Altenbochum. Als der Krieg ihre Stadt erreichte, floh die Familie aus der Ukraine. In Bochum fängt sie neu an. diesen Aprilscherz machten ihre Gastgeber.

Um vier Uhr morgens dröhnt die Sirene durch Tschernihiw – und reißt Familie Nahornov an diesem 24. Februar 2022 aus dem Schlaf. Dies war der Beginn der Reise für die fünfköpfige Familie aus dem Nordosten der Ukraine bis nach Bochum, von der der älteste Sohn Nikita Nahornov (17) berichtet. Er sitzt im Wohnzimmer der neuen Wohnung der Nahornovs in Altenbochum.

Um 4 Uhr morgens ging die Reise nach Bochum plötzlich los

„Es ist Realität“, sei sein erster Gedanke gewesen, als die Sirenen ihn weckten. Seine Eltern, Vater Serhiy (45) und Mutter Yana (38), hätten nach einem ersten Augenblick der Verwirrung begonnen, sich einen Plan auszudenken, um ihre Familie in Sicherheit zu bringen. „Wir hatten die Koffer schon halb gepackt“, berichten die beiden. In den Tagen zuvor hatten die Lehrkräfte an der Schule ihrer Kinder bereits Ratschläge gegeben, wie man im Falle einer Flucht vorgehen muss. Doch bis zuletzt hätten Serhiy und Yana Nahornov gehofft, dass es nicht zu einem Ausbruch von Gewalt kommt.

Als 10 Minuten nach den Sirenen an jenem Donnerstagmorgen auch der Knall von Detonationen einsetzte, stiegen die Nahornovs kurzer Hand in ihr Auto, und machten sich mit den drei Kindern und ihrer Katze auf den Weg nach Westen. Auf ihrer Fahrt – möglichst schnell weg aus den umkämpften Gebieten – hätten sie entlang des Wegs immer wieder in ukrainischen Städten gehalten, diese aber nach ein paar Tagen wieder verlassen, berichtet Nikita. Der gruseligste Teil der Reise, erzählt er, war „die Raketen über sich fliegen zu hören und nicht zu wissen, wo sie landen würden“

Nach einem Zwischenhalt im polnischen Breslau sei die Familie schließlich in Düsseldorf angekommen. „Wie wurden dort in einem Haus zu zehnt untergebracht – das war viel zu eng“, sagt Nikita, „also haben wir über die Internetseite ,Warmes Bett’ eine Familie aus Bochum gefunden, die uns aufgenommen hat.“ So kamen die Nahornovs schließlich am 16. März in Bochum an.

Laut Nikita hätten sie in der Bochumer Familie wahre Freunde gefunden, die auch mal zu Scherzen aufgelegt sind. Am 1. April erzählte die Gastfamilie den Ukrainern, das deutsche Fernsehen würde sie beim Abendessen filmen. Als die Nahornovs dann ganz steif und schick gekleidet am Tisch saßen, lösten die Gastgeber den Scherz auf. Darüber kann die fünfköpfige Familie noch immer lachen.

Die Familie hat vor, weiterhin in Bochum zu bleiben

Am vergangenen Donnerstag, 21. April, konnten die Nahornovs dann endlich ihre eigene Wohnung in Altenbochum beziehen. Die ukrainische Familie plant, bis auf weiteres in Bochum zu bleiben und sich in die Gesellschaft zu integrieren, so die Eltern. Teenager Nikita übernehme bisher die Übersetzung für seine Familie – drei Jahre hatte er in der Schule Deutschunterricht. Aber die ganze Familie bemühe sich nun, Deutsch zu lernen, berichtet er. Seine Eltern, Serhiy und Yana, nehmen nun an einem Deutschkurs teil, um eine Arbeit zu finden.

Die zwei Söhne, Nikita und Arseniy (12) besuchen nun die Graf-Engelbert-Schule, während die Jüngste, Polina (8), auf der Lina-Morgenstern-Schule geht. Laut Nikita war der Einstieg in der Schule besonders schwierig für Polina, da sie kein Deutsch spricht. Der 17-Jährige betont aber, man sei in der Schule sehr hilfsbereit und zuvorkommend. Lehrkräfte und Mitschüler hätten sich bemüht, mittels einer Übersetzer-App auf dem Smartphone mit ihr zu kommunizieren.

Einstieg in der deutschen Sprache

„In den ersten Wochen war die Umstellung auf das ständige Sprechen der deutschen Sprache sehr schwierig und anstrengend“, sagt Nikita. Aber mit der Zeit merkt er, dass es immer angenehmer und einfacher wird, mitzuhalten. Er sagt, sein Deutsch sei in kurzer Zeit viel besser geworden. Eine große Hilfe in der Schule seien seine Freunde, die auch Ukrainisch sprechen, berichtet der 17-Jährige. „Sie beantwortet immer meine Fragen und erklärt mir alles was ich nicht verstehe“ sagt Nikita. Auch Polina habe eine Ukrainisch-sprechende Freundin gefunden, die sie in ihren Einstig in der Schule sehr geholfen hat.

Vater Serhiy sagt, seine Familie sei sehr dankbar für die Hilfe, die sie bisher auf ihrer Reise bekommen haben. Was die ukrainischen Flüchtlinge in Bochum jetzt am meisten brauchen, fügt Nikita an, sind Verständnis und Freundschaft.