Mülheim. Was zunächst nur Befürchtungen waren, verbreitete sich unter Mülheims Schülerschaft wie ein Lauffeuer. Das sagen Betroffene zu der Abi-Panne.

Gegen Mittag gab es die ersten Gerüchte, sie machten per Whatsapp die Runde: „Serverausfall, die Prüfungen sind nicht abrufbar.“ Unter den Schülerinnen und Schülern macht sich langsam Panik breit. „Erst dachte ich noch, dass das ja nicht sein kann“, erzählt Luisa Reichwein (18), die eigentlich ihre Abi-Prüfung am Gymnasium Heißen im Grundkurs Biologie nun schon hinter sich hätte. „Aber je mehr Zeit verging, umso mehr Angst hatten wir alle.“

Am Abend dann der Schock: Die Mail vom Ministerium – und damit die Gewissheit – kam am Dienstag um 20.32 Uhr. Erst dann konnten die Schulen ihre Schülerinnen und Schüler darüber informieren, dass die Abi-Prüfungen für die Prüfungsfächer Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik sowie Technik am nächsten Tag nicht stattfinden würden. Dass es technische Probleme beim Download der Klausuren gegeben hatte. „Die meisten Schülerinnen und Schüler waren vorgewarnt, hatten über die Medien schon davon gehört“, berichtet Ulrich Bender, stellvertretender Schulleiter am Otto-Pankok-Gymnasium. „Das ging irgendwann ja wie ein Lauffeuer rum“, sagt Thomas Ratz, Schulleiter der Gustav-Heinemann-Schule.

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Normalerweise laden die Lehrerinnen und Lehrer die Klausuraufgaben am Vortag ab 12 Uhr herunter, wählen gegebenenfalls Aufgaben aus und lagern die Klausurbögen dann bis zum nächsten Morgen in einem Safe in der Schule. „Wir haben es ab mittags versucht, der Download funktionierte nicht. Die erste Mail aus Düsseldorf dazu kam um 15.30 Uhr“, so Ulrich Bender. Ärgerlich sei es gewesen, dass man danach nur sehr spärlich Informationen vom Ministerium erhalten habe – bis zur Absage am Abend.

„Das ist einfach ein sehr großer Vertrauensbruch“, sagt Dino Colic. Der 18-Jährige macht dem Schulministerium große Vorwürfe. „Es ist jetzt viel Chaos wegen etwas ausgelöst worden, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.“ Dennoch, so der Luisenschüler, fühle er sich gut auf die nun verschobene Prüfung im Biologie-Grundkurs vorbereitet, „aber da ist auch jeder ein anderer Lerntyp.“ Denn für viele bringt die neue Terminierung einen Verzug mit sich. „Eigentlich wollte ich mich nach der Bio-Klausur auf Englisch vorbereiten“, schildert Luisa Reichwein. „Aber jetzt muss ich umplanen.“ Der Fehler liege jedoch keinesfalls bei den Schulen, „die haben uns so schnell informiert, wie es nur ging“.

Mülheimer Schulleitungen zeigen viel Verständnis

So hat die Gustav-Heinemann-Schule (wie alle anderen Schulen) die betroffenen Schülerinnen und Schüler – rund 30 hätten dort in den naturwissenschaftlichen Fächern schreiben müssen – nach 20.32 Uhr zügig informiert. „Über die Fachlehrer, die Lernplattformen und auch auf der Homepage“, erklärt Thomas Ratz, dort steht die schlechte Nachricht ganz oben.

Am Gymnasium Heißen, mit MINT-Ausrichtung, hat es rund die Hälfte der angehenden Abiturienten getroffen, rund 54 junge Leute. Schulleiter Patrick Rodeck berichtet, dass keine Schülerin und kein Schüler umsonst zum Klausurtermin erschienen ist. Zum Glück. Alle drei Schulleiter fühlen mit ihren Prüflingen. „Das kennt ja jeder. Man hat sich auf den Punkt X vorbereitet und will es hinter sich bringen. Die Spannungskurve ist auf dem Höchststand. Diese Spannung müssen die Schüler nun zwei Tage länger halten“, beschreibt es Thomas Ratz.

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Die Verschiebung des Klausurtermins auf Freitag bringt für die Schulen viel Umorganisation mit. „Ein neuer Aufsichtsplan muss aufgestellt, die betroffenen Lehrkräfte müssen für den Freitag freigestellt werden. Für sie müssen Vertretungslehrer gefunden werden“, erläutert Patrick Rodeck. Die Lehrerinnen und Lehrer der betroffenen Leistungs- und Grundkurse hatten am Dienstag stundenlang in der Schule ausgeharrt, um nach dem Download der Klausuren Aufgaben auszuwählen oder auch Versuche vorzubereiten.

Die Bezirksschülervertretung zeigt sich angesichts der Panne entsetzt und erhebt schwere Vorwürfe gegen das Bildungsministerium. „Werden Chaos, Unzuverlässigkeit und schlechte Planung zur Tradition im Bildungsministerium“, fragt etwa Samuel Bielak. Die mangelnde Kommunikation und Transparenz seien untragbar. Ein Fehler, den etliche Schülerinnen und Schüler nun ausbaden müssten. „Dazu kommt noch, dass der Freitag ein schwieriger Tag ist“, gibt Bezirksschülersprecherin Caroline Scherer zu bedenken. „Es sind wieder Streiks bei der Bahn angekündigt, und außerdem beginnt das Zuckerfest.“ Damit müsse man sich jetzt aber wohl abfinden.