Bochum. Ein linkes Recherche-Portal wirft der Pächterin des „Haus am See“ eine Nazi-Vergangenheit vor. Das Restaurant selbst war früher Teil eines KZ.

Die neuen Pächter des Restaurants im Gebäude der ehemaligen Zeche Gibraltar am Kemnader See sehen sich mit Nazi-Vorwürfen eines linken Rechercheportals konfrontiert. Seit November 2020 haben Jennifer Killat (34) und Marlon Heigl (39) die ehemalige „Fabbrica Italiana“ direkt am Ufer des Sees gepachtet. Dort wollen sie in der ersten Etage vor See-Kulisse vor allem Hochzeitsfeiern ausrichten.

Die Hochzeitslocation Haus am See am Kemnader See in Bochum.
Die Hochzeitslocation Haus am See am Kemnader See in Bochum. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Ein linkes Rechercheportal will nun herausgefunden haben, dass sich Pächterin Jennifer Killat seit vielen Jahren in der Neo-Naziszene des Ruhrgebiets bewegt. Vor allem vor dem geschichtlichen Hintergrund – die Gebäude der ehemaligen Zeche waren im Nationalsozialismus ein Nebenlager des KZ Buchenwald – sei das nicht zu akzeptieren, heißt es.

KZ-Nebenstelle am Kemnader See

Die Zeche Gibraltar wurde 1925 geschlossen. Im ehemaligen Zechengebäude – dort wo heute das Restaurant ist – war bis Juni 1933 eine SA-Führerschule. Zeitgleich wurden auf dem Gelände politische Regimegegner inhaftiert, gefoltert und zu Schwerstarbeit gezwungen. Die Gefangenen sollen auch im Stollen gefoltert worden sein. Wann und aus welchen Gründen dieses „wilde“ KZ aufgelöst wurde, ist heute nicht mehr genau bekannt.

„Es kann nicht sein, dass dort, wo früher Menschen von Nazis zu Tode gefoltert wurden, heutige Nazis ein Geschäft betreiben oder gar Feste feiern“, schreiben die anonymen Rechercheure in ihrem Bericht, den sie Geschäftspartnern und Politikern sowie dieser Zeitung zukommen ließen.

Kemnader See: Nazi-Vorwürfe gegen Pächterin des „Haus am See“

Pächterin Jennifer Killat zeigt sich offen für ein Gespräch. Sie verschweigt Kontakte zur rechten Szene in ihrer Jugend nicht, möchte aber auch ihre Version gehört wissen. „Ich bin im Essener Norden aufgewachsen, da kommt man leicht mit Rechten in Kontakt.“

Jennifer Killat möchte sich zu den Nazi-Vorwürfen gegen sie äußern.
Jennifer Killat möchte sich zu den Nazi-Vorwürfen gegen sie äußern. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Zwischen 16 und 23 Jahren sei sie mit jemandem zusammen gewesen, der der rechten Szene angehört habe – und das auch immer noch tue. „Ja, ich war mit ihm gemeinsam auch auf Demonstrationen. Es ging da aber eher um Protest gegen den Staat. Rassismus liegt mir fern. Ich habe mich nie als Rechte gesehen“, beteuert die 34-Jährige.

200.000 Euro in das Gebäude der ehemaligen Zeche investiert

Die gebürtige Essenerin hat Biotechnik im niedersächsischen Emden und in Berlin studiert, will sich dort in der Flüchtlingshilfe engagiert haben. Weil sie sich ethisch nicht mit Tierversuchen identifizieren könne, habe sie die Forschung aufgegeben. Auf einer Feier lernt sie Mit-Pächter Marlon Heigl kennen, der in Essen auch die Eventzeche betreibt. Gemeinsam übernehmen sie die Gastronomie am Kemnader See. 200.000 Euro wollen sie in die Sanierung des „Haus am See“ gesteckt haben.

„Mich interessiert die Vergangenheit eines Menschen nicht“, sagt Marlon Heigl. „Ich finde es schade, dass man nicht mit uns spricht, sondern uns anonym anschwärzt, unsere Verpächter haben sogar Morddrohungen bekommen.“

„Ich habe seit mehr als zehn Jahren nichts mehr mit Nazis zu tun. Ich bereue es, dass ich damals mit Einem zusammen war. Die Vergangenheit holt mich immer wieder ein.“ Ein Brautpaar habe seine Feier wegen der Nazi-Vorwürfe bereits abgesagt. 30 bis 35 Hochzeiten seien bereits für den nächste Jahr geplant. Samstage in der Sommersaison: ausgebucht. 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Pächter – „bunt gemischt, viele verschiedene Nationen“, wie beide betonen.

Nebenstelle des KZ Buchenwald – allein eine Tafel erinnert daran

Von der historischen Vergangenheit des Gebäudes hätten sie nichts gewusst. Tatsächlich erinnert allein eine etwa ein Meter große Tafel an einem der Gebäude an die Zwangsarbeiter im Nationalsozialismus. „Wir sind sogar bereit, auf eigene Kosten hier ein Denkmal aufzustellen“, sagt Marlon Heigl. „Es haben auch vorher hier Hochzeiten stattgefunden, wir haben niemals geahnt, dass in diesem Ort so eine schreckliche Geschichte steckt.“

Politische Veranstaltungen schließen die Pächter in ihren Verträgen übrigens grundsätzlich aus, wie sie erklären. Sie hätten für das Haus am See Anfragen aller Parteien abgelehnt, obwohl sie das Geld in der Corona-Zeit durchaus hätten brauchen können. In ihren Verträgen machen sie außerdem deutlich, dass eine Veranstaltung keine „rechtsextremen, rassistischen, antisemitischen oder antidemokratische Inhalte“ haben dürfe.

Beim Freizeitzentrum Kemnade, dem die Gebäude gehören, zeigt man sich auf Nachfrage „nicht erfreut“ von den Vorwürfen. Da das Restaurant aber unterverpachtet werde, habe man in dem Fall keine Handhabe. „Wir haben da keinen Einfluss drauf“, sagt Geschäftsführer Jürgen Hecht auf Nachfrage.