Mülheim. In den 1950er Jahren ließ man sich gern in den April schicken. Diese Zeitung kennt viele Beispiele. Aus manchem Scherz wurde später Wirklichkeit.

Journalisten müssen sich an die Fakten halten. Aber an einem Tag im Jahr kann es auch schon mal anders sein. Am 1. April siegen zuweilen auch in der Zeitung die Fantasie und der Schalk im Nacken über den Ernst der oft schnöden Realität, wie ein Blick in alte Lokalausgaben dieser Zeitung zeigt.

Wir gehen zurück in die 1950er Jahre, als auch die Mülheimer nach langen Jahren der Diktatur, des Kriegs und der existenziellen Not wieder etwas zu lachen haben wollten. Und so schickte diese Zeitung die Leser ihrer Lokalausgabe am 1. April 1953 mit einem Bericht über den angeblich bevorstehenden Bau einer Seilbahn in den Frühlingsmonat. Hintergrund der Geschichte war der damals diskutierte Wiederaufbau der bei Kriegsende 1945 zerstörten Kahlenbergbrücke.

Seilbahnmasten sollten in den Saarner Ruhrwiesen stehen

1953 war das Jahr, in dem die Stadt offiziell als trümmerfrei erklärt werden konnte. Der angebliche Bau einer Seilbahn, der den Bismarckturm mit dem damals noch bestehenden Bahnhof Saarn verbinden sollte, wurde als „Steckenpferd von Heinrich Thöne“ vorgestellt. Der damalige Oberbürgermeister Heinrich Thöne war nicht nur Vorsitzender des Rates, sondern auch des Verkehrsausschusses.

Der Mülheimer Polizeisender wird zum Sendemast für das 3-D-Fernsehen: Dieser Aprilscherz wurde nicht wahr.
Der Mülheimer Polizeisender wird zum Sendemast für das 3-D-Fernsehen: Dieser Aprilscherz wurde nicht wahr. © WAZ | Ant Palmer

Thöne, so hieß es am 1. April in der Lokalausgabe dieser Zeitung, werde die Bauarbeiten zur Errichtung der Seilbahn persönlich überwachen. Außerdem habe er die Stadtverordneten davon überzeugt, auf den Saarner Ruhrwiesen die notwendigen Seilbahnmasten aufstellen zu lassen und sich selbst als Fahrgäste für die erste Probefahrt der Seilbahn zur Verfügung zu stellen. Der Seilbahnbau, so hieß es im neckischen Bericht, sei preiswerter als der Brückenbau und werde auch mit Fördermitteln des Landes unterstützt.

Das Mülheimer Polizeipräsidium als TV-Sendeanlage

Auf den Tag genau ein Jahr später tischten die Kollegen ihren Lesern die angebliche Einführung des dreidimensionalen Fernsehens auf. Wer dem lokaljournalistischen Aprilscherz Glauben schenkte, konnte davon ausgehen, dass der Bau der notwendigen Sendemasten auf dem Auberg in Saarn begonnen habe und jetzt eine Probeaufführung des 3-D-Fernsehens im Handelshof auf dem Programm stehe. Spöttisch angemerkt wurde, dass jetzt auch der Sendemast auf dem Polizeidach an der Von-Bock-Straße problemlos für das neue 3-D-Fernsehen genutzt werden könne, da der Funkverkehr der Mülheimer David-Wagen nun aus dem neuen Polizeipräsidium in Oberhausen gesteuert würde.

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Und am 1. April 1955 wurde den Mülheimern eine großformatige Film- und Theaterbühne am Entenfang in Aussicht gestellt. Die Leinwandhelden O. W. Fischer und Maria Schell, hieß es am 1. April 1955, hätten ihr Kommen zur Grundsteinlegung zugesagt und würden diese mit einer Autogrammstunde für ihre Fans verbinden. Wer jetzt auf den Geschmack gekommen war, konnte sich auch vorstellen, sich vor der Leinwand im Autokino am Entenfang einen alkoholisierten Milchshake mit dem schönen Namen „Fischerschellträne“ schmecken zu lassen. Milchbars waren Mitte der 1950er Jahre auch in Mülheim der Hit. Und Tränen flossen im Herz-Schmerz-Kino des Wirtschaftswunders reichlich.

