Mülheim. Erstmals seit fünf Jahren konnte das Mülheimer Tersteegenhaus von einer Besuchergruppe betreten werden. Dass die Linde fallen soll, störte viele.

Für die Öffentlichkeit ist das Tersteegenhaus in der Mülheimer Altstadt seit über fünf Jahren gesperrt, als damals unerwartet festgestellt wurde, dass das Fachwerk marode ist. Die Baustelle konnte nun erstmals von Besuchern betreten werden, der Immobilienservice der Stadt und der Freundes- und Förderkreis Heimatmuseum Tersteegenhaus machten zwei Führungen möglich. Die Besucher stellten interessierte und kritische Fragen.

Mancher hätte wohl innen schon etwas mehr erwartet als Stützgerüste, Arbeitsplattformen, Behelfstreppen und einen Blick bis unters Dach. Architekt Christof Welke erklärte, wie die Zimmerleute derzeit die Fachwerk-Balken ausbessern, die zum Teil noch aus dem Baujahr 1530 stammen, wie aufwendig die Arbeit ist. Und dass vieles von den Holzbauten, wie die Gerüsttürme, am Ende wieder abgebaut wird. „Würde zum 500. Geburtstag, also 2030, das Haus wohl wieder stehen?“, fragt ein Besucher. Zweifel machen sich bei einigen angesichts der Baustelle breit. „Es steht eher, viel eher“, sagt Architekt Welke und kündigt an, dass im Sommer Richtfest gefeiert werden soll. Doch das gilt nur für den ersten Bauabschnitt. Weitere werden folgen. Christof Welke gibt sich aber zuversichtlich: „Es läuft sehr gut.“

Mülheimer Tersteegenhaus soll zum Tag des Denkmals im September präsentiert werden

Aus der 15-köpfigen Besuchergruppe kommen Fragen nach der späteren Heizung (Wand- und Bodenheizung) sowie nach dem Verfüllen des Gefachs (Lehmziegel, die mit Kalkputz verputzt werden). Und woher man überhaupt weiß, wie alt das Haus ist (aus Untersuchungen von Bohrkernen aus den alten Balken). Architekt Welke zeigt, wo im Altbau später die Fenster wie früher wieder eingebaut werden, und dass der Anbau aus den 1950ern verschwindet. Im Moment wird dessen Wand noch für die Baustabilität benötigt. Das neue Dach wird dann nur noch den Altbau schützen und weitaus steiler, spitzer ausfallen. Wie damals eben, anno 1530.

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An die ehemalige Einrichtung des Tersteegenhauses, das bis vor wenigen Jahren als einziges Heimatmuseum der Stadt regelmäßig zu Führungen an die Teinerstraße 1 einlud, erinnern sich viele Mülheimerinnen und Mülheimer aus ihrer Schulzeit. Die Exponate sind schon seit Jahren eingelagert. Wenn das Haus einmal fertig saniert ist, wird es wieder ein Mölmsches Museum für die Bürgerinnen und Bürger sein.

Blick auf die Wand des Anbaus, die später abgerissen werden soll. Das Tersteegenhaus soll möglichst so aufgebaut werden, wie es sich 1530 ins Mölmsche Stadtbild gefügt hat. Das neue Dach wird daher wieder viel spitzer ausfallen, als man es in den vergangenen Jahrzehnten gesehen hat.
Blick auf die Wand des Anbaus, die später abgerissen werden soll. Das Tersteegenhaus soll möglichst so aufgebaut werden, wie es sich 1530 ins Mölmsche Stadtbild gefügt hat. Das neue Dach wird daher wieder viel spitzer ausfallen, als man es in den vergangenen Jahrzehnten gesehen hat. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Ein älterer Mülheimer, aufgewachsen an der Kaiserstraße, erinnert sich noch gut an die 1950er Jahre, als Kriegsflüchtlinge im Tersteegenhaus untergebracht worden waren. In dieser Zeit ist auch der Anbau entstanden, der im dritten Bauabschnitt abgerissen wird. Dann wird auf der dem alten Eingang gegenüberliegenden Seite ein barrierefreier Zugang geschaffen.

Mülheimer Besucher wollen die Linde am Tersteegenhaus nicht fallen sehen

Bürgermeister Markus Püll, Vorsitzender des Freundes- und Förderkreises, kündigte an, dass sich das Tersteegenhaus zum „Tag des offenen Denkmals“ am 11. September präsentieren werde, wenn auch als Baustelle. Falls jemand inzwischen den Jackpot knacken sollte, würde sich der Verein über Spenden freuen, scherzte er.

So hat das Tersteegenhaus in der Mülheimer Altstadt vor der aufwendigen Sanierung ausgesehen. Das Foto wurde im Sommer 2016 gemacht.
So hat das Tersteegenhaus in der Mülheimer Altstadt vor der aufwendigen Sanierung ausgesehen. Das Foto wurde im Sommer 2016 gemacht. © FFS | Herbert Höltgen

Am Ende wurde die Stimmung noch einmal ernst, als fast nebenbei erwähnt wurde, dass die Linde hinter dem Tersteegenhaus fallen muss, weil sie dem geplanten barrierefreien Zugang im Weg steht. Dass dafür ein Kräuterbeet entstehen soll, befriedigte die Besuchergruppe nicht. Lieber sollte man versuchen, den Baum zu erhalten, hieß es unisono, der gehöre doch zum Tersteegenhaus, wurde für die Linde Partei ergriffen. „Drinnen erhält man totes Holz, draußen fällt man lebendige Bäume – das passt doch nicht zusammen!“, sagte ein Besucher, und viele nickten. Bürgermeister Püll zeigte sich offen auch für einen künftigen Dialog mit den Bürgern.

Sanierung von Grund auf ist nötig

Der Freundes- und Förderkreis Heimatmuseum Tersteegenhaus Mülheim wurde vor elf Jahren als Verein gegründet. Ursprüngliches Ziel war, das kleine Heimatmuseum als Kulturort für die Bürgerinnen und Bürger trotz der Sparpläne zu erhalten.Damit konnten die engagierten Vereinsmitglieder aber nicht rechnen: Im Zuge geplanter Sanierungsarbeiten wurde im April 2017 festgestellt, dass das historische Wohnhaus auf dem Kirchenhügel vom Hausschwamm befallen und akut einsturzgefährdet ist.Statt frischer Farbe für die Wände und moderner Sanitäranlagen, wie 2017 geplant, muss das Tersteegenhaus nun von Grund auf saniert werden. Mehr Infos: https://heimatmuseum-tersteegenhaus.de.