Mülheim. Der Mülheimer Filmemacher Rainer Komers produziert mit zwei Kollegen für ZDF/3sat einen Dokumentarfilm. Gedreht wurde an vielen Orten.

Über die Situation der Sinti und Roma in Duisburg hat Filmemacher Rainer Komers schon 1977/78 während seines Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf in seinem Kurzfilm „Zigeuner in Duisburg“ berichtet. Nun greift er das Thema – zusammen mit den Kollegen Peter Nestler (Regie) und Dieter Reifahrt (Produktion/Schnitt) – erneut auf. Ein Doku für ZDF/3sat entsteht gerade, sie soll im nächsten Sommer im Fernsehen gezeigt werden.

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Die Hauptdreharbeiten für den Beitrag, der den Arbeitstitel „Widerstand“ trägt, fanden im Sommer 2021 statt. Im Zentrum des Films: Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma (Heidelberg). Der Entwurf zum Film, den die drei Filmemacher schon Anfang 2021 eingereicht hatten, war bei der Dokumentarfilm-Redaktion von 3sat/ZDF auf großes Interesse gestoßen. „Wir wollen die Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti in der Bundesrepublik darstellen – und die begann in den 70er Jahren mit Mitgliedern der Familie Rose“, sagt Rainer Komers.

Vergangenheit von Oskar und Vinzenz Rose ist unfassbar leidvoll

Oskar und Vinzenz Rose, Vater und Onkel von Romani, organisierten damals die erste Demonstration der Sinti in Deutschland nach 1945, „weil damals ein Sinto von der Polizei erschossen worden war“. Die beiden Brüder blickten auf eine unfassbar leidvolle Vergangenheit zurück: Verfolgung, Festnahme, Flucht und Deportation der Familie in das Vernichtungslager Auschwitz. Oskar schaffte es, der Verhaftung zu entgehen. Er befreite Vinzenz 1944 aus dem Außenlager Neckarelz, sie versteckten sich bis zum Kriegsende in Bayern. Viele Angehörige aber fanden im „Zigeunerlager“ in Auschwitz-Birkenau den Tod. Dort wurden im August 1944 alle Sinti und Roma ermordet. „Der 2. August ist für die Sinti und Roma ein Gedenktag, an diesem Tag soll unser Film auch ausgestrahlt werden“, kündigt Rainer Komers an.

Der Filmemacher Rainer Komers beschäftigt sich mit dem Schicksal der Sinti und Roma schon seit seiner Studienzeit.
Der Filmemacher Rainer Komers beschäftigt sich mit dem Schicksal der Sinti und Roma schon seit seiner Studienzeit. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Vertreter von Sinti- und Roma-Verbänden kommen im Film zu Wort. Neben Romani Rose unter anderem Petra Rosenberg, Vorsitzende des Landesverbandes der Sinti in Berlin-Brandenburg. Ihr Vater Otto Rosenberg überlebte Auschwitz und hat als erster Sinto ein Buch über die Schreckenszeit geschrieben. Gefilmt hat das Team aber unter anderem auch bei dem gebürtigen Mülheimer Moritz Pankok. Er führt in Berlin eine Galerie, die Kunst von Sinti und Roma ausstellt, darunter Bilder der KZ-Überlebenden Ceija Stojka.

Nazis saßen weiterhin in Amtsstuben

In der Dokumentation geht es um die Aufarbeitung der Vergangenheit vor und nach 1945 – auch in der Nachkriegszeit wurden die Sinti und Roma von ehemaligen Nazis, die in den Amtsstuben und Gerichten weiterhin das Sagen hatten, diskriminiert und in der Regel durch rassistisch motivierte Entscheidungen um ihre Entschädigung gebracht. Aber der Film schwenkt auch auf die Gegenwart um.

Rainer Komers hat im norddeutschen Leer den äußerst aktiven 1. Sinti-Verein Ostfriesland besucht und sich über dessen Arbeit informiert. Der Verein organisiert Ausstellungen, bietet Rechtsberatung an. „Das Hauptaktionsfeld sind aber Schule und Ausbildung – auch, weil viele ältere Sinti und Roma noch Analphabeten sind. Frauen aus der Minderheit werden zu Bildungsbegleiterinnen ausgebildet, sie unterstützen die Kinder in der Schule und bei den Hausaufgaben“, berichtet er.

Verein der Sinti in Leer bildet Frauen zu Bildungsbegleiterinnen aus

Das Selbsthilfe-Projekt hat den Mülheimer fasziniert und dazu angeregt, die Leerer Sinti mit den Duisburger Sinti und Roma in Kontakt zu bringen, zu denen er seit seinen Filmaufnahmen in Studententagen noch immer Kontakt hat. So haben zwei Bildungsbegleiterinnen aus Leer ihre Verwandtschaft auf dem Wohnplatz in Duisburg-Neuenkamp besucht. Die Duisburger wollen – von der Begegnung inspiriert – einen eigenen Verein gründen, um beispielsweise die Kinder von Beginn an in der Schule zu begleiten.

Film über „Picasso in Vallauris“

Gemeinsam mit zwei weiteren Filmemachern hat Rainer Komers im Januar 2022 im Auftrag des Museum Ludwig den Film „Picasso in Vallauris“ produziert.Im Kölner Museum läuft bis zum 30. Januar 2022 die Ausstellung „Der geteilte Picasso“. Es geht um die Rezeption von Picasso in der DDR und der BRD.Der Film von Peter Nestler und seinen Mitstreitern Rainer Komers (Kamera) und Dieter Reifarth (Ton, Schnitt, Produktion) beschäftigt sich mit dem Wandgemälde „Der Krieg und der Frieden“, das der spanische Maler 1952 in Vallauris an der Côte d’Azur schuf – für eine Kapelle, die zum Friedenstempel werden sollte. Es zeigt eine Szene aus dem Korea-Krieg.Der Film (13 Min.) ist in der Ausstellung rund um die Uhr zu sehen. Es gibt auch eine 48-minütige Langfassung, die in Sondervorstellungen gezeigt wird.

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In der Duisburger Community gibt es noch heute Angehörige der Minderheit, die den Holocaust überlebt haben, aber nie eine Entschädigung bekommen haben, die heute immer noch den Status eines Wohnungslosen haben und schlecht behandelt werden. Zum Beispiel Elli Mettbach, die Rainer Komers schon 1978 und nun wieder befragt hat. „Sie und ihre Familie müssen immer noch mit Ausgrenzung leben und um ihre Bürgerrechte kämpfen“, weiß der Filmemacher. In den letzten Jahren habe die Diskriminierung sogar wieder zugenommen.

Die letzten Aufnahmen für ihren Film machten die drei Künstler bei einem Konzert in Osnabrück. Dort spielten die Roma und Sinti Philharmoniker auch Werke von Komponisten aus der Minderheit. „Das war ein Fest der Sinti- und Roma-Kultur“, berichtet Rainer Komers. Das Orchester glaube an die völkerverbindende Kraft der Musik.