrüstgungen für Schlägereien wurden bei einer Razzia nach der Tat von der Bochumer Polizei sichergestellt. © Polizei Bochum

„Die Personengruppen stellten sich nach Farben in Reihen auf, rannten auf ein Kommando aufeinander zu und begannen, mit Faustschlägen und Tritten bei dem jeweiligen Gegenüber die größtmöglichen Verletzungen herbeizuführen“, so fasst das Gericht die Anklagevorwürfe der Staatsanwaltschaft zusammen. „Die Schläger hatten sich mit Beißschienen und Quarzsandhandschuhen ausgestattet.“ Sie sollen auch dann noch auf ihrer Gegner eingeprügelt haben, als sie längst am Boden gelegen hätten.

Nur zwei Minuten soll die Schlägerei gedauert haben. Unbeteiligte Zeugen alarmierten zwar die Polizei. Als diese am Tatort erschien, waren die Hooligans aber längst wieder verschwunden.

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„Eine der größten ausgemachten Auseinandersetzungen, die Ultra-Deutschland je gesehen hatte“

In dem eingangs erwähnten Internet-Video heißt es romantisierend, dass die Schlägerei „eine der größten ausgemachten Auseinandersetzungen“ gewesen sei, „die „Ultra-Deutschland zu diesem Zeitpunkt je gesehen hatte“. Es sei ein „faires Kräftemessen“ gewesen, bei dem die Bochumer unterlegen gewesen seien. „Obwohl man sich hasst, wird noch einigen liegen gebliebenen Bochumern wieder hochgeholfen, um den Ort des Geschehens möglichst schnell wieder verlassen zu können.“

Diese Beweismittel wurden sichergestellt

Bei der bundesweiten Razzia im April 2022 fanden die Polizistinnen und Polizisten umfangreiches Beweismaterial wie Smartphones, Tablets und andere tatrelevante Dokumente, Messer, Baseballschläger sowie etliche „Passivbewaffnung“.

Damit sind zum Beispiel Beißschienen gemeint, wie sie Boxer beim Wettkampf tragen, um ihr Gebiss zu schützen, Protektoren zum Schutz der Genitalien und andere Gegenstände. Auch Pyrotechnik und Betäubungsmittel  wurden beschlagnahmt.

Die Kripo hatte extra eine Ermittlungsgruppe eingesetzt: „EG See.“ Im April 2022 durchsuchte sie in einer konzertierten Aktion unter Leitung der Bochumer Staatsanwaltschaft insgesamt 49 Wohnungen in NRW, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein und Hamburg. Allein in Bochum waren es acht Wohnungen. Die Polizei sprach von einem „Schulterschluss gegen Gewaltkriminalität“.

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Bis heute hat die Staatsanwaltschaft rund 20 Anklagen gegen rund 20 Beteiligte wegen Landfriedensbruch erhoben. Die Anklage von diesem Montag endete mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen. „Die Beweislage ist dünn“, sagte Richterin Kristin Hohagen. „Sie war von Anfang an dünn. Man hat nichts Handfestes.“ Auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft (der nicht der Anklageverfasser selbst ist) hatte Freispruch beantragt.

Der Angeklagte hatte im Prozess vom Schweigerecht Gebrauch gemacht.