Mülheim. Der Mülheimer Filmemacher Rainer Komers nutzt das Corona-Jahr, um einen spannenden Dokumentarfilm über Japan fertigzustellen.

Langeweile ist beim Filmemacher Rainer Komers (76) im Corona-Jahr nicht aufgekommen. Er arbeitet an einem neuen Dokumentarfilm, und das braucht Zeit. Aus 25 Stunden Rohmaterial müssen die besten Sequenzen herausgefiltert und dann in verschiedenen Schritten montiert werden. Zwölf Minuten sind bisher fertig – als Rohschnitt. Es geht um Japan, ein Land, „in dem Traditionelles und Modernes nebeneinander existieren wie sonst nirgendwo“.

Bambusflötenspieler ist Protagonist

In Japan ist Komers schon mehrfach gewesen – 2015 mit einem Stipendium des Goethe-Instituts in der Villa Kamogawa in Kyoto. Damals lernte er den Deutschen Uwe Walter kennen, der mit einer Japanerin verheiratet ist und nördlich von Kyoto in den Bergen lebt. Er hat sich dem Bambusflötenspiel und dem Nô-Theater verschrieben. „Als Performer, mit einem eigenen Programm, geht er auf Tournee in Japan und Europa“, erzählt Komers

Uwe Walter zeigte dem Gast aus Deutschland sein Heimatdorf Tauta (deutsch: „Feldlied“). Erste Ideen für einen Film entstanden. Nachdem es Komers gelungen war, genug Fördermittel aufzutreiben – unter anderem bei Arte, der Film- und Medienstiftung NRW, der BKM Filmförderung – konnte es 2019 richtig losgehen. Während der Regenzeit im Juni und Juli sowie im Spätherbst drehte der Mülheimer in der Region Miyama-cho und in Tauta, aber auch in Kyoto, Osaka und Obama am Japanischen Meer. Am ersten Drehtag beobachtete er Uwe und seine Frau Mitsuyo beim Reisanbau und am letzten Tag das „Yasaka Parade Festival“, das traditionelle Dorffest in Tauta, bei dem für reiche Ernte gebetet wird.

Archaische Riten und hypermoderne Technik

Der Dreh im Spätherbst fokussierte sich auf vertiefende Gespräche mit den Protagonisten vom Sommer. Das alte Holzfällerehepaar Nakano, die Sandwichproduzentin und Autorin Etsuko Hayashi und ihr Mann Hideo, ein Reisbauer, oder ein junger Hähnchenfarmer, der aus Osaka stammt, gaben Einblick in ihren Alltag.

In diesem Jahr flog Rainer Komers noch einmal ins „Land des Lächelns“, im Februar, als es dort schneite, kurz vor dem ersten Lockdown. Dem Verhältnis von Stadt und Land hat der Filmemacher nachgespürt und den Gegensätzen in der Kultur. „In Japan gibt es nebeneinander ganz archaische Riten und hypermoderne Technik, das ist mir besonders aufgefallen“, sagt er. Hiroko Inoue, eine japanische Künstlerkollegin, begleitete ihn, organisierte und dolmetschte bei den Interviews. Zwei deutsche Tontechniker waren nacheinander ebenfalls mit dabei.

Montage-Prozess dauert lange

Seit April 2020 arbeitet Komers zusammen mit dem Editor Gregor Bartsch (Babelsberg) am Schnitt des umfangreichen Materials. Die Postproduktion ist aufwändig, braucht Zeit. Zu allererst mussten deutsche Untertitel eingebaut werden, damit man das Japanische verstehen und die Szenen montieren kann. Im November sind erstmal zwölf Minuten Film entstanden, mit denen der Film aber nicht beginnt. „Wir haben eine Sequenz geschnitten, die mittendrin im Film auftauchen wird.“ Vieles steht noch an bis zur Fertigstellung: Feinschnitt, Tonmischung, Farbkorrektur, deutsche und englische Untertitel,...

Beendet sein soll die Arbeit im April 2021. „Der Zeitdruck ist aber nicht so groß wie sonst, weil derzeit keine Festivals stattfinden, auf denen ich ihn vor Publikum im Kino zeigen könnte“, erklärt Rainer Komers. Er hofft, dass der Dokumentarfilm mit dem Arbeitstitel „Tauta – Kyoto Prefecture“ ab nächstem Sommer zu wichtigen Filmfestivals in Europa und vor allem in Japan eingeladen wird. Eins ist sicher: Nach der Festival- und Kino-Phase wird der „Tauta“-Film auch im Fernsehen auf Arte zu sehen sein. 

ZUR PERSON

Rainer Komers hatte zunächst einen Lehrauftrag für Siebdruck an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort trat er zudem ein Filmstudium an, das er als Meisterschüler abschloss.

Außerdem absolvierte er ein Gaststudium im Fach Fotografie an der Universität Essen.

Ab Ende der 1970er Jahre drehte Komers zahlreiche kurze und lange Dokumentarfilme – teilweise als Regisseur, oftmals aber auch als Kameramann. Seine Filmographie umfasst etwa 50 Werke.

Sein letzter Film, "Bastow California" (2018) wurde auf vielen Festivals gezeigt und mit Preisen ausgezeichnet (z.B. Arte-Dokumentarfilmpreis). Es geht darin um die amerikanische Kleinstadt Barstow an der Route 66 und um das Schicksal des dichtenden Mörders Spoon Jackson.

Schon 1979 erhielt Rainer Komers den Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft der Stadt Mülheim.