Ein Tunnel unter der Ruhr: Der Mülheimer Aprilscherz von 1958 wurde Jahrzehnte später Wirklichkeit.
Ein Tunnel unter der Ruhr: Der Mülheimer Aprilscherz von 1958 wurde Jahrzehnte später Wirklichkeit. © WAZ | Ant Palmer

Ein Opernhaus und eine Sängerhalle für Mülheim

Am 1. April 1957 freuten sich die Mülheimer darauf, dass die kriegsbeschädigte Stadthalle nach einem neunjährigen Wiederaufbau im Herbst 1957 vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss neu eröffnet werden sollte. Doch wenn die Mülheimer ihrer Lokalzeitung vom 1. April 1957 Glauben schenken wollten, konnten sie sich nicht nur auf eine wiedereröffnete Stadthalle freuen. Denn auf einer Modellzeichnung sah man neben der Stadthalle auch ein Opernhaus und eine Sängerhalle. Die Mülheimer Chöre, von denen es damals noch wesentlich mehr gab als heute, sollten nicht nur in der Sängerhalle, sondern auch im Opernhaus auftreten, um dort zum Beispiel opulente Wagner-Opern aufzuführen.

35 Jahre vor der Landesgartenschau MüGa sollte das beeindruckende Gebäudeensemble aus Stadthalle, Opernhaus und Sängerhalle von einem Park rund um Schloss Broich eingerahmt werden. Die Broicher Burg schlummerte damals noch im Dornröschenschlaf und sollte erst ab 1966 unter starker Mithilfe des Geschichtsvereins mit neuem Leben gefüllt werden.

Autotunnel unter der Ruhr – später kam die U-Bahn

Und am 1. April 1958 machte diese Zeitung angesichts der Diskussion über den technisch komplexen Abriss der alten Schloßbrücke (Baujahr 1910) zugunsten einer neuen, breiteren und damit auch autogerechten Schloßbrücke, einen bahnbrechenden Alternativvorschlag. Demnach sollte die alte Schloßbrücke erhalten und künftig allein den Fußgängern und der Straßenbahn vorbehalten bleiben. Die Autos wollte man durch einen Tunnel unter der Ruhr schicken. Langfristig konnten sich die Aprilscherzkekse aus der Lokalredaktion auch einen U-Bahn-Tunnel unter der Ruhr vorstellen.

Neben der Stadthalle entstehen ein Opernhaus und eine Sängerhalle – ein Bericht vom 1. April 1957.
Neben der Stadthalle entstehen ein Opernhaus und eine Sängerhalle – ein Bericht vom 1. April 1957. © WAZ / FFS | Ant Palmer

Nicht vorstellen konnten sie sich damals aber, dass ihre Witz-Vision 40 Jahre später Wirklichkeit werden sollte, nachdem Stadt, Land und Bund dafür insgesamt 250 Millionen D-Mark in die Hand genommen hatten. Am 19. September 1998 schickten der damalige NRW-Wirtschaftsminister Bodo Hombach, der damalige Bundesverkehr-Staatssekretär Norbert Lammert und der damalige Oberbürgermeister Hans-Georg Specht den ersten Stadtbahnwagen durch den 2,2 Kilometer langen Ruhrtunnel.

Ein Satz aus den 1950er Jahren wirkt heute noch nach

Ein Vorwort, das der damalige Oberbürgermeister Heinrich Thöne und der damalige Oberstadtdirektor Bernhard Witthaus für das Mülheimer Adressbuch 1953 schrieben, spricht vom Zeitgeist der 1950er Jahre, in denen die vom Krieg zerstörte Stadt wieder aufgebaut wurde und zahlreiche Zuwanderer aus dem ehemaligen deutschen Osten integriert wurden.

So führen Thöne und Witthaus damals aus: „Egal, wo wir hingestellt sein mochten, wir haben seit 1950 eine Zeit erlebt, in der sich jeder in friedlicher Arbeit dem Wiederaufbau unserer schönen Heimatstadt gewidmet hat. Diese Zeit hat uns aber auch viele Menschen zugeführt, die nach endloser Not und großem Elend bei uns eine neue Heimat gefunden haben.“