Mülheim. Für sein Projekt Labdoo bekommt Ralf Hamm sogar Anerkennung vom Bundespräsidenten. Nur in Mülheim fehlte ihm wichtiger Rückhalt - bis jetzt.
Ralf Hamm ist einer, der etwas bewegt. 44.000 gebrauchte Laptops hat sein Verein Labdoo bereits an Bedürftige aus aller Welt gespendet. Zuletzt sind 233 Waisenhäuser in der Ukraine mit Geräten versorgt worden. Speziell Kindern Zugang zu Bildung verschaffen - das ist zu einer Lebensaufgabe für den Mülheimer geworden. Und das sorgt bundesweit für Aufsehen: Kein geringerer als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war es, der ihm 2022 auf Schloss Bellevue das Bundesverdienstkreuz verlieh. Eine Ehre, die nur wenigen Menschen zuteil wird. In der Regel erhalten Mülheimer diese Ehrung vor Ort durch den amtierenden Oberbürgermeister. Hamm dagegen fand sich in einer Reihe mit Musiker Frank Zander wieder, der am selben Tag in Berlin ausgezeichnet wurde.
Nur bei einer Sache wollte sich bislang nichts bewegen: in Mülheim selbst. Denn Ralf Hamm hatte eine Idee, die zunächst einmal simpel klingt. Wenn jemand auf dem Recyclinghof der Mülheimer Entsorgungs Gesellschaft (MEG) einen Laptop entsorgen will, solle der doch stattdessen an Labdoo gespendet werden, damit er von den ehrenamtlichen Helfern aufbereitet und wiederum an Bedürftige verschenkt werden kann. In den umliegenden Städten geht das schließlich auch.
Mülheim war ein weißer Fleck auf der Karte
„Wir bekommen unter anderem Geräte von den Recyclinghöfen in Düsseldorf, Duisburg, Grevenbroich, dem Kreis Kleve und Mönchengladbach. Nur Mülheim bleibt ein weißer Fleck auf der Karte“, sagt Ralf Hamm im ersten Gespräch mit unserer Redaktion. Die Begründung: Wenn der Laptop erstmal als Elektroschrott abgegeben wurde, darf ihn der Entsorgungsbetrieb nicht mehr herausgeben - höchstens an spezialisierte Abfallentsorger. In den umliegenden Städten waren dafür Sonderlösungen entwickelt worden. Dort werden die gespendeten Altgeräte an separater Stelle gesammelt.
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In Mülheim lehnte man diesen Sonderweg bislang ab. „Keine Chance“, sagt Hamm auf die Ankündigung unserer Redaktion, noch einmal nachhaken zu wollen. Aber manchmal bewegt sich eben doch etwas und im Fall der MEG ist das eine ganze Menge. Zwei Wochen dauerte die interne Prüfung bei der MEG, dann kündigte Sprecherin Jennifer Ebbers an: „Wir haben eine Lösung.“ In wenigen Wochen wird jeder, der seinen Laptop auf dem Wertstoffhof als Elektroschrott abgeben möchte, gefragt, ob das Gerät noch funktionstüchtig ist und als Spende in Frage kommt. Der bisherige Besitzer muss zudem gemäß Datenschutz-Grundverordnung unterschreiben, dass er der Spende zustimmt. Die Geräte werden dann am Empfang im Verwaltungsgebäude gesammelt und in regelmäßigen Abständen von Labdoo-Vertretern eingesammelt.
Über 1000 Laptops für Mülheimer Familien
„Wir können nicht prüfen, ob die Geräte für Labdoo geeignet sind. Aber was tatsächlich Schrott ist, nehmen wir natürlich zurück“, sagt Jennifer Ebbers. Woher kommt der Sinneswandel? Zum einen habe es eine Novelle des Elektronikgerätegesetzes G3 gegeben, durch die zwei sich widersprechende Vorschriften entzerrt wurden. Zum anderen ist dies sicherlich auch auf die Bereitschaft der MEG zurückzuführen, ab sofort einen Mehraufwand in Kauf zu nehmen. „Im Sinne der Nachhaltigkeit machen wir das gern und hoffen, dass viel zusammenkommt“, sagt Jennifer Ebbers. Ralf Hamm hofft auf etwa 15 bis 20 Geräte pro Monat.
Die gespendeten Laptops kommen nicht nur Menschen in den 157 Ländern zugute, in denen Labdoo bereits im Einsatz war. Auch Familien und Einrichtungen in Mülheim profitieren davon. So hat Labdoo unter anderem Altgeräte für die VHS und die Grundschule im Dichterviertel flott gemacht, die dort zur freien Verfügung bereit stehen. Über 1000 Laptops gingen an Kinder aus sozial schwachen Familien, auch Flüchtlingsfamilien in Mülheim wurden ausgestattet.
Mülheimer: „Wir kämpfen um jedes Gerät“
Labdoo nimmt alle Geräte als Spende an, die funktionstüchtig und maximal zwölf Jahre alt sind. „Wenn das Gerät noch Windows Vista drauf hat, ist es zu alt“, erklärt Hamm. Reparaturhelfer in Broich bringen die Geräte auf den aktuellen Stand und tauschen bei Bedarf Teile aus. „Sicherlich muss man manchmal abwägen, ob sich ein teures Ersatzteil noch lohnt. Aber prinzipiell kämpfen wir um jedes Gerät.“
Der neue Ablauf soll in den kommenden Wochen geklärt werden. Hamm rechnet damit, dass es ab August möglich sein wird, Laptops beim MEG Recyclinghof zu spenden. Für ihn war diese Entwicklung eine mehr als willkommene Überraschung. „Ich bin sehr froh. Schließlich ist Mülheim Mittelpunkt unseres Projekts.“
Mülheimer hat recherchiert, wie viel der Ordensnachkauf kostet
Das Bundesverdienstkreuz war es übrigens, das Labdoo deutschlandweit bekannt gemacht hat. „Auf einmal war ich in sämtlichen Fernsehsendungen und am Tag nach der Verleihung brach unser Server zusammen.“ Wie besonders die Ehrung für den Mülheimer ist, merkt man daran, wie gut er sich informiert hat. Sollte er die Ordensinsignie einmal verlieren, wäre sogar ein Nachkauf der Ehrennadel möglich. Kostenpunkt: läppische 30 Euro. „Entscheidend ist, dass man die Verleihungsurkunde nachweisen kann.“