Bochum. Das lebendige jüdische Sportwesen wird auf einer neuen Erinnerungsstele thematisiert. Aus welchem Grund der jüdische Sport in Bochum entstand.

Wem verdankt Bochum den einzigen deutschen Meistertitel im Herrenfußball? Der jüdischen Mannschaft „Schild Bochum“. Damit Bürgerinnen und Bürger mehr über jüdisches Leben – und Sportler – in der Stadt erfahren, soll nun die Erinnerungsstele „Jüdischer Sport in Bochum“ errichtet werden. Eine entsprechende Beschlussvorlage wurde am Mittwoch einstimmig im Kulturausschuss beschlossen.

Jüdischer Sport in Bochum: Stadtakademie errichtet neue Stele

Als zehnte Infotafel soll diese sich in den Stelenweg einreihen, den die Evangelische Stadtakademie mit Unterstützung des Vereins „Erinnern für die Zukunft“ seit zehn Jahren Stück für Stück errichtet – zum Gedenken an die jüdische Gemeinde in Bochum.

Bei der Enthüllung der siebten Stele in 2019 betrachtet Ruth Frankenthal das Bild ihrer Eltern auf der Infotafel an der Brückstraße in Bochum.
Bei der Enthüllung der siebten Stele in 2019 betrachtet Ruth Frankenthal das Bild ihrer Eltern auf der Infotafel an der Brückstraße in Bochum. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Die Infotafel zum jüdischen Sport soll in der Nähe des früheren Vereinsheims von „Schild Bochum“ an der Castroper Straße/Ecke Blumenstraße entstehen, auf dem neu entstehenden Erich-Gottschalk-Platz. Mit dem Stelenweg will die Evangelische Stadtakademie jüdisches Leben „dort wieder sichtbar machen, wo es unsichtbar gemacht wurde“, erklärt Manfred Keller von der Akademie.

„Dem Antisemitismus prophylaktisch den Wind aus den Segeln nehmen.“

„Der Stelenweg wird durchaus angenommen. Das liegt daran, dass wir in freundlicher Weise und Interesse-weckend über jüdische Geschichte berichten“, so Keller mit Blick auf die neun unterschiedlichen Thementafeln in der Stadt. Die Stelen weckten Wertschätzung und Sympathie für die jüdischen Mitbürger – „damit erreichen wir eines unserer Ziele.“ Ein Ziel sei es, „dem Antisemitismus prophylaktisch den Wind aus den Segeln zu nehmen“, sagt Keller.

Finanzierung der Stelen

„Wir sind nur eine kleine Kulturakademie, solche Projekte liegen außerhalb unseres Haushalts“, erklärt Manfred Keller von der Evangelischen Stadtakademie.Daher seien sie immer auf der Suche nach finanzieller Unterstützung für den Stelenweg. Die zehnte Stele finanziert der Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW.Um die Text und Bildauswahl für die Infotafel kümmerten sich Ehrenamtliche. Kosten entstünden aber für die professionelle Gestaltung durch eine Dortmunder Designerin. „Die Kosten liegen bei etwa 10.000 Euro pro Stele, wobei das meiste Geld in das Material, die Druckkosten, den Stahl, das Betonfundament und Sicherheitsglas fließt“, so Keller.

„Wir hatten Befürchtungen mit Blick auf Vandalismus. Man muss angesichts des latenten Antisemitismus – auch in unserer Stadt – durchaus damit rechnen.“ Doch er sei positiv überrascht worden. „Wir hatten nur eine einzige kaputte Scheibe. Und auch da können wir nicht rekonstruieren, ob diese absichtlich oder versehentlich beschädigt wurde.“

Stele dokumentiert das lebendige jüdische Sportwesen in Bochum

Mit der neuen, zehnten Stele wolle die Evangelische Stadtakademie das lebendige jüdische Sportwesen in verschiedenen Sportarten und Disziplinen in Bochum darstellen. Die rein jüdischen Sportvereine hätten sich nicht freiwillig gebildet, „erst in den 1920ern, als der Antisemitismus stärker wurde“, erläutert der Religionswissenschaftler. „Je mehr sie ausgeschlossen wurden, desto stärker wurden die Clubs, weil irgendwann ja alle jüdischen Sportler in diese Vereine gingen“, so der einstige Leiter der Stadtakademie.

In der letzten jüdischen Fußballmeisterschaft im nationalsozialistischen Deutschland standen sich im Finale am 26. Juni 1938 dann die Bochumer Elf und der zweimalige Meister „Schild Stuttgart“ gegenüber. Bochum gewann mit 4:1 und führte die Stadt damit „zum bislang einzigen deutschen Meistertitel im Fußball“, heißt es in der Beschlussvorlage zur Stele.

Seit September 2021 steht die Stele „Erinnerungsort Nordbahnhof“ vor dem ehemaligen Nordbahnhof in Bochum.
Seit September 2021 steht die Stele „Erinnerungsort Nordbahnhof“ vor dem ehemaligen Nordbahnhof in Bochum. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Der Stelenweg hebe nicht darauf ab, lediglich das Unrecht an der jüdischen Bevölkerung zu dokumentieren, erklärt Keller. Oft werde das Judentum fast ausschließlich im Rahmen der nationalsozialistischen Zeit betrachtet. „Das macht man in der Schule zwei bis drei Mal und am Ende hängt es den Schülern zum Hals raus.“

Viel interessanter sei dagegen die jüdische Stadtgeschichte in den dreihundert Jahren, die der Zeit des Nationalsozialismus vorausgingen. „Die jüdischen Bürger mussten sich immer eine Nische suchen, da sie nicht in die Zünften und Gilden der christlichen Bevölkerung durften.“ So zeige ein überlieferter städtischer Haushaltsbericht 1616, dass jüdische Glasmacher „die Fenster im Rathaus flickten“.

Keller sei es wichtig zu vermitteln, dass die jüdische Minderheit Jahrhunderte lang ein friedliches, integriertes Leben in der Bochumer Gesellschaft geführt hat. „Sobald es ihnen gestattet war, haben sie sich in Vereinen organisiert und im Stadtinneren eine große Zahl jüdischer Fachgeschäfte eröffnet.“ Jüdische Händler hätten einen hohen Grad an Innovation eingebracht und neu entstehende Berufe besetzt – wie Klempner, Flaschner, Elektriker oder Betreiber von Telefon- oder Porzellangeschäften.